Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP 17. Legislaturperiode
- Entwurf -
Durch nachhaltiges Wirtschaften
Durch gute Bildung und starke Forschung
Durch Zusammenhalt und Solidarität
Durch Bürgerrechte und starken Staat
Durch Partnerschaft und Verantwortung in Europa und der Welt
1 | I. WOHLSTAND FÜR ALLE |
---|---|
2 | Durch nachhaltiges Wirtschaften |
3 | |
4 | 1. Wachstum und Aufschwung |
5 | |
6 | Unsere wirtschaftspolitische Leitlinie ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie greift weit |
7 | über ökonomische Ziele hinaus, ist ein unverzichtbarer Teil einer freiheitlichen of- |
8 | fenen Gesellschaft. Wir achten, schützen und verteidigen die Wirtschaftsordnung |
9 | der Sozialen Marktwirtschaft mit aller Kraft. Das System der Sozialen Marktwirt- |
10 | schaft hat nicht nur zu großem Wohlstand breiter Bevölkerungsgruppen, sondern |
11 | auch zu einem einmaligen sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland |
12 | geführt. Die Ordnungspolitik setzt in der Sozialen Marktwirtschaft die Rahmenbe- |
13 | dingungen. Deren oberstes Ziel muss sein, dass Bürger und Unternehmen ihre |
14 | produktiven Kräfte entfalten und ihr Eigentum sichern können. Dabei ist es eine |
15 | Daueraufgabe des Staates, diesen Ordnungsrahmen den gesellschaftlichen und |
16 | wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen und zu verbessern. Wir verfolgen eine |
17 | Wirtschaftspolitik, die auf Stetigkeit, Solidität und Verlässlichkeit ausgerichtet ist |
18 | und mit der richtigen Ausrichtung aus Ordnungs-, Steuer-, und Innovationspolitik |
19 | entschlossen handelt, auch international und auf europäischer Ebene. |
20 | |
21 | In der jetzigen Situation gilt es, den Einbruch des wirtschaftlichen Wachstums so |
22 | schnell wie möglich zu überwinden und zu einem neuen, stabilen und dynami- |
23 | schen Aufschwung zu kommen. In der außergewöhnlichen Situation, in der sich |
24 | die deutsche wie die internationale Wirtschaft befindet, dürfen das Vertrauen der |
25 | Bürger und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen jetzt nicht durch Entzug |
26 | von Kaufkraft höhere Belastung der Arbeitskosten und Kürzungen bei öffentlichen |
27 | und privaten Investitionen gefährdet werden. Dies wäre auch im historischen |
28 | Maßstab ein schwerer Fehler. Die Koalition wird vielmehr auf diese Herausforde- |
29 | rung mit einer Strategie der Stärkung und Verlässlichkeit antworten. Sie beruht auf |
30 | drei zentralen Ansätzen: |
31 | |
32 | o Wir werden erstens die Motivation und Leistungsbereitschaft der Arbeit- |
33 | nehmer und Arbeitgeber in unserem Land schnell und deutlich stärken, in- |
34 | dem wir sofort damit beginnen, die Steuern zu senken, bürokratische |
35 | Hemmnisse abzubauen und mehr Anreize zu schaffen, damit sich reguläre, |
36 | sozialversicherungspflichtige Arbeit in allen Bereichen lohnt. Wir werden die |
37 | Quellen des Wachstums für morgen in den Mittelpunkt stellen, dies betrifft |
38 | insbesondere Bildung und Forschung und neue Technologien, Produkte |
39 | und Dienstleistungen. Hier entscheidet sich mehr als an anderen die lang- |
40 | fristige Zukunftskraft Deutschlands. |
41 | |
42 | o Wir werden zweitens einen nachhaltigen Kurs der Sparsamkeit, der Trans- |
43 | parenz der öffentlichen Finanzen und der verlässlichen Konsolidierung der |
44 | öffentlichen Haushalte verfolgen. Die finanziellen Folgen des Wachstums- |
45 | einbruchs werden wir nicht ungeschehen machen können. Wir sind aller- |
46 | dings überzeugt, dass wir sie durch die Kombination aus nachhaltigem |
47 | Wachstum und kluger Sparsamkeit schrittweise abtragen und in den kom- |
48 | menden Jahren neue Stärke für unser Land gewinnen können. |
49 | |
50 | o Wir werden drittens in der schwierigen Phase, in der der Arbeitsmarkt, die |
51 | Unternehmen und die Banken noch die unmittelbaren Folgen der Finanz- |
52 | und Wirtschaftskrise zu verkraften haben, Beschäftigung sichern und den |
53 | Unternehmen Hilfe bei der Finanzierung insbesondere ihrer Investitionen |
54 | bereit stellen. Zwar erforderte die Weltwirtschaftskrise eine vorübergehende |
55 | stärkere Rolle des Staates. Aber CDU, CSU und FDP sind sich einig: Die |
56 | Beteiligung des Staates an Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten ist |
57 | so eng wie möglich zeitlich zu begrenzen. Dazu werden wir jetzt mit einer |
58 | Ausstiegs-Strategie beginnen. |
59 | |
60 | 1.1. Motivation und Entlastung |
61 | |
62 | Mehr Netto vom Brutto |
63 | |
64 | Wir wollen eine Steuerpolitik, die die Leistungsbereitschaft der Bürgerinnen und |
65 | Bürger stärkt. Wir wollen eine Steuerpolitik, die für die Unternehmen in Deutsch- |
66 | land Rahmenbedingungen schafft, die ihr auch in Zeiten der Globalisierung ihre |
67 | starke Stellung ermöglicht. |
68 | |
69 | Wir verstehen Steuerpolitik als Wachstumspolitik, denn wir wissen, dass Basis |
70 | aller Staatsfinanzen die Arbeit der Bürger unseres Landes und die wirtschaftlich |
71 | erfolgreichen Unternehmen sind. Mehr finanzieller Spielraum ist Voraussetzung für |
72 | mehr Konsum und mehr Investitionen. |
73 | |
74 | Die Bürger empfinden aber nicht nur die Höhe der Steuer- und Abgabenlast als |
75 | demotivierend, sondern auch die Kompliziertheit und Unklarheit des deutschen |
76 | Steuerrechts. Deshalb wollen wir, dass Steuern "einfach, niedrig und gerecht" |
77 | sind. Wir streben an, die paritätisch finanzierten Lohnzusatzkosten (Sozialversi- |
78 | cherungsbeiträge) unter 40% vom Lohn zu halten. |
79 | |
80 | Wir werden dafür sorgen, dass sich Arbeit lohnt, dass den Bürgern mehr Netto |
81 | vom Bruttoeinkommen bleibt. Das Steuersystem und das Besteuerungsverfahren |
82 | werden wir deutlich vereinfachen und für die Anwender freundlicher gestalten. |
83 | |
84 | Die steuerlichen Entlastungen schaffen die nachhaltige Grundlage für gesunde |
85 | Staatsfinanzen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die strenge Begrenzung der |
86 | Schulden nach der neuen Schuldenregel unserer Verfassung. |
87 | |
88 | Wir halten an den durch den Gesetzgeber beschlossenen Entlastungen in der |
89 | Lohn- und Einkommensteuer fest. Das bedeutet, dass durch die erweiterte Ab- |
90 | setzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge und den Einstieg in die Beseitigung |
91 | der kalten Progression eine Steuerentlastung in Höhe von rund 14 Milliarden Euro |
92 | jährlich zum 1.1.2010 verwirklicht wird. |
93 | |
94 | Wir wollen darüber hinaus eine steuerliche Entlastung insbesondere für die unte- |
95 | ren und mittleren Einkommensbereiche sowie für die Familien mit Kindern in ei- |
96 | nem Gesamtvolumen von 24 Mrd. Euro (volle Jahreswirkung) im Laufe der Legis- |
97 | laturperiode umsetzen. |
98 | |
99 | Der Kinderfreibetrag wird in einem ersten Schritt zum 1.1.2010 auf 7008,- Euro |
100 | und das Kindergeld um je 20,- Euro erhöht. |
101 | |
102 | Wir werden insbesondere die unteren und mittleren Einkommensbezieher vorran- |
103 | gig entlasten und gleichzeitig den Mittelstandsbauch abflachen, indem wir den |
104 | Einkommensteuertarif zu einem Stufentarif umbauen. Zahl und Verlauf der Stufen |
105 | wird unter Berücksichtigung dieses Zieles entwickelt. |
106 | |
107 | Der Tarif soll möglichst zum 1.1.2011 in Kraft treten. |
108 | |
109 | |
110 | 1.2 Der Weg aus der Krise |
111 | |
112 | Sofortprogramm krisenentschärfende Maßnahmen |
113 | |
114 | Um schnell und effektiv Wachstumshemmnisse zu beseitigen, werden wir unver- |
115 | züglich mit einem Sofortprogramm zum 1. Januar 2010 beginnen. Die Verlust- und |
116 | Zinsabzugsbeschränkungen sowohl für international aufgestellte Konzerne als |
117 | auch für mittelständische Unternehmen werden entschärft. Zu diesem Zweck wer- |
118 | den wir: |
119 | |
120 | bei den Verlustabzugsbeschränkungen ("Mantelkauf") |
121 | o die zeitliche Beschränkung bei der Sanierungsklausel zur Verlustnutzung |
122 | bei Anteilsübertragungen aufheben, |
123 | |
124 | o den Abzug von Verlusten bei Umstrukturierungen innerhalb verbundener |
125 | Unternehmen - soweit erforderlich - wieder zulassen ("Konzernklausel"), |
126 | |
127 | o den Übergang der Verluste in Höhe der stillen Reserven zulassen, |
128 | |
129 | bei den Zinsabzugsbeschränkungen ("Zinsschranke") |
130 | o die höhere Freigrenze von 3 Mio. Euro dauerhaft einführen, um insbeson- |
131 | dere kleinere und mittlere Unternehmen zu entlasten, |
132 | |
133 | o einen Vortrag des EBITDA rückwirkend ab dem Jahr 2007 für einen Zeit- |
134 | raum von jeweils fünf Jahren einführen, um den Zinsabzug für die Unter- |
135 | nehmen auch bei Konjunkturschwankungen zu verstetigen, |
136 | |
137 | o die Escape-Klausel überarbeiten und für deutsche Konzerne anwendbar |
138 | machen, |
139 | bei den grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen |
140 | o unverzüglich die negativen Auswirkungen der Neuregelung zur Funktions- |
141 | verlagerung auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland |
142 | beseitigen, |
143 | |
144 | bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen |
145 | o den Hinzurechnungssatz bei den Immobilienmieten von 65% auf 50% redu- |
146 | zieren (alle übrigen Fragen werden in die Kommission "Gemeindefinanzen" |
147 | einbezogen), |
148 | |
149 | bei der Grunderwerbsteuer |
150 | o die Umstrukturierung von Unternehmen durch eine Konzernklausel erleich- |
151 | tern, |
152 | |
153 | bei den Ertragsteuern |
154 | o ein Wahlrecht einführen, die Sofortabschreibung für geringwertige Wirt- |
155 | schaftsgüter bis 410 Euro oder die Poolabschreibung für alle Wirtschaftsgü- |
156 | ter zwischen 150 und 1000 Euro anzuwenden. |
157 | |
158 | Steuervereinfachung |
159 | |
160 | Wir werden das Steuerrecht spürbar vereinfachen und von unnötiger Bürokratie |
161 | befreien. Davon werden alle profitieren, sowohl die Steuerzahler als auch die |
162 | Steuerverwaltung und die steuerberatenden Berufe. Wir werden insbesondere |
163 | |
164 | o die Steuererklärungsvordrucke und Erläuterungen verständlicher und an- |
165 | wendungsfreundlicher ausgestalten, |
166 | |
167 | o allen Bürgern die Möglichkeiten geben, ohne Papierbelege mit den Finanz- |
168 | ämtern zu kommunizieren, |
169 | |
170 | o noch in dieser Legislaturperiode allen Bürgern auf Wunsch eine vorausge- |
171 | füllte Steuererklärung mit den bei der Finanzverwaltung vorhandenen Da- |
172 | ten zur Verfügung stellen, |
173 | |
174 | o den steuerlichen Abzug privater Steuerberatungskosten wieder einführen, |
175 | |
176 | o ein schlüssiges und verständliches Konzept der steuerlichen Berücksichti- |
177 | gung von Aufwendungen für Familien und Kinder und im Haushalt, |
178 | |
179 | o die steuerliche Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten neu ordnen, |
180 | |
181 | o die Besteuerung der Rentnerinnen und Rentner so vereinfachen, dass kein |
182 | aufwändiges Kontrollmitteilungsverfahren und keine separate Erklärungs- |
183 | pflicht für Rentenbezüge mehr notwendig ist, |
184 | |
185 | o den Abzug von Kosten für ein Pflegeheim durch Pauschalierung vereinfa- |
186 | chen anstelle des heutigen Einzelnachweises der Kosten, |
187 | |
188 | o die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge entbürokratisieren |
189 | und flexibilisieren, |
190 | |
191 | o gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbe- |
192 | sondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleich- |
193 | stellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen, |
194 | |
195 | o die Besteuerung von Jahreswagenrabatten für Mitarbeiter zügig auf ein re- |
196 | alitätsgerechtes Maß bringen; in diesem Zusammenhang werden wir auch |
197 | die Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Pri- |
198 | vatnutzung betrieblicher Fahrzeug überprüfen, |
199 | |
200 | o grundsätzlich rückwirkende gesetzgeberische Maßnahmen vermeiden, |
201 | welche die Bürger belasten, |
202 | |
203 | o dafür sorgen, dass sich BMF-Schreiben auf die Auslegung der Gesetze be- |
204 | schränken und die Praxis der Nichtanwendungserlasse zurückgeführt wird, |
205 | |
206 | o prüfen, ob Arbeitnehmer die Steuerklärung auch für einen Zeitraum von |
207 | zwei Jahren abgeben können, |
208 | |
209 | o die Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft auf wesentliche und auf- |
210 | wändige Fälle beschränken, |
211 | |
212 | o das Kontenabrufverfahren überprüfen, |
213 | |
214 | o zur Erhöhung der Planungssicherheit auf Seiten der Unternehmen und der |
215 | Finanzverwaltung dafür sorgen, dass der Gedanke der zeitnahen Betriebs- |
216 | prüfung verwirklicht wird. Betriebsprüfungen müssen grundsätzlich inner- |
217 | halb von fünf Jahren nach Beginn bzw. dann abgeschlossen sein, wenn die |
218 | neue Betriebsprüfung beginnt, |
219 | |
220 | o den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen vereinfachen und in die- |
221 | sem Zusammenhang stärker typisieren und pauschalieren, |
222 | |
223 | o die elektronische Rechnungsstellung auf möglichst unbürokratische Weise |
224 | ermöglichen. |
225 | |
226 | Reform der Erbschaftsteuer |
227 | |
228 | Wir werden die Regelungen bei der Erbschaftsteuer entbürokratisieren, familien- |
229 | gerechter, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher machen. Hierzu werden |
230 | wir als Sofortprogramm vorab |
231 | o die Steuerbelastung für Geschwister und Geschwisterkinder durch einen |
232 | neuen Steuertarif von 15 bis 43 Prozent senken |
233 | und |
234 | o die Bedingungen für die Unternehmensnachfolge krisenfest ausgestalten. |
235 | Wir streben an, die Zeiträume zu verkürzen, innerhalb dessen das Unter- |
236 | nehmen weitergeführt werden muss. Die erforderlichen Lohnsummen wol- |
237 | len wir absenken. |
238 | |
239 | Wir werden in Gespräche mit den Ländern eintreten, um zu prüfen, ob die Erb- |
240 | schaftsteuer hinsichtlich Steuersätzen und Freibeträgen regionalisiert werden |
241 | kann. |
242 | |
243 | Mittelfristige Ziele für die Unternehmensbesteuerung |
244 | |
245 | Steuerpolitik ist auch Standortpolitik. Aus diesem Grund wollen wir das Unter- |
246 | nehmenssteuerrecht weiter modernisieren und international wettbewerbsfähig |
247 | gestalten. Aufkommensneutralität sollte gewahrt bleiben. Unternehmerische Ent- |
248 | scheidungen sollten sich - unabhängig von Rechtsform, Organisation und Finan- |
249 | zierung - in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach |
250 | steuerlichen Aspekten richten. Auch der Holdingstandort Deutschland soll gestärkt |
251 | werden. Ansatzpunkte für eine Prüfung sind: |
252 | o eine Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustverrechnung, |
253 | o die grenzüberschreitende Besteuerung von Unternehmenserträgen, |
254 | o die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems anstelle der |
255 | bisherigen Organschaft |
256 | |
257 | Darüber hinaus wollen wir uns mit dem Problem der zweifachen Besteuerung von |
258 | Unternehmenserträgen auf der Ebene der Unternehmen und Anteilseigner einer- |
259 | seits und der nur einfachen Besteuerung der Erträge aus risikoarmen Zinsproduk- |
260 | ten andererseits auseinandersetzen. |
261 | |
262 | Wir werden unsere Politik der Doppelbesteuerungsabkommen auf die internatio- |
263 | nale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ausrichten und deshalb grund- |
264 | sätzlich an der Freistellung der ausländischen Einkünfte festhalten. |
265 | |
266 | Die Bemühungen im Kampf gegen die internationale Steuerhinterziehung werden |
267 | wir weiter vorantreiben. |
268 | |
269 | Wir werden eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung |
270 | der Gemeindefinanzierung einsetzen. Diese soll auch den Ersatz der Gewerbe- |
271 | steuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen |
272 | Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz prü- |
273 | fen. |
274 | |
275 | Umsatzsteuer |
276 | |
277 | Auch die Umsatzsteuer muss an die modernen Anforderungen angepasst werden. |
278 | Eine Umstellung auf die Ist-Besteuerung auf Leistungserbringer- und - |
279 | empfängerseite könnte beispielsweise zur Bekämpfung des Steuerbetrugs und zur |
280 | Verbesserung der Zahlungsmoral beitragen. Deshalb werden wir im Verlauf der |
281 | Legislaturperiode unter Einbeziehung der europäischen Vorgaben prüfen, ob und |
282 | in welchem Umfang das Prinzip der Ist-Besteuerung der Umsätze ausgeweitet |
283 | werden kann. |
284 | |
285 | Daneben gibt es Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Be- |
286 | nachteiligungen gehören auf den Prüfstand. Aus diesem Grund wollen wir eine |
287 | Kommission einsetzen, die sich mit der Systemumstellung bei der Umsatzsteuer |
288 | sowie dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst. |
289 | Dabei gilt es auch, die europäische Wettbewerbssituation bestimmter Bereiche zu |
290 | berücksichtigen. Deshalb wollen wir ab dem 1.1.2010 für Beherbergungsleistun- |
291 | gen in Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent |
292 | ermäßigen. |
293 | |
294 | Die Umsatzbesteuerung von Postdienstleistungen ist mit Blick auf die jüngste |
295 | EuGH-Rechtsprechung umgehend so anzupassen, dass keine steuerliche Un- |
296 | gleichbehandlung mehr besteht. Nach dem Urteil des EuGH bleibt die Grundver- |
297 | sorgung der Bürger mit Postdienstleistungen umsatzsteuerfrei. |
298 | |
299 | Wir streben Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter insbesonde- |
300 | re bei der Umsatzsteuer an, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu er- |
301 | möglichen. Aufgaben der Daseinsvorsorge sollen nicht über die bestehenden Re- |
302 | gelungen hinaus steuerlich belastet werden. |
303 | |
304 | Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit für die heimische Produktion von Biokraftstof- |
305 | fen auch unter steuerlichen Gesichtspunkten erhalten. Für die Branche muss Pla- |
306 | nungssicherheit gewährleistet sein. |
307 | |
308 | Wir streben eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung an, die |
309 | zusätzliche Forschungsimpulse insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen |
310 | auslöst. |
311 | |
312 | Die bereits beschlossene Einkommensteuerentlastung, das Sofortprogramm für |
313 | Familien, die Änderungen der Unternehmenssteuerreform und die Erbschaftsteuer |
314 | belaufen sich damit zum 1.1.2010 auf ein Gesamtvolumen von rund 21 Mrd. Euro. |
315 | Sie bilden damit einen starken Impuls zu Beginn der neuen Legislaturperiode, der |
316 | dabei hilft, Deutschland aus der Krise zu führen. |
317 | |
318 | 1.3. Investitionsbremsen lösen |
319 | |
320 | Bürokratieabbau |
321 | |
322 | Der freiheitliche Staat soll nicht bevormunden, sondern den Gestaltungsraum von |
323 | Bürgern und Unternehmen respektieren. Regulierungen sollen nur dort geschaffen |
324 | werden, wo es zum Schutz des Schwächeren und zur Wahrung wichtiger Ge- |
325 | meinschaftsgüter und eines Ordnungsrahmens erforderlich ist. Regeln sind kein |
326 | Selbstzweck, weshalb es nicht mehr Regeln geben soll, als erforderlich. Notwen- |
327 | dige Regelungen müssen schlank und verlässlich, Verwaltungs- und gerichtliche |
328 | Verfahren zügig sein. |
329 | |
330 | Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung wirken wie ein Wachstumsprogramm |
331 | zum Nulltarif. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise wollen wir dieses Potential |
332 | nutzen. Alle Ressorts werden deshalb bestehende Bürokratielasten fortlaufend |
333 | und eigenständig reduzieren und neue Belastungen vermeiden. |
334 | |
335 | Bisher werden die durch die gesetzlichen Informationspflichten der Wirtschaft ver- |
336 | ursachten Kosten gemessen. Um die Bürokratiekosten weiter einzudämmen, wer- |
337 | den wir künftig |
338 | o die gesetzlichen Informationspflichten auch für die Bürger |
339 | und |
340 | o die gesetzlichen Handlungspflichten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung |
341 | prüfen, bevor Gesetze vorgelegt werden. |
342 | |
343 | Dazu werden wir den Normenkontrollrat (NKR) stärken und seine Kompetenzen |
344 | ausbauen. Wir prüfen, wie das gegenwärtige Mandat des NKR bei der Verab- |
345 | schiedung neuer Regelungen auf die Einhaltung der methodengerechten Durch- |
346 | führung der festgelegten Anforderungen erweitert werden kann. Bei Gesetzen, |
347 | Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften ist verstärkt von der Möglichkeit |
348 | der Befristung Gebrauch zu machen. Der Normenkontrollrat wird gebeten, bei sei- |
349 | nen Stellungnahmen die Möglichkeiten der Befristung ausdrücklich zu untersu- |
350 | chen. Insbesondere wollen wir eine Plausibilitätsprüfung der so genannten sonsti- |
351 | gen Bürokratiekosten in den Aufgabenbereich des NKR übertragen. |
352 | |
353 | Vor der Verständigung auf Vorschläge der Bundesregierung für eine erneute Beru- |
354 | fung des NKR werden wir Größe und Zusammensetzung dieses Gremiums vor |
355 | dem Hintergrund seines erweiterten Mandats überprüfen. |
356 | |
357 | Wir bekräftigen die bestehende Verpflichtung, die gemessenen Kosten aus bun- |
358 | desrechtlichen Informationspflichten der Wirtschaft bis 2011 im Vergleich zu 2006 |
359 | um netto 25 Prozent zu reduzieren. Dazu legen die Bundesministerien bis 1. Juli |
360 | 2010 jeweils verbindliche Umsetzungspläne vor. Über den Zeitraum 2011 hinaus |
361 | wird die Bundesregierung ein weiteres anspruchsvolles Reduktionsziel auch für |
362 | den gesamten gemessenen Erfüllungsaufwand festlegen. |
363 | |
364 | Wir werden in einem ersten Schritt umgehend konkrete Möglichkeiten aufzeigen, |
365 | wie in den folgenden Bereichen für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger und die |
366 | Verwaltung der gesamte messbare Erfüllungsaufwand um durchschnittlich 25 Pro- |
367 | zent netto reduziert werden kann und bis 2011 entsprechende Änderungen in fol- |
368 | genden Bereichen vornehmen, beispielsweise: |
369 | - Planungs- und Baurecht von Infrastrukturvorhaben; |
370 | - Steuererklärungen, steuerliche und zollrechtliche Nachweispflichten; |
371 | - Harmonisierung und Verkürzung der Aufbewahrungs- und Prüfungsfristen |
372 | nach Handels-, Steuer-, und Sozialrecht; |
373 | - Betriebliche Beauftragte; |
374 | - Antrag auf gesetzliche Leistungen, insbesondere für |
375 | o Existenzgründer und Kleinunternehmen sowie bei drohender Firmenin- |
376 | solvenz; |
377 | o Menschen, die pflegebedürftig, chronisch krank oder akut schwer krank |
378 | sind; |
379 | o Familien und Alleinerziehende; |
380 | - Erleichterung der elektronischen Übermittlung der Gewerbeanzeige. |
381 | |
382 | Wir prüfen, wie die Verpflichtungen und Schwellenwerte des Handels-, Steuer-, |
383 | Arbeits- und Sozialrechts rechtsbereichsübergreifend harmonisiert werden können |
384 | (z. B. Vereinheitlichung des Einkommensbegriffs). Die von Arbeitgebern auszu- |
385 | stellenden Bescheinigungen und Entgeltnachweise werden bis spätestens 2015 in |
386 | ein elektronisches Verfahren überführt. |
387 | |
388 | Wir wollen innerhalb der Bundesregierung ein "Frühwarnsystem" mit einer mit- |
389 | telstandsorientierten Gesetzesfolgenabschätzung für europäische Regelungen |
390 | implementieren. |
391 | |
392 | Wir setzen uns aktiv für die Einsetzung eines unabhängigen Rates für Bürokratie- |
393 | abbau bei der EU-Kommission nach dem Vorbild des NKR ein und fordern die EU- |
394 | Kommission auf, weitere Vereinfachungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, |
395 | insbesondere auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Die Tätigkeit des NKR und des |
396 | geplanten unabhängigen Rates für Bürokratieabbau sind miteinander zu vernetzen |
397 | und aufeinander abzustimmen. Außerdem unterstützen wir die Annahme der Ver- |
398 | einfachungsvorschläge der EU-Kommission aus dem Aktionsprogramm zum Ab- |
399 | bau von Verwaltungslasten. Wir werden bei den Verhandlungen zu neuen Rege- |
400 | lungsvorhaben der EU auf einer plausiblen Folgekostenschätzung bestehen und |
401 | eigene Vorschläge zur Vereinfachung einbringen. Wir werden EU-Richtlinien wett- |
402 | bewerbsneutral ("1 zu 1") umsetzen, damit Unternehmen am Standort Deutsch- |
403 | land kein Wettbewerbsnachteil entsteht. |
404 | |
405 | Das geltende AGG werden wir im Hinblick auf einen möglichen Abbau von Büro- |
406 | kratielasten überprüfen. |
407 | |
408 | Wir setzen uns aktiv gegen alle Formen von Diskriminierung ein. Den ungeeigne- |
409 | ten Entwurf der Europäischen Kommission zur 5. Antidiskriminierungsrichtlinie |
410 | lehnen wir allerdings ab. |
411 | |
412 | Genehmigungsverfahren |
413 | |
414 | Wir prüfen, wo Initiativen ergriffen werden können, um Genehmigungsverfahren, |
415 | die bundesgesetzlich geregelt sind, zu verkürzen und zu beschleunigen. Geneh- |
416 | migungsverfahren sind, wenn möglich, inhaltlich zu reduzieren und verfahrens- |
417 | und kompetenzmäßig zu konzentrieren. Dabei ist dem Anzeigeverfahren ein grö- |
418 | ßeres Gewicht einzuräumen. Insbesondere streben wir an, in Abstimmung mit den |
419 | Ländern Genehmigungsverfahren im Baurecht zu straffen. Außerdem werden wir |
420 | Umfang und Breite der gerichtlichen Überprüfungskompetenz untersuchen und wo |
421 | möglich auf das notwendige rechtliche Maß zurückführen. |
422 | |
423 | Wir befürworten die Einrichtung von Modellregionen für den Bürokratieabbau. |
424 | |
425 | Vergaberecht |
426 | |
427 | Die deutsche Wirtschaft braucht ein leistungsfähiges, transparentes, mittelstands- |
428 | gerechtes und unbürokratisches Vergaberecht. Zur Erleichterung des Zugangs zu |
429 | den Beschaffungsmärkten und zur Stärkung eines offenen und fairen Wettbe- |
430 | werbs um öffentliche Aufträge soll das bestehende Vergaberecht reformiert und |
431 | weiter gestrafft werden. Ziel ist es, das Verfahren und die Festlegung der Verga- |
432 | beregeln insgesamt zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Wir stärken |
433 | die Transparenz im Unterschwellenbereich. Die Erfahrungen aus der Anhebung |
434 | der Schwellenwerte in der VOB und VOL werden evaluiert und die Ergebnisse bei |
435 | der Reform des Vergaberechts berücksichtigt. Zur Reform des Vergaberechts wird |
436 | ein wirksamer Rechtsschutz bei Unterschwellenaufträgen gehören. Ein Gesetz- |
437 | entwurf für das reformierte Vergaberecht wird bis Ende 2010 vorgelegt. |
438 | |
439 | Das Bauforderungssicherungsgesetz wird alsbald und umfänglich hinsichtlich der |
440 | Zielerreichung überprüft. |
441 | |
442 | Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand muss deutlich verbessert werden. Die |
443 | 2009 eingeführte Berücksichtigung vergabefremder Aspekte wird in ihren Wirkun- |
444 | gen geprüft und gegebenenfalls korrigiert. |
445 | |
446 | Unternehmensfinanzierung |
447 | |
448 | Wir werden die Bedingungen für Unternehmensfinanzierung verbessern. Deutsch- |
449 | lands Mittelstand darf nicht in eine Kreditklemme geraten. Dazu wollen wir das |
450 | Kredit- und Bürgschaftsprogramm (Deutschlandfonds) evaluieren und prüfen, ob |
451 | und welche Anpassungen zur Unterstützung insbesondere auch unserer mittel- |
452 | ständischen Wirtschaft notwendig sind. Wir überprüfen gegebenenfalls Struktur |
453 | und zeitliche Ausrichtung des Deutschlandfonds. Ein Kreditmediator bündelt - in |
454 | Abstimmung mit entsprechenden Einrichtungen auf Länderebene - die Beschwer- |
455 | den der Fremdkapital suchenden Unternehmen und versucht mit der Kreditwirt- |
456 | schaft konstruktive Lösungen zu finden. Es werden die Möglichkeiten einer schnell |
457 | verfügbaren und unbürokratischen Liquiditätshilfe für kleine Unternehmen geprüft. |
458 | |
459 | GWB-Novelle |
460 | |
461 | In das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird als ultima ratio ein Ent- |
462 | flechtungsinstrument integriert. Darüber hinaus werden Elemente der europäi- |
463 | schen Fusionskontrolle übernommen. Das Kartellamt wird weiterhin Konzentrati- |
464 | onstendenzen und Nachfragemacht beobachten. Das Kartellamt wird bei der wett- |
465 | bewerblichen Folgenabschätzung am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Zur Si- |
466 | cherung freier und fairer Märkte setzen wir uns für ein unabhängiges europäisches |
467 | Kartellamt ein. |
468 | |
469 | Reform des Insolvenzrechts |
470 | |
471 | Das Insolvenzrecht muss den neuen Herausforderungen angepasst werden. Wir |
472 | werden ein Instrumentarium schaffen, dass es der Bankenaufsicht frühzeitig er- |
473 | möglicht, systemrelevante Finanzinstitute im Rahmen eines geordneten Verfah- |
474 | rens zu restrukturieren. |
475 | |
476 | Wir wollen die Restrukturierung und Fortführung von sanierungsfähigen Unter- |
477 | nehmen erleichtern und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglichen. Hierzu |
478 | gehört es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für außergerichtliche Sanierungs- |
479 | verfahren für Unternehmen im Vorfeld einer drohenden Insolvenz zu verbessern. |
480 | |
481 | Das Insolvenzplanverfahren soll vereinfacht und im Sinne eines Restrukturie- |
482 | rungsrechts noch stärker auf die Frühsanierung von Unternehmen ausgerichtet |
483 | werden. Für Kreditinstitute ist ein früh eingreifendes Reorganisationsverfahren |
484 | vorzusehen. Hierdurch sollen Enteignungen vermieden und das Haftungsprinzip |
485 | gestärkt werden. Eine wesentliche Errungenschaft der Insolvenzordnung ist die |
486 | Gleichbehandlung aller Gläubiger. Hiermit nicht vereinbar ist die in der letzten |
487 | Wahlperiode gegen den Willen der Rechtspolitiker aller Fraktionen erfolgte Privile- |
488 | gierung der Sozialkassen im Insolvenzverfahren. Diese werden wir beenden. Wei- |
489 | teren Regelungsbedarf werden wir prüfen. Das gilt namentlich für den Verschul- |
490 | densbegriff, die Verwalterauswahl und das Verbraucherinsolvenzverfahren. Hier |
491 | muss auch weiterhin der Grundsatz der zweiten Chance gelten. Rechtsstaatliche |
492 | Standards müssen gewahrt bleiben. |
493 | |
494 | Beteiligung der öffentlichen Hand |
495 | |
496 | Im Rahmen der Ausstiegs-Strategie wollen wir die Beteiligungen der öffentlichen |
497 | Hand generell überprüfen. Deshalb berufen wir einen Expertenrat, der eine flexible |
498 | Zeitablaufplanung unter Berücksichtigung der Entwicklung auf den internationalen |
499 | Kapitalmärkten entwirft. |
500 | |
501 | Moderne Regulierung |
502 | Die Regulierung der Netze soll nicht nur niedrige Nutzungsentgelte im Blick behal- |
503 | ten, sondern auch qualitative Elemente berücksichtigen, um so schnelle und län- |
504 | gerfristige Investitionen auszulösen. |
505 | |
506 | 2. Generationengerechte Finanzen |
507 | |
508 | Haushalt |
509 | |
510 | Wir stehen für eine solide Haushalts- und Finanzpolitik. Die Grundlage für die Zu- |
511 | kunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist nur gegeben, wenn der Weg in den Ver- |
512 | schuldungsstaat gestoppt wird. Die Sicherung der Tragfähigkeit der öffentlichen |
513 | Finanzen ist vor allem vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung |
514 | eine zentrale Herausforderung der kommenden Legislaturperiode. Dies ist ein Ge- |
515 | bot der Generationengerechtigkeit. Nur eine durchgreifende Konsolidierungspolitik |
516 | verschafft dem Staat Spielräume, um zu gestalten und den Bürger zu entlasten. |
517 | |
518 | Die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maß- |
519 | nahmen haben tiefe Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen. Mit der |
520 | Überwindung der Krise muss ein strikter Konsolidierungskurs einsetzen. Nur so |
521 | werden das Vertrauen von Investoren und Konsumenten in die Kontinuität der |
522 | künftigen Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik gestärkt und damit langfristig die |
523 | Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung gestellt. |
524 | |
525 | Wir gehen davon aus, dass die in diesem Koalitionsvertrag vereinbarte Politik zu |
526 | einer spürbaren Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums führt. Insbesondere |
527 | erwarten wir eine Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt. 100.000 Arbeits- |
528 | lose weniger haben eine Entlastungswirkung von etwa 2 Milliarden Euro im Haus- |
529 | halt und den Sozialkassen. Dies erleichtert die notwendigen strukturellen Verände- |
530 | rungen bei der Bundesagentur für Arbeit. |
531 | |
532 | Haushaltskonsolidierung ist auch die Grundlage für die Sicherung unseres Sozial- |
533 | staates. Einem überschuldeten Staat wird am Ende immer das Geld für die |
534 | Schwachen in dieser Gesellschaft fehlen. Mit der Haushaltskonsolidierung ist eine |
535 | soziale Dividende verbunden, da Zinslasten begrenzt werden und damit Gestal- |
536 | tungsmöglichkeiten entstehen. |
537 | |
538 | Wir werden Steuerverschwendung gemeinsam mit Ländern und Kommunen ent- |
539 | schlossen bekämpfen. |
540 | |
541 | Die neue, im Grundgesetz verankerte Schuldenregel trägt der |
542 | ökonomischen Vernunft und der Verantwortung für nachfolgende Generationen |
543 | Rechnung. Zugleich bekennen wir uns ausdrücklich zu unserer Verantwortung im |
544 | Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. |
545 | |
546 | Folgende "Goldene Regeln" sind einzuhalten: |
547 | |
548 | - Alle staatlich übernommenen Aufgaben werden auf ihre Notwendigkeit hin ü- |
549 | berprüft. Jeder Ausgabenbereich muss einen Beitrag zur Erfüllung der Anfor- |
550 | derungen der neuen Schuldenregel leisten. |
551 | - Alle neuen finanzwirksamen Vorhaben und Belastungen auf der Einnahmen- |
552 | und Ausgabenseite müssen in ihren Wirkungen umfassend ausgewiesen wer- |
553 | den. Für die Maßnahmen, die nicht im Rahmen des beschlossenen Finanz- |
554 | rahmens zusätzlich finanziert werden sollen, ist grundsätzlich eine unmittelba- |
555 | re, vollständige und dauerhafte Gegenfinanzierung im jeweiligen Etat des Bun- |
556 | deshaushaltes sicherzustellen. |
557 | - Das Ausgabenwachstum muss unter dem Wachstum des Bruttoinlandsproduk- |
558 | tes (real) liegen. |
559 | - Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt. |
560 | - Politische Zielsetzungen haben sich stärker als bisher an qualitativen und nicht |
561 | mehr nur an quantitativen Anforderungen zu orientieren. |
562 | - Alle Einnahmen stehen grundsätzlich dem Gesamthaushalt zur Verfügung. |
563 | - Die Weiterentwicklung in den Zweigen der Sozialversicherung muss ebenfalls |
564 | dem Erfordernis der Schuldenregel des Bundes Rechnung tragen. |
565 | - Wir werden auf eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen den Ebenen der |
566 | öffentlichen Haushalte achten. |
567 | - Zukünftig werden wichtige Eckwerte des Haushalts vorab verbindlich durch das |
568 | Bundeskabinett vorgegeben und damit zur Grundlage für das regierungsinter- |
569 | ne Aufstellungsverfahren in den Einzelplänen gemacht. Der parlamentarische |
570 | Teil des Haushaltsaufstellungsverfahren bleibt davon unberührt. |
571 | |
572 | CDU, CSU und FDP haben das Anliegen, die krisenbedingten Einnahmeausfälle |
573 | für die Arbeitslosen- und Krankenversicherung aus Steuermitteln aufzufangen. Die |
574 | Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und damit die Lohnnebenkosten |
575 | sollen zur Überwindung der Krise stabil gehalten werden. Damit spannen wir einen |
576 | Schirm zum Schutz der Arbeitnehmer in der Krise auf. Es geht insbesondere um |
577 | die Umwandlung des bisher vorgesehenen Darlehens an die Bundesagentur für |
578 | Arbeit in einen Zuschuss. Die Auszahlung des Zuschusses muss selbstverständ- |
579 | lich an strenge Kriterien gebunden werden. Deshalb wird die Koalition im Zusam- |
580 | menhang mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2010 prüfen, wie diesem An- |
581 | liegen Rechnung getragen werden kann. Insbesondere durch ein auf diesen |
582 | Zweck ausgerichtetes Sondervermögen. |
583 | |
584 | Zur Entlastung der Haushaltsseite ist es zudem notwendig, angemessene Wirt- |
585 | schaftlichkeitsuntersuchungen für alle finanzwirksamen Maßnahmen durchzufüh- |
586 | ren. Staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tä- |
587 | tigkeiten sind konsequent zu überprüfen und bei nachgewiesener Wirtschaftlich- |
588 | keit mit Hilfe des privaten Anbieters umzusetzen. |
589 | |
590 | Wir wollen diesen Prozess optimal gestalten und Beteiligungen der öffentlichen |
591 | Hand generell überprüfen. |
592 | |
593 | Die Weltwirtschaftskrise erforderte eine vorübergehende stärkere Rolle des Staa- |
594 | tes. Die Beteiligung des Staates an Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten |
595 | ist so eng wie möglich zeitlich zu begrenzen. Dazu werden wir eine Ausstiegsstra- |
596 | tegie entwickeln. |
597 | |
598 | Der demographische Wandel, die finanziellen Rahmenbedingungen und die Not- |
599 | wendigkeit zur Sicherung der Handlungsfähigkeit des Staates erfordern eine kon- |
600 | sequente Nutzung aller Effizienzpotentiale in der Bundesverwaltung. Auf Basis |
601 | einer umfassenden Aufgabenkritik, der konsequenten Standardisierung von Pro- |
602 | zessen, der flächendeckenden und verbindlichen Nutzung und dem weiteren Aus- |
603 | bau von Kompetenz- und Dienstleistungszentren sowie einer Entbürokratisierung |
604 | streben wir eine durchgreifende Modernisierung der Bundesverwaltung einschließ- |
605 | lich der Ministerien und nachgeordneten Behörden an. |
606 | |
607 | Der wesentliche Teil der zusätzlich generierten Gewinne aus der Laufzeitverlänge- |
608 | rung der Kernenergie soll von der öffentlichen Hand vereinnahmt werden. Mit die- |
609 | sen Einnahmen wollen wir auch eine zukunftsfähige und nachhaltige Energiever- |
610 | sorgung und -nutzung, z. B. die Erforschung von Speichertechnologien für erneu- |
611 | erbare Energien, oder stärkere Energieeffizienz fördern. Unabhängig davon stre- |
612 | ben wir eine angemessene Beteiligung der Betreiber an den Sanierungskosten für |
613 | die Schachtanlage Asse II an. |
614 | |
615 | Alle Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Emissionszertifikaten stehen dem Ge- |
616 | samthaushalt zur Verfügung. Bei der Erlösverwendung sind die steuerlichen Min- |
617 | dereinnahmen aufgrund des Betriebsausgabenabzugs über alle Ebenen und die |
618 | laufenden, aus den CO2-Erlösen finanzierten Klimaschutzmaßnahmen in Rech- |
619 | nung zu stellen. Ab 2013 sind zusätzlich die angekündigten Kompensationszah- |
620 | lungen für indirekte Preiseffekte des Emissionshandels sowie in Aussicht gestellte |
621 | Maßnahmen für den Bau effizienter fossiler Kraftwerke zu berücksichtigen. |
622 | |
623 | Die Finanzagentur Deutschland soll unter Berücksichtigung der haushalterischen |
624 | Belange des Bundes so wenig wie möglich mit Kreditinstituten in Wettbewerb tre- |
625 | ten. |
626 | |
627 | 3. Arbeitschancen für alle |
628 | |
629 | 3.1 Arbeitsmarkt |
630 | |
631 | Tarifautonomie/gesetzlicher Mindestlohn |
632 | |
633 | CDU, CSU und FDP bekennen sich zur Tarifautonomie. Sie ist ein hohes Gut, ge- |
634 | hört unverzichtbar zum Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft und hat |
635 | Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung. Einen einheitlichen gesetzlichen Mindest- |
636 | lohn lehnen wir ab. |
637 | |
638 | Daher wollen wir den Tarifausschuss stärken, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer |
639 | gemeinsam in der Pflicht zur Lohnfindung sind. Allgemeinverbindlicherklärungen |
640 | von Tarifverträgen auf dem Verordnungswege werden einvernehmlich im Kabinett |
641 | geregelt. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich eine Mehrheit im Tarifausschuss. |
642 | |
643 | Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn werden bis Oktober |
644 | 2011 evaluiert. Dabei kommt es uns darauf an, diese daraufhin zu überprüfen, ob |
645 | sie Arbeitsplätze gefährden oder neuen Beschäftigungsverhältnissen entgegen- |
646 | stehen. Zugleich gilt es zu prüfen, ob sie sowohl den erforderlichen Schutz der |
647 | Arbeitnehmer als auch die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gewähr- |
648 | leisten. Das Ergebnis dieser Evaluierung soll als Grundlage für die Entscheidung |
649 | dienen, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben |
650 | werden sollten. Die anhängigen Bundesgerichtsverfahren im Zusammenhang mit |
651 | dem Postmindestlohn werden abgewartet. |
652 | |
653 | Die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne soll gesetzlich festgeschrie- |
654 | ben werden, um Lohndumping zu verhindern. Damit werden wir auch wirksam ge- |
655 | gen soziale Verwerfungen in einzelnen Branchen vorgehen. |
656 | |
657 | Arbeitsmarktzugang |
658 | |
659 | Zur effizienteren Schließung der absehbaren kommenden Fachkräftelücke, aber |
660 | auch zur effizienteren Bekämpfung von Leistungsmissbrauch, muss der Arbeits- |
661 | marktzugang für Nichtdeutsche besser geregelt werden. |
662 | |
663 | Aufgabenkritik der Bundesagentur für Arbeit |
664 | |
665 | Um Arbeitssuchende noch erfolgreicher in sozialversicherungspflichtige Beschäfti- |
666 | gung vermitteln zu können, benötigen wir eine effizientere Arbeitsverwaltung. Die |
667 | Aufgaben und Strukturen der BA sind einer Aufgabenkritik zu unterziehen, um ei- |
668 | ne möglichst effiziente Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger zu erzielen. |
669 | |
670 | Grundsätzlich gilt, dass finanzielle Mittel und das Personal der jeweiligen Aufgabe |
671 | folgen. |
672 | |
673 | Schwarzarbeit |
674 | |
675 | Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Durch Schwarzarbeit werden den sozialen |
676 | Sicherungssystemen Einnahmen entzogen. Sie führt zu einem unfairen Wettbe- |
677 | werb besonders zu Lasten des Mittelstandes und den Beschäftigten in kleinen und |
678 | mittleren Betrieben. Wir wollen daher Schwarzarbeit durch wirksame Kontrollen |
679 | stärker bekämpfen und bessere Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungs- |
680 | pflichtigen Beschäftigung setzen. |
681 | |
682 | Befristete Beschäftigungsverhältnisse |
683 | |
684 | Das generelle Vorbeschäftigungsverbot für sachgrundlos befristete Einstellungen |
685 | erschwert Anschlussbeschäftigungsverhältnisse, wenn während Schule, Ausbil- |
686 | dung oder Studium bei einem Arbeitgeber schon einmal befristet gearbeitet wor- |
687 | den ist. Wir werden die Möglichkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen so um- |
688 | gestalten, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr |
689 | auch dann möglich wird, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Ar- |
690 | beitsverhältnis bestanden hat. Mit dieser Neuregelung erhöhen wir Beschäfti- |
691 | gungschancen für Arbeitnehmer, verringern den Bürokratieaufwand für Arbeitge- |
692 | ber und verhindern Kettenbefristungen. |
693 | |
694 | Mini-Jobs |
695 | |
696 | Wir wollen die Arbeitsanreize auch für gering entlohnte Beschäftigungsverhältnis- |
697 | se verbessern. Unser Ziel ist es, die Brückenfunktion von Mini- und Midi-Jobs in |
698 | voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu stärken. |
699 | |
700 | Wir prüfen die Erhöhung und die Dynamisierung der Grenze sozialversicherungs- |
701 | freier Mini-Jobs. Bei den Hinzuverdienstregeln sollen die Arbeitsanreize gestärkt |
702 | werden. |
703 | |
704 | Fachkräfte |
705 | |
706 | Wir wollen die Attraktivität Deutschlands für Hochqualifizierte steigern und die Zu- |
707 | wanderung nach Deutschland steuern. Bürokratische Hindernisse für qualifizierte |
708 | Arbeitnehmer sind abzubauen. Der Zugang von ausländischen Hochqualifizierten |
709 | und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt muss systematisch an den Bedürf- |
710 | nissen des deutschen Arbeitsmarkts ausgerichtet und nach zusammenhängen- |
711 | den, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien wie beispielsweise Bedarf, |
712 | Qualifizierung und Integrationsfähigkeiten gestaltet werden. Darüber hinaus wer- |
713 | den wir Regelungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, Arbeitsplatzan- |
714 | nahme für Studenten mit deutschem Hochschulabschluss, für Künstler und Sport- |
715 | ler sowie für Saisonarbeitskräfte überprüfen und Vereinfachungen anstreben. Die |
716 | Regelungen für die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften werden auch im Inte- |
717 | resse der Sonderkulturbetriebe vereinfacht. |
718 | |
719 | 3.2 Verantwortung für das Unternehmen, Partnerschaft im Betrieb |
720 | |
721 | Wir setzen uns für eine faire Verantwortungskultur in Unternehmen ein. Unter- |
722 | nehmer, Vorstände und Aufsichtsräte stehen in voller Verantwortung zu einer Ge- |
723 | sellschaft, die ihnen Entfaltungsmöglichkeiten und Eigentumsschutz garantiert. |
724 | Freies Unternehmertum umschließt dabei Gewinnchancen - aber ebenso Risiko- |
725 | haftung für Fehlentscheidungen oder nicht vorhergesehene Entwicklung. |
726 | |
727 | Das gilt für Eigentümer, im Prinzip aber auch für Vorstände und Aufsichtsräte. |
728 | Deshalb sind die jüngsten Gesetzesanpassungen zur Haftung und Vergütung wei- |
729 | ter zu entwickeln. |
730 | |
731 | Fehlanreize bei Unternehmen, insbesondere bei Finanzinstituten, müssen besei- |
732 | tigt werden. Die Vergütungssysteme müssen sich stärker als bisher am langfristi- |
733 | gen Erfolg ihres Unternehmens orientieren. Zu den wichtigen Instrumenten zur |
734 | Bewahrung und Stärkung der Finanzmarktstabilität gehören solche Vergütungs- |
735 | strukturen für Finanzinstitute, die bei schlechter Geschäftsentwicklung auch Ge- |
736 | haltabzüge (Malus-Regelungen) enthalten. |
737 | |
738 | Wir werden die Möglichkeiten der Mitarbeiterkapitalbeteiligung erweitern. Dabei |
739 | gilt das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Die Beschäftigten sollen auch durch |
740 | Entgeltumwandlung Anteile an ihren Unternehmen steuerbegünstigt erwerben |
741 | können. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollten unternehmerische Mitverantwor- |
742 | tung einschließen. |
743 | |
744 | Wir unterstützen die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit. Wir werden das |
745 | Mitspracherecht der Hauptversammlung bei der Festlegung der Eckpunkte von |
746 | Vorstandsvergütungen stärken. Wir wollen eine Mindestwartefrist von zwei Jahren |
747 | für ehemalige Vorstandsvorsitzende beim Wechsel zum Aufsichtsratsvorsitzenden |
748 | desselben börsennotierten Unternehmens - dabei sind allerdings die Besonder- |
749 | heiten von Familienunternehmen zu berücksichtigen. |
750 | |
751 | Entsprechend den Grundsätzen der Unternehmensführung (Corporate Governan- |
752 | ce Codex) werden wir in Gespräche über die Größe von Aufsichtsräten eintreten. |
753 | Darüber hinaus soll neben Aufsichtsräten und Vorständen auch ein Ehrenkodex |
754 | für Betriebsräte entwickelt werden (z. B. mit einem Recht der Betriebsversamm- |
755 | lung auf Offenlegung der gezahlten Aufwendungen an Betriebsratsmitglieder). |
756 | |
757 | 3.3 Ältere Arbeitnehmer |
758 | |
759 | Wir streben eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung vor allem von Älteren und |
760 | Frauen an und ermutigen zu mehr Bildungs- und Weiterbildungsanstrengungen. |
761 | Staatliche Anreize zur faktischen Frühverrentung werden wir beseitigen. Eine Ver- |
762 | längerung der staatlich geförderten Altersteilzeit (ATG) über den 31. Dezember |
763 | 2009 hinaus lehnen wir daher ab. |
764 | |
765 | Rente ist kein Almosen. Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der hat auch ei- |
766 | nen Anspruch auf eine gute Rente. Damit dies auch in Zukunft gewährleistet ist, |
767 | wollen wir wegen des demographischen Wandels die Voraussetzungen für eine |
768 | längere Teilhabe Älterer am Erwerbsleben verbessern. |
769 | |
770 | Die überwiegende Mehrheit der Bürger ist bis ins hohe Alter körperlich und geistig |
771 | fit. Ihre Bereitschaft sich zu engagieren und zu beteiligen möchten wir fördern. Wir |
772 | wollen die Kenntnisse, Kompetenzen und Kreativität älterer Menschen für unsere |
773 | Gesellschaft nutzen. Wir lehnen daher jegliche Form der Altersdiskriminierung ab |
774 | und werden den Wegfall der beruflichen Altersgrenzen prüfen. |
775 | |
776 | 4. Nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz |
777 | |
778 | 4.1 Mittelstand |
779 | |
780 | Der Mittelstand ist das Herz der Sozialen Marktwirtschaft. Über 4 Mio. Selbständi- |
781 | ge und mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer in Industrie, Hand- |
782 | werk, Handel, Dienstleistungen und den Freien Berufen sind Motor für Wachstum, |
783 | Beschäftigung und Ausbildung in Deutschland. Gemeinsam mit ihren Arbeitneh- |
784 | merinnen und Arbeitnehmern schaffen sie Werte und sorgen mit Kreativität und |
785 | Innovationen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Eigentümer- |
786 | geführte Familienunternehmen stehen für nachhaltiges Denken, gesellschaftlichen |
787 | Zusammenhalt und solides Wirtschaften. Auf dieser Stärke müssen wir aufbauen. |
788 | Wir wollen die Rahmenbedingungen für Mittelstand, Handwerk, Handel und Freie |
789 | Berufe verbessern, Selbständigkeit attraktiver machen und eine neue Gründerdy- |
790 | namik anstoßen. Das Handwerk sichert einen hohen Qualitätsstandard, eine gute |
791 | Ausbildungsleistung und nachhaltig erfolgreiche Existenzgründungen. Der Meis- |
792 | terbrief ist dabei ein Ausweis hoher Qualität. Wir wollen die Freien Berufe und das |
793 | Handwerk stärken und dafür sorgen, dass ihr besonderer Stellenwert auf europäi- |
794 | scher Ebene besser anerkannt und geschützt wird. |
795 | |
796 | Wir setzen uns für eine mittelstandsfreundliche Überarbeitung der internationalen |
797 | Rechnungslegungsvorschriften ein. |
798 | |
799 | Die Einführung von Innovationsgutscheinen wird in Abstimmung mit den Länder- |
800 | programmen geprüft. |
801 | |
802 | KfW als Mittelstandsbank |
803 | |
804 | Förderbanken sind elementarer Bestandteil jeder freien Wirtschaftsordnung. Wir |
805 | werden die KfW mit ihren Kernaufgaben als Mittelstandsbank stärken. Wir halten |
806 | es für dringend erforderlich, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau nicht im |
807 | Wettbewerb mit privaten und genossenschaftlichen Banken sowie Sparkassen |
808 | steht. Die Programme der KfW sind einer laufenden Bewertung zu unterziehen. |
809 | Die Bearbeitungszeiten werden beschleunigt. Wir werden die KfW - soweit not- |
810 | wendig - den Vorschriften des Kreditwesengesetzes unterstellen. Wir wollen die |
811 | Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen der KfW deutlich straffen. Dafür ist das KfW- |
812 | Gesetz entsprechend anzupassen. |
813 | |
814 | Gründerland Deutschland |
815 | |
816 | Deutschland soll verstärkt Innovationen hervorbringen und Leitmärkte prägen. Wir |
817 | werden die Förderprogramme für Gründungen und Gründungsfonds sowie für die |
818 | Betriebsnachfolgen zusammen mit der Wirtschaft stark ausbauen, bessere Rah- |
819 | menbedingungen für Chancen- und Beteiligungskapital schaffen und für ein Leit- |
820 | bild der unternehmerischen Selbständigkeit werben. Wir wollen junge, innovative |
821 | Unternehmen von unnötigen Bürokratielasten befreien, um Gründungen zu er- |
822 | leichtern und intensiv zu befördern. |
823 | |
824 | Deutschland muss wieder zum Gründerland werden. Daher werden wir eine |
825 | Gründerkampagne in Deutschland starten. Einen Schwerpunkt wird dabei die |
826 | Nachfolgeproblematik bei der Betriebsübernahme bilden. |
827 | |
828 | Wir werden daher dafür sorgen, dass der Mittelstand weiter auf ein ausreichendes |
829 | Angebot an eigenkapitalnahem Mezzaninkapital zurückgreifen kann. |
830 | |
831 | Wir werden einen High-Tech-Gründerfonds II als Public-Private-Partnership aufle- |
832 | gen, der auf den Erfahrungen des ersten Fonds aufbaut. Darüber hinaus wollen |
833 | wir dringend benötigtes privates Kapital für deutsche Venture Capital Fonds mobi- |
834 | lisieren, indem wir institutionellen Investoren eine anteilige Garantiemöglichkeit zur |
835 | Risikoabsicherung ihrer Fondseinlagen anbieten. Wir werden das Umfeld für die |
836 | Tätigkeiten von Business Angels in Deutschland verbessern. |
837 | |
838 | Wir wollen das Angebot von Mikrokrediten ausweiten, insbesondere für Gründer |
839 | und Kleinunternehmer. |
840 | |
841 | Wir wollen Gründern nach einem Fehlstart eine zweite Chance eröffnen. Dazu |
842 | wird die Zeit der Restschuldbefreiung auf drei Jahre halbiert. |
843 | |
844 | Der Pfändungsschutz für die private Altersvorsorge im Insolvenzfall verringert das |
845 | Risiko der Altersarmut für Selbständige deutlich. Wir werden deshalb die Pfän- |
846 | dungsfreigrenzen für die Altersvorsorge Selbständiger regelmäßig anpassen. |
847 | |
848 | 4.2 Klimaschutz, Energie und Umwelt |
849 | |
850 | Klimaschutz |
851 | |
852 | Das Prinzip der Nachhaltigkeit prägt unsere Politik. Wir wollen gute Lebensbedin- |
853 | gungen für kommende Generationen. Der Klimaschutz ist weltweit die herausra- |
854 | gende umweltpolitische Herausforderung unserer Zeit. Er ist Vorsorge für eine |
855 | langfristig tragfähige wirtschaftliche und ökologische Entwicklung. Wir sehen Kli- |
856 | maschutz zugleich als Wettbewerbsmotor für neue Technologien. |
857 | |
858 | Unser Ziel ist es, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen |
859 | und Deutschlands Vorreiterrolle beim Klimaschutz beizubehalten. International ist |
860 | vereinbart, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um |
861 | mindestens 80% reduzieren. Wir werden für Deutschland einen konkreten Ent- |
862 | wicklungspfad festlegen und bekräftigen unser Ziel, die Treibhausgas-Emissionen |
863 | bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu senken. |
864 | |
865 | Wir werden die Maßnahmen im Integrierten Energie- und Klimaprogramm 2010 |
866 | auf ihre Wirksamkeit überprüfen und ggf. nachsteuern. Die deutsche Anpassungs- |
867 | strategie wird bis 2011 weiterentwickelt. |
868 | |
869 | Wir setzen uns in Kopenhagen für ein weltweites anspruchsvolles Klimaschutzab- |
870 | kommen ein. Dieses soll nach dem Abkommen von Kyoto ein neues Kapitel im |
871 | internationalen Klimaschutz einleiten. Wir fordern die Schwellenländer auf, mit |
872 | nachprüfbaren Verpflichtungen ihren Beitrag zu leisten. Wir werden die Entwick- |
873 | lungsländer bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Bewältigung seiner |
874 | Folgen stärker unterstützen. Bei den Verhandlungen werden wir uns für eine faire |
875 | Lastenverteilung einsetzen, die vergleichbare Wettbewerbsbedingungen schafft |
876 | und Produktionsverlagerungen in Länder ohne Klimaschutz verhindert. Wir sind zu |
877 | einer angemessenen Finanzierung von Technologietransfer-, Waldschutz- und |
878 | Anpassungsprojekten bereit. |
879 | |
880 | Wo immer möglich, wollen wir marktbasierte Instrumente wie den Clean Develop- |
881 | ment Mechanism (CDM) nutzen. Auf EU-Ebene werden wir uns gegen die Einfüh- |
882 | rung von Klimazöllen und CO2-Abgaben einsetzen. |
883 | |
884 | Der Emissionshandel ist das vorrangige Klimaschutzinstrument. Er soll perspekti- |
885 | visch zu einem globalen Kohlenstoffmarkt ausgebaut werden. Wir werden Initiati- |
886 | ven ergreifen, um regionale Handelssysteme zu verbinden und in das internationa- |
887 | le Handelssystem schrittweise weitere Bereiche, wie z. B. den Luft- und Seever- |
888 | kehr, mit einzubeziehen. Wir wollen die Höhe der Deckelung der CDM- |
889 | Maßnahmen auf europäischer Ebene überprüfen und die ökologische Integrität |
890 | des CDM erhöhen. |
891 | |
892 | Wir setzen uns dafür ein, dass energieintensive Unternehmen, die im internationa- |
893 | len Wettbewerb Nachteile befürchten müssen, weiterhin von der Versteigerung der |
894 | Emissionsrechte ausgenommen bleiben. |
895 | |
896 | Gemäß den deutschen Verpflichtungen bei dem Europäischen Rat sollen 50 Pro- |
897 | zent der Erlöse aus der Versteigerung der Emissionszertifikate ab 2013 vorrangig |
898 | für internationale und ergänzend nationale Klimaschutzprojekte genutzt werden. |
899 | Letztere sollen insbesondere für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel |
900 | verwendet werden. |
901 | |
902 | Energiemix |
903 | |
904 | Wir wollen eine ideologiefreie, technologieoffene und marktorientierte Energiepoli- |
905 | tik. Diese umfasst alle Nutzungspfade (Strom, Wärme, Mobilität). Mehrfachbelas- |
906 | tungen der gewerblichen Energieverbraucher sind durch eine bessere Abstim- |
907 | mung der energie- und klimapolitischen Instrumente zu vermeiden. Wir werden |
908 | spätestens innerhalb des nächsten Jahres ein neues Energiekonzept vorlegen, |
909 | das szenarienbezogen Leitlinien für eine saubere, zuverlässige und bezahlbare |
910 | Energieversorgung formuliert. |
911 | |
912 | Wir werden die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen und die Energieeffi- |
913 | zienz weiter erhöhen. Ziel ist es, dass die erneuerbaren Energien den Hauptanteil |
914 | an der Energieversorgung übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dyna- |
915 | mischen Energiemix die konventionellen Energieträger kontinuierlich durch alter- |
916 | native Energien ersetzt. |
917 | |
918 | Erneuerbare Energien |
919 | |
920 | Wir wollen den Weg in das regenerative Zeitalter gehen und die Technologiefüh- |
921 | rerschaft bei den Erneuerbaren Energien ausbauen. Die Potentiale für Innovation, |
922 | Wachstum und Beschäftigung beim Umbau unseres Energiesystems sind gewal- |
923 | tig. |
924 | |
925 | Dazu werden wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien entsprechend den be- |
926 | stehenden Zielvorgaben weiter fördern, das EEG sowie den unbegrenzten Ein- |
927 | speisevorrang erhalten sowie zugleich die Förderung wirtschaftlicher und Einspei- |
928 | sung effizienter gestalten. Unser Ziel ist es, die erneuerbaren Energien so schnell |
929 | wie möglich markt- und speicherfähig zu machen. Über- oder Unterförderungen |
930 | sind zu vermeiden. |
931 | |
932 | Dabei erhalten wir die Planungssicherheit für bestehende Anlagen. Wir werden als |
933 | Sofortmaßnahme die Reduzierung der EEG-Vergütung für modulare Anlagen, die |
934 | vor dem 1.1.2009 in Betrieb waren, zurücknehmen. |
935 | |
936 | Wir werden mit Wirkung zum 1.1.2012 eine EEG-Novelle auf den Weg bringen, |
937 | die die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Technologie wahrt. Wir wollen bei der |
938 | Biomasse-Verstromung organische Reststoffe gegenüber nachwachsenden Roh- |
939 | stoffen stärker gewichten, bessere Rahmenbedingungen für eine ökologisch ver- |
940 | träglichere Wasserkraftnutzung sowie für das Repowering von Windkraftanlagen |
941 | schaffen und Planungssicherheit für die Offshore-Windkraft erhalten. Für virtuelle |
942 | Kraftwerke, die eine gleichmäßige Versorgung mit erneuerbaren Energien gewähr- |
943 | leisten, soll ein Stetigkeitsbonus eingeführt werden. Wir legen künftig im Drei- |
944 | Jahres-Rhythmus einen EEG-Erfahrungsbericht vor. |
945 | |
946 | Wir bekennen uns zur Solarenergie als wichtige Zukunftstechnologie am Standort |
947 | Deutschland. Wir werden mit einer Anhörung in den Dialog mit der Solar-Branche |
948 | und Verbraucherorganisationen treten, mit welchen Anpassungen kurzfristig Über- |
949 | förderungen bei der Photovoltaik vermieden werden können. Dabei werden wir |
950 | auch prüfen, wie die Förderung der Freiflächen-Anlagen noch stärker auf die Nut- |
951 | zung von versiegelten oder vorbelasteten Flächen ausgerichtet werden kann. |
952 | |
953 | Wir werden die Bedingungen für die Biogas-Einspeisung im Erneuerbare-Wärme- |
954 | Gesetz verbessern. Das Marktanreizprogramm führen wir fort. |
955 | |
956 | Die termingerechte Anbindung der Offshore-Windparks an das Stromnetz ist zügig |
957 | und effektiv zu realisieren. Wir werden nachdrücklich an einer Strategie eines |
958 | Stromverbundes mit Nordafrika für Sonnen- und Windenergie arbeiten sowie den |
959 | Aufbau des Technologie- und Innovationszentrums der IRENA in Bonn aktiv vo- |
960 | rantreiben. |
961 | |
962 | Für Biomasse wollen wir Initiativen für eine international wirksame Nachhaltig- |
963 | keitszertifizierung ergreifen, die sowohl die Kraftstoff- und Stromproduktion als |
964 | auch die Nutzung für Lebens- und Futtermittel umfasst. Bei Betrieben in der EU |
965 | soll dabei die Prüfung der Cross-Compliance-Regelungen voll anerkannt werden. |
966 | |
967 | Wir wollen den Markt für reine Biokraftstoffe wieder beleben und werden dafür ei- |
968 | nen Gesetzentwurf mit Wirksamkeit zum 1.1.2010 vorlegen. Die Höhe der Steuer- |
969 | begünstigungen soll spätestens 2013 nach spezifischen CO2- |
970 | Reduktionspotentialen ausgelegt werden. Wir werden die Einführung von E 10- |
971 | Kraftstoff auf freiwilliger Basis und als zusätzliches Angebot mit klarer Kennzeich- |
972 | nung ermöglichen. |
973 | |
974 | Energieeffizienz |
975 | |
976 | Der weltweite Energieverbrauch wird in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. |
977 | Daher wollen wir durch marktorientierte und technologieoffene Rahmenbedingun- |
978 | gen, die stärker auf Anreiz und Verbraucherinformation und weniger auf Zwang |
979 | setzen, die enormen Potentiale im Bereich Energieeffizienz heben. Hierzu zählen |
980 | insbesondere: die marktwirtschaftliche 1:1 Umsetzung der Energiedienstleistungs- |
981 | richtlinie, die Stärkung der Energiekompetenz der Verbraucher etwa durch unbü- |
982 | rokratische Kennzeichnung des Energieverbrauchs bei energierelevanten Produk- |
983 | ten, eine Energieinitiative Mittelstand (Investitionsanreize durch Änderungen im |
984 | Mietrecht und im Energiecontracting, Fortsetzung der Programme zur Energiebe- |
985 | ratung, kostenneutrale Vereinfachung der Fördermodelle in der Gebäudesanie- |
986 | rung). |
987 | |
988 | Gebäudesanierung und Einsatz erneuerbarer Energien im Wärmebereich |
989 | |
990 | Die Sanierung des Gebäudebestandes birgt ein hohes Potential zur Erreichung |
991 | der deutschen Klimaschutzziele und trägt dazu bei, den geänderten Ansprüchen |
992 | an den Wohnungsstandard - auch infolge der Alterung der Gesellschaft - Rech- |
993 | nung zu tragen. Die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und der ver- |
994 | mehrte Einsatz erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung in Gebäuden senken |
995 | die CO2-Emissionen. Wir werden das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wir- |
996 | kungsvoller ausgestalten, um die derzeitige Sanierungsquote zu steigern. Die |
997 | Hürden im Mietrecht für eine energetische Sanierung zum gemeinsamen Vorteil |
998 | von Eigentümern und Mietern werden gesenkt, die bestehenden Möglichkeiten der |
999 | gewerblichen Wärmelieferung (EnergieContracting) im Mietwohnungsbereich er- |
1000 | weitert. Baumaßnahmen, die diesem Zweck dienen, sind zu dulden und sollen |
1001 | nicht zur Mietminderung berechtigen. |
1002 | |
1003 | Bei den europäischen Verhandlungen zur "Richtlinie über die Gesamtenergieeffi- |
1004 | zienz von Gebäuden" werden wir auf Ausgewogenheit achten. |
1005 | |
1006 | Kohle und CCS |
1007 | |
1008 | Wir wollen auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken ermögli- |
1009 | chen. Wir stehen zum vereinbarten Ausstieg aus dem subventionierten Steinkoh- |
1010 | lebergbau und halten an der kohlepolitischen Verständigung vom 7. Februar 2007 |
1011 | fest. Wir werden zeitnah die Richtlinie der EU umsetzen, die Abscheidung, Trans- |
1012 | port und Einlagerung von CO2 regelt. Wir wollen für Akzeptanz werben und u. a. |
1013 | einen Geothermie-Atlas beauftragen, um Nutzungskonkurrenzen zwischen CCS |
1014 | und Geothermie zu prüfen. Wir werden Forschungsprogramme zu Möglichkeiten |
1015 | der Nutzung von CO2 im Wirtschaftskreislauf ausbauen. |
1016 | |
1017 | Kernenergie |
1018 | |
1019 | Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien |
1020 | verlässlich ersetzt werden kann. Andernfalls werden wir unsere Klimaziele erträg- |
1021 | liche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland, nicht erreichen. Dazu |
1022 | sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der |
1023 | strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern. Das |
1024 | Neubauverbot im Atomgesetz bleibt bestehen. |
1025 | In einer möglichst schnell zu erzielenden Vereinbarung mit den Betreibern werden |
1026 | zu den Voraussetzungen einer Laufzeitverlängerung nähere Regelungen getroffen |
1027 | (u. a. Betriebszeiten der Kraftwerke, Sicherheitsniveau, Höhe und Zeitpunkt eines |
1028 | Vorteilsausgleichs, Mittelverwendung zur Erforschung vor allem von erneuerbaren |
1029 | Energien, insb. von Speichertechnologien). Die Vereinbarung muss für alle Betei- |
1030 | ligten Planungssicherheit gewährleisten. |
1031 | |
1032 | Nukleare Endlagerung |
1033 | |
1034 | Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere End- |
1035 | lagerung radioaktiver Abfälle. Wir werden deshalb das Moratorium zur Erkundung |
1036 | des Salzstockes Gorleben unverzüglich aufheben, um ergebnisoffen die Erkun- |
1037 | dungsarbeiten fortzusetzen. Wir wollen, dass eine International Peer Review |
1038 | Group begleitend prüft, ob Gorleben den neuesten internationalen Standards ge- |
1039 | nügt. Der gesamte Prozess wird öffentlich und transparent gestaltet. |
1040 | |
1041 | Die Endlager Asse II und Morsleben sind in einem zügigen und transparenten Ver- |
1042 | fahren zu schließen. Dabei hat die Sicherheit von Mensch und Umwelt höchste |
1043 | Priorität. Die Energieversorger sind an den Kosten der Schließung der Asse II zu |
1044 | beteiligen. |
1045 | |
1046 | Mit Blick auf Endlagerstandorte setzen wir uns für einen gerechten Ausgleich für |
1047 | die betroffenen Regionen ein, die eine im nationalen Interesse bedeutsame Ent- |
1048 | sorgungseinrichtung übernehmen. |
1049 | |
1050 | Energieinfrastruktur |
1051 | |
1052 | Der Investitionsstau im Ausbau der nationalen Energienetze muss aufgelöst wer- |
1053 | den. Dazu werden wir das dritte Binnenmarktpaket Strom und Gas zügig umset- |
1054 | zen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine flächendeckende Modernisie- |
1055 | rung der Energienetze zu intelligenten Netzen weiterentwickeln und die Verbin- |
1056 | dung der Stromnetze mit Informations- und Kommunikationstechnik zu einem E- |
1057 | lement des effizienten Netzbetriebs machen. Wir werden eine weitere Beschleuni- |
1058 | gung der Planungsverfahren im Leitungsbau angehen. Wir setzen uns dafür ein, |
1059 | die deutschen Übertragungsnetze in einer unabhängigen und kapitalmarktfähigen |
1060 | Netzgesellschaft zusammenzuführen und die Grenzkuppelstellen weiter ausbau- |
1061 | en. |
1062 | |
1063 | Wettbewerb auf den Energiemärkten |
1064 | |
1065 | Wir wollen die wettbewerblichen Strukturen auf den Energiemärkten weiter |
1066 | verbessern. Dazu werden wir eine Markttransparenzstelle einrichten und deren |
1067 | Befugnisse so erweitern, dass sie über alle Informationen verfügt, um zeitnah eine |
1068 | transparente Preisbildung im Stromgroßhandel zu sichern. Wir werden Wettbe- |
1069 | werbshemmnisse im grenzüberschreitenden Stromhandel durch ein besonders |
1070 | marktfreundliches Engpassmanagement und durch eine Zweckbindung der Eng- |
1071 | passerlöse zügig beseitigen. Die Gasmarktgebiete sollen auf höchstens zwei Ge- |
1072 | biete (je ein Gebiet für H-Gas und L-Gas) reduziert werden. Wir wollen dem Wett- |
1073 | bewerb auf dem Gasmarkt neue Impulse geben, die Gasnetzzugangsverordnung |
1074 | neu fassen und den Zugang der Wettbewerber zu nicht genutzten Gastransport- |
1075 | und Speicherkapazitäten erleichtern. Wir werden den Wettbewerb auf dem Regel- |
1076 | energiemarkt fördern und ein einziges nach einheitlichen Regeln funktionierendes |
1077 | Marktgebiet anstreben. |
1078 | |
1079 | Im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems sind die Rahmenbedingungen und |
1080 | die nationale Umsetzung kontinuierlich mit dem Ziel zu überprüfen, ob sie der |
1081 | Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrien in Deutschland ausreichend |
1082 | Rechnung tragen. Das BMWi prüft, welche Maßnahmen zum Erhalt der Wettbe- |
1083 | werbsfähigkeit der stromintensiven Industrie und der damit verbundenen Arbeits- |
1084 | plätze, ggf. vor 2013, erforderlich sind. |
1085 | |
1086 | Energieforschung, Speicher und Mobilität |
1087 | |
1088 | Eine konzentrierte, technologieoffene und nachhaltige Energieforschung ist der |
1089 | Schlüssel auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung. Wir werden |
1090 | ein neues Energieforschungsprogramm mit Schwerpunkten in der Energieeffi- |
1091 | zienzforschung, den Speichertechnologien, intelligenter Netztechnik und Biokraft- |
1092 | stoffen der zweiten Generation entwickeln. |
1093 | |
1094 | Wir entwickeln eine breit angelegte und technologieoffene Mobilitäts- und Kraft- |
1095 | stoffstrategie, die alle alternativen Technologien und Energieträger berücksichtigt. |
1096 | Zudem soll sich Deutschland zum "Leitmarkt" der Elektromobilität entwickeln. |
1097 | |
1098 | Energieaußenpolitik |
1099 | |
1100 | Aufgrund der Abhängigkeit Deutschlands von Energie- und Rohstoffimporten be- |
1101 | nötigen wir eine Energieaußenpolitik, die deutsche Unternehmen und große Infra- |
1102 | strukturprojekte (z. B.: Nordstream, Nabucco, LNG, DESERTEC) intensiv beglei- |
1103 | tet. Energieträger, Lieferländer und Transportrouten sind weiter zu diversifizieren, |
1104 | um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. |
1105 | |
1106 | Nationale Nachhaltigkeitsstrategie |
1107 | |
1108 | Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie wird im bewährten institutionellen Rahmen |
1109 | weiterentwickelt. Wir werden den Parlamentarischen Beirat für Nachhaltige Ent- |
1110 | wicklung federführend mit der parlamentarischen Kontrolle der Nachhaltigkeits- |
1111 | strategie sowie der Nachhaltigkeitsprüfung beauftragen. Die Nachhaltigkeitsprü- |
1112 | fung soll durch eine offizielle Generationenbilanz ergänzt werden, die die monet- |
1113 | arisierbaren Leistungen und Lasten heutiger Politik für kommende Generationen |
1114 | transparent macht. |
1115 | |
1116 | Naturschutz |
1117 | |
1118 | Kooperation mit den Betroffenen vor Ort ist unabdingbare Voraussetzung für eine |
1119 | erfolgreiche Naturschutzpolitik. Wir wollen gemeinsam mit den Naturnutzern die |
1120 | Umweltbildung fördern. Wir werden die Partnerschaft zwischen Landwirtschaft, |
1121 | Natur- und Umweltschutz über freiwillige Programme weiter stärken und uns am |
1122 | Vorrang des Vertragsnaturschutzes orientieren. Die Nutzung von Ökokonten un- |
1123 | terstützen wir nachhaltig. |
1124 | |
1125 | Wir werden den Bundesländern die Kompetenz geben, beim Ausgleich von Ein- |
1126 | griffen in die Natur das Ersatzgeld anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzu- |
1127 | stellen. |
1128 | |
1129 | Im Rahmen der Umsetzung der nationalen Strategie für biologische Vielfalt wer- |
1130 | den wir ein Bundesprogramm erarbeiten, das mit Ländern und Kommunen, mit |
1131 | Waldbesitzern, Landnutzern und Naturschutzverbänden abgestimmt wird. Die |
1132 | wichtige Rolle der Botanischen Gärten und Sammlungen werden wir stärken. |
1133 | |
1134 | Wir sprechen uns für die Vernetzung ökologisch besonders wertvoller Gebiete in |
1135 | einem Verbundsystem aus. Wir streben ein europa- und weltweites System von |
1136 | Schutzgebieten unter stärkerer Einbindung der regional unterschiedlichen Kultur- |
1137 | landschaften an. Wir erarbeiten ein "Bundesprogramm Wiedervernetzung" als |
1138 | Grundlage für den Bau von Querungshilfen im Bundesverkehrswegenetz in den |
1139 | wichtigsten Lebensraumkorridoren. |
1140 | |
1141 | Zur Sicherung des "Nationalen Naturerbes" werden wir die Übertragung der noch |
1142 | ausstehenden 25.000 Hektar national wertvoller Naturflächen fortführen. Wir si- |
1143 | chern das "Grüne Band Deutschland" entlang der ehemaligen innerdeutschen |
1144 | Grenze als "Naturmonument" und wollen die Entwicklung eines "Grünen Bandes |
1145 | Europa" anstoßen. |
1146 | |
1147 | Frei fließende Flüsse haben einen hohen ökologischen Wert. Die Durchgängigkeit |
1148 | der Flüsse für wandernde Fische muss wiederhergestellt werden. Für den Natur- |
1149 | und Hochwasserschutz sollen natürliche Auen reaktiviert und Flusstäler, wo immer |
1150 | möglich, renaturiert werden. Wir prüfen, ob die Wasser- und Schifffahrtsverwal- |
1151 | tung des Bundes zu diesem Zweck eingesetzt werden kann. |
1152 | |
1153 | Wir unterstützen projektbezogene Modelle zur Honorierung vermiedener Abhol- |
1154 | zung in Entwicklungsländern. Wir halten an der Zusage zur finanziellen Unterstüt- |
1155 | zung des internationalen Waldschutzes fest. Wir wollen auf EU-Ebene die Maß- |
1156 | nahmen gegen illegal geschlagenes Tropenholz verschärfen. |
1157 | |
1158 | Die Wiederverwendung bereits genutzter Flächen und die Verdichtung im Innen- |
1159 | bereich müssen Vorrang vor Flächenneuverbrauch bzw. vor Entwicklung im Au- |
1160 | ßenbereich haben. Deshalb wollen wir gemeinsam mit den Kommunen Instrumen- |
1161 | te zur Gestaltung der Innenentwicklung erarbeiten. Brachflächenkataster, Mana- |
1162 | gementpläne, ein zoniertes Satzungsrecht der Kommunen und finanzielle Anreiz- |
1163 | instrumente wollen wir weiterentwickeln. |
1164 | |
1165 | Wir beabsichtigen, einen Modellversuch zu initiieren, in dem Kommunen auf frei- |
1166 | williger Basis ein überregionales Handelssystem für die Flächennutzung erproben. |
1167 | |
1168 | Meeresschutz |
1169 | |
1170 | Wir werden auf europäischer und VN-Ebene darauf hinwirken, dass ein globales |
1171 | System von Meeresschutzgebieten geschaffen wird. In Nord- und Ostsee werden |
1172 | wir in enger Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern die Einrichtung von |
1173 | Meeresschutzgebieten prüfen. Wir sprechen uns für ein umfassendes Walfang- |
1174 | verbot, eine signifikante Reduzierung des Beifangs und ein Verbot zerstörerischer |
1175 | Fischereipraktiken aus. Wir setzen uns auf EU-Ebene für die Beschränkung der |
1176 | Grundschleppnetzfischerei und das Verbot der industriellen Fischerei, die auf die |
1177 | Gewinnung von Fischmehl zur Verfütterung ausgerichtet ist, ein. |
1178 | |
1179 | Immissionsschutz und Stoffpolitik |
1180 | |
1181 | Zur weiteren Verbesserung der Luftqualität wollen wir die Schadstoffe bereits an |
1182 | der Quelle reduzieren - auch bei der nachhaltigen Nutzung von Biomasse. Dafür |
1183 | ist die zügige Verabschiedung der vorliegenden 1. BImSchV notwendig. Wir wol- |
1184 | len die Förderung von Rußpartikelfiltern auf leichte Nutzfahrzeuge erweitern. Wir |
1185 | werden die Rahmenbedingungen für die landseitige Stromversorgung von Schiffen |
1186 | verbessern. |
1187 | |
1188 | Wir werden den Lärmschutz verbessern. Wir wollen ein einheitliches Lärmschutz- |
1189 | konzept und eine Anpassung sowie Harmonisierung der Berechnungsgrundlagen |
1190 | bei den Lärmbelastungswerten. Die Mittel für die Lärmsanierung werden konstant |
1191 | gehalten. |
1192 | |
1193 | Das Fluglärmgesetz werden wir so ändern, dass Anwohner von Militärflughäfen |
1194 | bei den gleichen Grenzwerten Anspruch auf Erstattung von Lärmschutzkosten |
1195 | haben wie an Verkehrsflughäfen. |
1196 | |
1197 | Bei der Überprüfung der Chemikalienverordnung REACH setzen wir uns für eine |
1198 | Gebührensenkung ein. Bürokratische Hürden für die Zulassung von Biozidproduk- |
1199 | ten wollen wir abbauen. Nationale Verfahren in der Stoffpolitik wollen wir be- |
1200 | schleunigen, ohne die Standards abzusenken. |
1201 | |
1202 | Kreislaufwirtschaft |
1203 | |
1204 | Wir wollen die Abfallwirtschaft und das Ressourcenmanagement im europäischen |
1205 | Kontext weiterentwickeln. Unser Ziel ist eine ökologisch und ökonomisch effizien- |
1206 | tere sowie verbraucherfreundlichere Ausrichtung der Abfallwirtschaft. Vorrang hat |
1207 | die Abfallvermeidung. Nicht vermeidbare Abfälle müssen verwertet werden, soweit |
1208 | dies wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist. Hierfür prüfen wir z. B. die Einfüh- |
1209 | rung einer Wertstofftonne. Darüber hinaus werden biogene Abfälle verstärkt nach- |
1210 | haltig verwertet. Die abfallrechtlichen Regelungen sollen übersichtlicher und die |
1211 | technischen Standards einfacher, klarer und eindeutiger werden, ohne Überlas- |
1212 | sungspflichten auszuweiten oder gewerbliche Sammlungen einzuschränken. |
1213 | |
1214 | Wir wollen die ökologischen Produktverantwortung nicht länger nur als Produzen- |
1215 | tenverantwortung verstehen. Durch eine aussagefähige Produktkennzeichnung, z. |
1216 | B. klare Bezeichnung als Einweg- oder Mehrwegflasche, werden wir die Transpa- |
1217 | renz erhöhen und die ökologische Konsumentenverantwortung stärken. |
1218 | |
1219 | Die Verpackungsverordnung werden wir überarbeiten und in Richtung einer all- |
1220 | gemeinen Wertstoffverordnung weiterentwickeln, die sowohl flexible als auch wett- |
1221 | bewerbliche Lösungen zur Ressourcenschonung enthält. Die Aufhebung der |
1222 | Rücknahmeverpflichtungen für Hersteller und Vertreiber lehnen wir ab. |
1223 | |
1224 | Mit Blick auf die Abfallwirtschaft befürworten wir die grundsätzliche steuerliche |
1225 | Gleichstellung von öffentlichen und privaten Unternehmen. |
1226 | |
1227 | Wasser |
1228 | |
1229 | Wir werden die Qualität der Gewässer weiter verbessern. Hierzu werden wir die |
1230 | Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie an die Gewässergüte gemeinsam mit |
1231 | unseren Nachbarn zügig umsetzen, Schadstoffeinträge weiter vermindern und den |
1232 | Gewässern mehr Raum geben. Die Förderung von Agrar-Umweltmaßnahmen ("2. |
1233 | Säule") ist stärker auf die Verringerung der Einträge von Nährstoffen und Pflan- |
1234 | zenschutzmitteln in Gewässer auszurichten. |
1235 | |
1236 | Dezentrale Energieversorgung im ländlichen Raum |
1237 | |
1238 | Wir werden den Anbau und die Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen un- |
1239 | ter Berücksichtigung der Bestimmungen der Nachhaltigkeitsverordnungen unter- |
1240 | stützen, ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden. Das laufende Aktionspro- |
1241 | gramm des Bundes "Energie von morgen - Chance für ländliche Räume" wird |
1242 | fortgesetzt. |
1243 | |
1244 | 4.3 Neue Technologien, Industrieland Deutschland |
1245 | |
1246 | Wohlstand und Beschäftigung sind in Deutschland in weitaus stärkerem Maße als |
1247 | in den meisten vergleichbaren Ländern von einer prosperierenden, breit aufge- |
1248 | stellten Industrie abhängig. Wir bekennen uns deshalb zum Industriestandort |
1249 | Deutschland und zur Akzeptanz zukunftsweisender Technologien. Wir werden |
1250 | dafür sorgen, dass in Deutschland produzierende Unternehmen faire Bedingungen |
1251 | im europäischen und auch globalen Wettbewerb vorfinden ("level playing field"). |
1252 | |
1253 | Wir werden die Luftfahrtindustrie und ihre innovativen Technologien nachhaltig |
1254 | fördern, um so zum Erhalt und zur Steigerung der technologischen Leistungsfä- |
1255 | higkeit Deutschlands beizutragen. Die nachhaltige Sicherung und der weitere |
1256 | Ausbau der eigenständigen nationalen Fähigkeiten auch im Bereich der Luftfahrt- |
1257 | industrie - insbesondere zukünftiger unbemannter Luftfahrtsysteme - sind unab- |
1258 | dingbar. |
1259 | |
1260 | Deutschland braucht klare Ziele in der Raumfahrt. Dafür wird eine eigenständige |
1261 | Raumfahrtstrategie mit klaren Missions- und Technologiezielen innerhalb eines |
1262 | Jahres weiterentwickelt. Die Luftfahrtforschung werden wir programmatisch weiter |
1263 | vorantreiben. |
1264 | |
1265 | Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit der Maritimen Wirtschaft in Deutschland |
1266 | stärken und die nationalen maritimen Konferenzen fortsetzen. Die Innovationsfel- |
1267 | der Schiffbau und Meerestechnik werden weiterentwickelt. Wir unterstützen den |
1268 | Ausbau der nachhaltigen Energie- und Rohstoffversorgung aus dem Meer als stra- |
1269 | tegisch wichtiges Zukunftsfeld. |
1270 | |
1271 | Die Koalition wird bei der EU-Kommission darauf hinwirken, europäischen Hoch- |
1272 | technologiestandorten weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen. |
1273 | Die richtige Absicht der EU-Kommission, Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der |
1274 | EU zu unterbinden, darf nicht zu einer Schwächung des Standorts Europa gegen- |
1275 | über anderen Regionen auf der Welt führen. Um Hochtechnologien wie die Mikro- |
1276 | und Nanoelektronik in Deutschland zu halten und in ihrer Entwicklung zu stärken, |
1277 | müssen die globalen Wettbewerbsbedingungen fair sein. Die Koalition wird |
1278 | daneben die eigenen Anstrengungen insbesondere im Bereich der Forschungs- |
1279 | und Technologieförderung verstärken. |
1280 | |
1281 | Zukunftstechnologien |
1282 | |
1283 | Moderne Technologien sind keine Bedrohung sondern Chance für Deutschland. |
1284 | Mit ihnen begegnen wir den großen Herausforderungen der Menschheit wie Hun- |
1285 | ger, Armut, Krankheit und Naturkatastrophen. Deutschlands Technologieführer- |
1286 | schaft sichert uns Teilhabe an großen Zukunftschancen, Beschäftigung und Res- |
1287 | sourcen schonendem Wohlstand. |
1288 | |
1289 | Eine zukunftsfähige deutsche Wirtschaft beruht auf freien Entwicklungs- und For- |
1290 | schungsmöglichkeiten: |
1291 | - Wir wollen die Nanotechnologie in Deutschland konsequent weiterentwi- |
1292 | ckeln. |
1293 | - Wir wollen den deutschen Vorsprung in den Umwelt- und Klimaschutztech- |
1294 | nologien halten und ausbauen. |
1295 | - Bei der Fahrzeugtechnologie und Elektromobilität wollen wir insbesondere |
1296 | alternative Antriebskonzepte im Interesse zukünftiger, umweltfreundlicher |
1297 | Verkehrskonzepte in den Mittelpunkt rücken. |
1298 | - Die kerntechnische Sicherheitsforschung eröffnet deutschen Unternehmen |
1299 | Exportchancen. |
1300 | - Die Fusionsforschung kann eine neue umweltfreundliche und sichere E- |
1301 | nergiequelle erschließen. |
1302 | - Mit moderner Mikroelektronik durchdringen wir industrielle Anwendungen in |
1303 | nahezu allen Hard- und Software-Bereichen. |
1304 | - Entwicklung neuer chemischer Produkte ist eine entscheidende Vorstufe für |
1305 | die Wertschöpfung in vielen anderen Wirtschaftsbereichen. |
1306 | - Die industrielle Biotechnologie eröffnet neue Verfahren in der Nahrungsmit- |
1307 | tel, Papier- und Textilindustrie sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie. |
1308 | - In der Pharmaforschung muss langfristig investiert werden können, um |
1309 | auch in Zukunft weltmarktfähige Produkte anzubieten. |
1310 | |
1311 | 4.4 Moderne Infrastruktur |
1312 | |
1313 | 4.4.1 Mobilität |
1314 | |
1315 | Mobilität besitzt eine Schlüsselfunktion in unserer Gesellschaft; sie schafft die |
1316 | Voraussetzungen für Beschäftigung, Wohlstand und persönliche Freiheit. Wir wol- |
1317 | len mit einer effizienten Verkehrspolitik die Mobilität für heute und morgen sichern. |
1318 | Uns geht es darum, Mobilität zu ermöglichen und nicht zu behindern. Die Hinter- |
1319 | lassenschaften von Rot-Grün in der Verkehrspolitik gehören endgültig der Ver- |
1320 | gangenheit an. Dabei tragen wir den Mobilitätsbedürfnissen ebenso Rechnung wie |
1321 | den Anforderungen von Klima-, Umwelt-, und Lärmschutz sowie Verkehrssicher- |
1322 | heit. Mobilität in Deutschland muss für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland |
1323 | bezahlbar bleiben. Die Aufgaben von Staat und Privatwirtschaft im Verkehrssektor |
1324 | müssen vernünftig abgegrenzt und geordnet sein. Aufgabe der Privatwirtschaft ist |
1325 | es, Personenverkehr, Gütertransport und Logistik zu betreiben. Aufgabe des Staa- |
1326 | tes ist es, eine zukunfts- und leistungsfähige Infrastruktur zu garantieren, für faire |
1327 | Wettbewerbsregeln zu sorgen sowie den Unternehmen Planungssicherheit zu ge- |
1328 | währleisten. Dabei muss Bürokratie so weit wie möglich vermieden werden. |
1329 | |
1330 | Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur |
1331 | |
1332 | Voraussetzung für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft |
1333 | sind leistungsfähige und optimal vernetzte Verkehrswege. |
1334 | |
1335 | Die Koalition bekennt sich zur Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten |
1336 | und weiter auszubauen. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur werden wir auf |
1337 | hohem Niveau für Straße, Schiene und Wasserstraße sicherstellen. |
1338 | |
1339 | Die Infrastrukturpolitik in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Erhalt |
1340 | sowie Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind weit hinter dem Bedarf zu- |
1341 | rückgeblieben. Entscheidende Schwächen waren die kontinuierliche Unterfinan- |
1342 | zierung, schwankende Haushaltslinien und die Effizienz- sowie Transparenzdefizi- |
1343 | te bei Planung, Genehmigung, Bau und Betrieb. |
1344 | |
1345 | Der Bundesverkehrswegeplan muss an die aktuellen Bedürfnisse und Entwicklun- |
1346 | gen angepasst werden. Wir werden in dieser Legislaturperiode die Bedarfspläne in |
1347 | den Ausbaugesetzen überprüfen, kurzfristig alle gesetzlichen Spielräume für mehr |
1348 | Flexibilität nutzen und vorbereitend für den nächsten Bundesverkehrswegeplan |
1349 | (BVWP) eine neue Grundkonzeption erarbeiten, mit der auch ein Wasserstraßen- |
1350 | ausbaugesetz vorbereitet wird. Wir werden zudem prüfen, inwieweit auch Investi- |
1351 | tionen in Verkehrslenkungs- und Verkehrsmanagementsysteme in den BVWP |
1352 | aufgenommen werden können. |
1353 | |
1354 | Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) werden wir weiterentwi- |
1355 | ckeln, u. a. mit der Prüfung der Herstellung eines Finanzierungskreislaufs Straße |
1356 | unter direkter Zuweisung der Lkw-Maut an die VIFG und Herstellung ihrer Kredit- |
1357 | fähigkeit in begrenztem Umfang. Dadurch könnten wir die Haushaltsabhängigkeit |
1358 | von Verkehrsinvestitionen reduzieren und eine mehrjährige Planungs- und Finan- |
1359 | zierungssicherheit für Investitionsprojekte erreichen. Verkehrsträgerbezogene Fi- |
1360 | nanzierungskreisläufe werden wir stärken. |
1361 | |
1362 | Wir werden Kriterien entwickeln zur Priorisierung von Investitionsprojekten, wie |
1363 | gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit, Erhalt vor Neubau (Beendigung Substanz- |
1364 | verlust), Beseitigung bzw. Ertüchtigung von Engpässen, Knoten, Hauptachsen, |
1365 | Hinterlandanbindungen für Häfen und Flugdrehkreuze, EU-Osterweiterung. Auch |
1366 | werden wir die Modelle für die Beteiligung Privater im Rahmen von ÖPP-Projekten |
1367 | voranbringen. Im Einvernehmen mit dem betroffenen Bundesland werden wir |
1368 | Bundesstraßen mit geringer Fernverkehrsrelevanz zurückstufen. |
1369 | |
1370 | Wir wollen eine Beschleunigung des Planungsrechts. Dabei geht es uns insbe- |
1371 | sondere um eine Straffung des Verfahrensrechts, die Vermeidung von Doppelprü- |
1372 | fungen, die Einbeziehung von raumordnerischen Belangen im Fachplanungsrecht |
1373 | und die Harmonisierung des europäischen Umweltrechts. |
1374 | |
1375 | Eine bessere Auslastung hochfrequentierter Autobahnabschnitte wollen wir durch |
1376 | eine Ausrüstung mit Verkehrssteuerungs- und Verkehrsmanagementsystemen |
1377 | erreichen. Diese Systeme können auch die Nutzung von Standstreifen zu Spitzen- |
1378 | lastzeiten ermöglichen. Die Sicherheit von Brückenbauwerken werden wir durch |
1379 | eine Weiterführung des Sanierungsprogramms gewährleisten. Bei der Ausrichtung |
1380 | internationaler Großveranstaltungen in Deutschland (Beispiele: Olympische Spie- |
1381 | le, FIFA Frauen- Weltmeisterschaft), werden wir der jeweiligen Landes- und |
1382 | Kommunalebene die Unterstützung geben. |
1383 | |
1384 | Über die Höhe der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinan- |
1385 | zierung werden wir für die Folgezeit bis 2019 in der Mitte der Legislaturperiode |
1386 | entscheiden. |
1387 | |
1388 | Europäische Verkehrspolitik |
1389 | |
1390 | Wir wollen eine offensive Europastrategie der deutschen Verkehrspolitik. Ziel ist |
1391 | die bessere Wahrnehmung deutscher Interessen und die Harmonisierung der |
1392 | Wettbewerbsbedingungen unserer Transportwirtschaft, besonders bei Steuern |
1393 | und Abgabensystem, Beihilfen und Ausnahmeregelungen. Wir wollen die Transeu- |
1394 | ropäischen Verkehrsnetze weiterentwickeln und die bestehenden Planungen unter |
1395 | besonderer Berücksichtigung der deutschen Projekte sinnvoll ergänzen. |
1396 | |
1397 | Wir werden die Europäische Kommission auffordern, ein neues Konzept zur An- |
1398 | lastung externer Kosten vorzulegen. Dieses muss, anders als bisher, alle Ver- |
1399 | kehrsträger einbeziehen und nach gleichen Kriterien behandeln. Stau- und Unfall- |
1400 | kosten dürfen in die Berechnung nicht einbezogen werden. |
1401 | |
1402 | Bei der auf europäischer Ebene geplanten CO2-Regulierung für leichte Nutzfahr- |
1403 | zeuge werden wir sicherstellen, dass die Produkt- und Entwicklungszeiträume be- |
1404 | achtet werden. Die Regulierungsanforderungen dürfen die - sich derzeit in einer |
1405 | schweren Krise befindlichen - Nutzfahrzeughersteller nicht überfordern. |
1406 | |
1407 | Logistikstandort Deutschland |
1408 | |
1409 | Der Wohlstand in Deutschland basiert auf der Einbindung in die internationalen |
1410 | Handelsströme. Wir wollen, dass der Logistikstandort Deutschland seine heraus- |
1411 | ragende Stellung im Herzen Europas noch weiter ausbaut. Deutschland darf nicht |
1412 | nur reines Transitland mitten in Europa sein, sondern muss auch in Zukunft an der |
1413 | Wertschöpfung in Handel und Logistik teilhaben. |
1414 | |
1415 | Die Förderung des Logistikstandorts Deutschland werden wir durch die Umset- |
1416 | zung von gemeinsam mit dem Gewerbe ausgewählten Maßnahmen aus dem |
1417 | "Masterplan Güterverkehr und Logistik" erreichen. Wichtiger Bestandteil wird eine |
1418 | zwischen Bund und Ländern abgestimmte Vermarktungsoffensive sein. |
1419 | Das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe wollen wir vor allem durch den Abbau |
1420 | von Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene unterstützen. Die Anlas- |
1421 | tung von externen Kosten kommt nur unter wettbewerbsneutralen Voraussetzun- |
1422 | gen in Betracht. Darüber hinaus werden wir ein Belastungsmoratorium schaffen, |
1423 | indem eine Erhöhung der Lkw-Maut in dieser Legislaturperiode ausgeschlossen |
1424 | wird. |
1425 | |
1426 | Die Einführung des 60-Tonner-Lkw lehnen wir ab. Wir wollen neue Nutzfahrzeug- |
1427 | konzepte durch die maßvolle Erhöhung der Lkw-Fahrzeuggrößen und -gewichte |
1428 | ermöglichen. Einen Einsatz größerer Lkw sehen wir allerdings nur in geeigneten |
1429 | Relationen. Chancen und Risiken wollen wir in einem bundesweiten Feldversuch |
1430 | evaluieren. |
1431 | |
1432 | Das bestehende Lkw-Stellplatzdefizit an deutschen Autobahnen werden wir |
1433 | schnellstmöglich beseitigen. Behinderungen der Freizügigkeit im europäischen |
1434 | Gütertransport durch nationale Transitbeschränkungen, etwa im alpenquerenden |
1435 | Verkehr, werden wir entschieden abwehren. Die Förderung des kombinierten Ver- |
1436 | kehrs wird fortgesetzt und mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Verbesse- |
1437 | rung der Schnittstellenproblematik weiterentwickelt. |
1438 | |
1439 | Öffentlichen Personennahverkehr |
1440 | |
1441 | Die Koalition bekennt sich zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als un- |
1442 | verzichtbaren Bestandteil der Daseinsvorsorge, auch in der Fläche. Um für den |
1443 | ÖPNV verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, werden wir unverzüglich |
1444 | das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) novellieren und an den europäischen |
1445 | Rechtsrahmen anpassen. Unser Leitbild ist dabei ein unternehmerisch und wett- |
1446 | bewerblich ausgerichteter ÖPNV. Dabei werden wir den Vorrang kommerzieller |
1447 | Verkehre gewährleisten. Aufgabenträger bleiben die Kommunen. Wir wollen mit- |
1448 | telständischen Unternehmen die Beteiligungschancen sichern und insbesondere |
1449 | eine Betreibervielfalt im Busgewerbe gewährleisten. Die Koalition steht zur Erfül- |
1450 | lung der Finanzierungsverpflichtungen aus dem Regionalisierungsgesetz. Wir wol- |
1451 | len jedoch eine höhere Transparenz in der ÖPNV-Finanzierung erreichen. Für re- |
1452 | gionale Schienenstrecken werden wir neue Betreibermodelle erproben, um den |
1453 | Ländern und Aufgabenträgern Einfluss etwa auf Modernisierung und Regionalisie- |
1454 | rung zu geben. |
1455 | Wir werden Busfernlinienverkehr zulassen und dazu § 13 PBefG ändern. |
1456 | |
1457 | Schienenverkehr für Mensch und Umwelt |
1458 | Wir wollen die 1994 erfolgreich begonnene Bahnreform weiterführen. Das Unter- |
1459 | nehmen Deutsche Bahn AG werden wir in seiner positiven Entwicklung begleiten, |
1460 | Der konzernweite Arbeitsmarkt bleibt erhalten. Sobald der Kapitalmarkt dies zu- |
1461 | lässt, werden wir eine schrittweise, ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- |
1462 | und Logistiksparten einleiten. |
1463 | |
1464 | Die Infrastruktursparten (Netz, Bahnhöfe, Energie) werden nicht privatisiert, weil |
1465 | sie im Zusammenhang mit der staatlichen Infrastrukturverantwortung stehen. Wir |
1466 | wollen die Rechte des Bundes bei Initiierung und Umsetzung von Eisenbahninfra- |
1467 | strukturprojekten stärken. Für die Schiene werden wir künftig schnellere Pla- |
1468 | nungsvorläufe durch Einführung eines Planungskostenbudgets und eine flexiblere |
1469 | Handhabung der Planungskostenerstattung gewährleisten. |
1470 | |
1471 | Für die Finanzierung der Bahn wird folgendes Modell geprüft: |
1472 | Mittelzuwendungen des Bundes erfolgen direkt an die DB- |
1473 | Infrastrukturgesellschaften. Trassenerlöse und Stationsentgelte fließen in die |
1474 | Schieneninfrastruktur zurück, Gewinnabführungen der Infrastruktursparten an die |
1475 | Holding werden ausgeschlossen. Die DB AG behält im Konzernverbund als Al- |
1476 | leineigentümerin Einfluss auf ihre Infrastruktursparten; deren Leitung erfolgt zu- |
1477 | künftig unabhängig. Doppelmandate bei Holding- und Infrastrukturgesellschaften |
1478 | werden ausgeschlossen. |
1479 | |
1480 | Mit der stärkeren Unabhängigkeit des Netzes erreichen wir auch, dass der Wett- |
1481 | bewerb auf der Schiene verbessert wird. Zu diesem Zweck werden wir auch das |
1482 | Regulierungsrecht im Allgemeinen Eisenbahngesetz überarbeiten. Unter anderem |
1483 | müssen dabei die Trassen- und Stationspreise einer Anreizregulierung unterwor- |
1484 | fen werden. Regulierungsbedürftig sind ferner der Zugang zu Serviceeinrichtun- |
1485 | gen, der Bezug von Bahnstrom und Vertriebsleistungen im Schienenpersonenver- |
1486 | kehr. Die Bundesnetzagentur wird gestärkt. Darüber hinaus setzen wir uns auf |
1487 | europäischer Ebene für eine vollständige Öffnung der Eisenbahnmärkte in allen |
1488 | Mitgliedsstaaten und für faire Wettbewerbsbedingungen ein. Wir fordern eine |
1489 | Harmonisierung bei der Regulierung auf europäischer Ebene. |
1490 | |
1491 | Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wollen wir weiterentwickeln. Wir |
1492 | werden die geeigneten Instrumente schaffen, die Bund und Ländern einen vertief- |
1493 | ten Einblick in die Umsetzung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung er- |
1494 | möglichen. Wir wollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Finanzierung nicht- |
1495 | bundeseigener Eisenbahninfrastruktur für die Einbindung in das Schienengüter- |
1496 | fernverkehrsnetz schaffen. |
1497 | |
1498 | Wir werden die Vorschläge zur Einführung eines Deutschlandtaktes im Schienen- |
1499 | personenverkehr einer sorgfältigen Überprüfung unter Beteiligung der Länder un- |
1500 | terziehen. |
1501 | |
1502 | Luftverkehrsstandort Deutschland |
1503 | |
1504 | Die Koalition ist sich der großen Bedeutung der Luftverkehrswirtschaft für den |
1505 | Standort Deutschland bewusst. Wir wollen die erfolgreiche Arbeit der "Initiative |
1506 | Luftverkehr" als übergreifendes Steuerungsinstrument fortsetzen und die Länder |
1507 | daran beteiligen. Wir werden uns für einen koordinierten, Ausbau der Flughafen- |
1508 | infrastruktur einsetzen. Neben einer Kapazitätsentwicklung der Flughäfen werden |
1509 | wir insbesondere international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherstellen. Die |
1510 | dazu erforderliche Präzisierung im Luftverkehrsgesetz soll eine gleichberechtigte |
1511 | und konsequente Nachhaltigkeitsabwägung von wirtschaftlichen, betrieblichen und |
1512 | dem Lärmschutz geschuldeten Erfordernissen auch bei Nachtflügen sicherstellen. |
1513 | Die Wahrung des öffentlichen Erschließungsinteresses der Bundesrepublik |
1514 | Deutschland ist dabei zu gewährleisten. |
1515 | |
1516 | Wir werden die Realisierung des Single European Sky auf europäischer Ebene |
1517 | vorantreiben, um direktere Flugrouten innerhalb Europas zu ermöglichen. Die |
1518 | Deutsche Flugsicherung GmbH wollen wir in ihrer internationalen Wettbewerbsfä- |
1519 | higkeit stärken, insbesondere durch eine Befreiung der Restriktionen des § 65 Ab- |
1520 | satz 3 BHO. Wir prüfen eine Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung |
1521 | GmbH (DFS). Bei der Einführung des Emissionshandels für den Luftverkehr wol- |
1522 | len wir Wettbewerbsneutralität sicherstellen. Wir werden eine effizienzsteigernde |
1523 | Reform der Luftverkehrsverwaltung, insbesondere im Hinblick auf ihre Organisati- |
1524 | onsform, prüfen. |
1525 | |
1526 | Schifffahrtspolitik |
1527 | |
1528 | Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen werden wir durch eine zügige |
1529 | Optimierung der seewärtigen Zufahrten sicherstellen. Die dazu notwendigen Fahr- |
1530 | rinnenanpassungen wollen wir zügig realisieren. Der Ausbau der Hafenhinterland- |
1531 | verkehre ist von allergrößter Bedeutung für die gesamte exportorientierte Wirt- |
1532 | schaft. Wir werden die Seehafenhinterlandanbindungen gezielt ausbauen |
1533 | |
1534 | Die zuletzt verstärkte Berücksichtigung der Bundeswasserstraßen bei der Vertei- |
1535 | lung von Investitionsmitteln werden wir fortsetzen. |
1536 | |
1537 | Wir werden das Forum Binnenschifffahrt und Logistik fortführen. In diesem Zu- |
1538 | sammenhang halten wir an der Investitionsförderung nach § 6 b Einkommensteu- |
1539 | ergesetz sowie an den Hilfen bei der Flottenmodernisierung und bei der Umrüs- |
1540 | tung auf abgasärmere Motoren fest. Wir werden zudem unnötige bürokratische |
1541 | Hindernisse für die Schifffahrt beseitigen und ein Gesetz zur Reform der Wasser- |
1542 | und Schifffahrtsverwaltung vorlegen. |
1543 | |
1544 | Stadt- und Regionalverkehr |
1545 | |
1546 | Die Koalition wird - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demographischen Wan- |
1547 | dels - einen attraktiven und nachhaltigen Stadt- und Regionalverkehr fördern. Wir |
1548 | werden uns aktiv mit der Initiative der EU-Kommission "Urbane Mobilität" befas- |
1549 | sen. Wichtig ist dabei, den Grundsatz der Subsidiarität zu beachten und das |
1550 | Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nicht einzuschränken. Eine City-Maut und |
1551 | generelle innerstädtische Fahrverbote lehnen wir ab. Der Radverkehr stellt für uns |
1552 | einen wichtigen Bestandteil städtischer Mobilität dar. Deshalb werden wir den Na- |
1553 | tionalen Radverkehrsplan weiterentwickeln. |
1554 | |
1555 | Umweltfreundliche Mobilität |
1556 | |
1557 | Eine wesentliche Aufgabe unserer Mobilitätspolitik ist die Vereinbarkeit von Ver- |
1558 | kehr und Umwelt. Wo immer dies sinnvoll ist, wollen wir die Verlagerung von Ver- |
1559 | kehren auf Schiene und Wasserstraße fördern. Gleichzeitig muss sich der Ver- |
1560 | kehrssektor auf den Abschied vom Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbereiten. |
1561 | Als kurzfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Klimabilanz des Verkehrs set- |
1562 | zen wir auf die Optimierung von fossilen Antriebstechnologien und die Förderung |
1563 | von innovativen Biokraftstoffen. Für deren Einsatz werden wir stabile steuerliche |
1564 | Rahmenbedingungen gewährleisten. |
1565 | |
1566 | Elektromobilität |
1567 | |
1568 | Als mittel- bis langfristige Alternative zu fossilen Brennstoffen wollen wir die Wei- |
1569 | chen für Elektromobilität in Deutschland durch ein umfassendes Entwicklungs- |
1570 | programm stellen. |
1571 | |
1572 | Wir wollen Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität machen und dabei |
1573 | bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen. In Mo- |
1574 | dellregionen werden wir zukunftsweisende, ganzheitliche Verkehrskonzepte ("Mo- |
1575 | bility on Demand") erproben. |
1576 | |
1577 | In das Konzept der Modellregionen wollen wir auch ländliche Räume einbeziehen. |
1578 | Besonderen Schwerpunkt legen wir auf die Förderung innovativer Batterietechno- |
1579 | logien. Deshalb müssen neben der Elektromobilität auch die Weiterentwicklung |
1580 | von Brennstoffzelle und Wasserstoff vorangetrieben werden. Es gilt aber für uns |
1581 | der Grundsatz der Technologieneutralität. In Deutschland muss sobald wie mög- |
1582 | lich mit dem Aufbau eines Netzes von Ladestellen für Elektrofahrzeuge in Bal- |
1583 | lungsräumen begonnen werden. Staatliche Aufgabe ist es dabei, die rechtlichen |
1584 | Rahmenbedingungen zu schaffen; Aufbau und Betrieb dieser Ladestellen ist Auf- |
1585 | gabe der Privatwirtschaft. |
1586 | |
1587 | Um unsere Wirtschaft vor Benachteiligungen im internationalen Wettbewerb zu |
1588 | schützen, wollen wir keine nationalen Alleingänge. |
1589 | Wir wollen die Feinstaubbelastung in den Städten reduzieren. Bei der Einrichtung |
1590 | von Umweltzonen muss auf die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit geachtet |
1591 | werden. Wir wollen Einfahrtverbote dort lockern, wo die Einschränkungen in kei- |
1592 | nem vernünftigen Verhältnis zur erzielten Feinstaubreduzierung stehen. Dazu wol- |
1593 | len wir die Ausnahmeregelungen bundesweit vereinheitlichen. |
1594 | |
1595 | Die Akzeptanz für einen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur hängt ent- |
1596 | scheidend davon ab, dass die Lärmbelastung der Bevölkerung reduziert wird. Wir |
1597 | wollen deshalb den Lärmschutz ausweiten. Dazu wollen wir den Schienenbonus |
1598 | schrittweise reduzieren mit dem Ziel, ihn ganz abzuschaffen. Gleichzeitig wollen |
1599 | wir eine lärmabhängige Trassenpreisgestaltung bei der Bahn. |
1600 | |
1601 | Bei bereits bestehenden Strecken wollen wir das Lärmsanierungsprogramm |
1602 | Schiene fortsetzen und intensivieren. Dazu wollen wir auch die Möglichkeiten des |
1603 | technischen Fortschritts bei Fahrzeugen nutzen. |
1604 | |
1605 | Die Koalition lehnt ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen ab. |
1606 | |
1607 | Verkehrssicherheit |
1608 | |
1609 | Bestandteil unserer nachhaltigen Mobilitätspolitik ist auch die Förderung innovati- |
1610 | ver Verkehrstechnologien. Wir wollen Deutschlands Führungsposition im Bereich |
1611 | Telematik und Verkehrsmanagementsysteme ausbauen. Einen besonderen |
1612 | Schwerpunkt werden wir auf die Förderung intelligenter Verkehrsleitsysteme zur |
1613 | Kapazitätsoptimierung hoch belasteter Verkehrsstrecken legen. Dabei wollen wir |
1614 | auch die Innovations- und Marktpotentiale in Zusammenhang mit dem Satelliten- |
1615 | navigationssystem GALILEO nutzen. Wir wollen die Fahrzeugzulassung in |
1616 | Deutschland entbürokratisieren. Dazu werden wir die Pilotversuche des Online- |
1617 | Zulassungsverfahrens fortsetzen, evaluieren und dann über eine Neuregelung |
1618 | entscheiden. |
1619 | |
1620 | Die Verbesserung der Verkehrssicherheit in Deutschland bleibt ein zentrales An- |
1621 | liegen. Dazu werden wir das erfolgreiche Verkehrssicherheitsprogramm weiter- |
1622 | entwickeln und ausbauen. Zielrichtung ist vor allem die Entschärfung der Unfall- |
1623 | schwerpunkte, insbesondere auf Landstraßen. Wir werden modernste Fahrzeug- |
1624 | und Sicherheitstechnik fördern. |
1625 | |
1626 | Wir werden das Straßenverkehrsgesetz zugunsten der bei den Freiwilligen Feu- |
1627 | erwehren, den Rettungsdiensten und den technischen Hilfsdiensten ehrenamtlich |
1628 | tätigen Bürgerinnen und Bürger weiter verbessern. |
1629 | |
1630 | Das Punktesystem beim Bundeszentralregister in Flensburg wollen wir reformie- |
1631 | ren, um eine einfachere, transparentere und verhältnismäßigere Regelung zu |
1632 | schaffen. |
1633 | |
1634 | 4.4.2 Bauen und Wohnen |
1635 | |
1636 | Die nachhaltige Stadtentwicklungspolitik hat angesichts der wirtschaftlichen, kultu- |
1637 | rellen und gesellschaftlichen Entwicklung in unserem Land folgende Ziele: die Be- |
1638 | wältigung der Folgen des demographischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels, |
1639 | den Klimaschutz, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Integration |
1640 | von Menschen mit Migrationshintergrund, den Erhalt historischer Bausubstanz und |
1641 | Stadtstrukturen, die Wieder- und Umnutzung von Brachflächen und die Barriere- |
1642 | armut im Wohnumfeld. Auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung ist dar- |
1643 | über hinaus die internationale Zusammenarbeit auszubauen. Um den europäi- |
1644 | schen Integrationsprozess zu beschleunigen, ist die grenzüberschreitende Zu- |
1645 | sammenarbeit bei der Raumordnungsplanung zu intensivieren. |
1646 | |
1647 | Städtebauförderung |
1648 | |
1649 | Die Städtebauförderung leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur lebenswerten |
1650 | Gestaltung von Städten und Gemeinden. Wir werden die Städtebauförderung als |
1651 | gemeinschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen auf bisherigem |
1652 | Niveau, aber flexibler fortführen. Es gilt, die privaten Hauseigentümer und das im |
1653 | Stadtgebiet ansässige Gewerbe stärker in die Stadtentwicklungsprozesse einzu- |
1654 | binden. Dazu dient u. a. das Instrument des integrierten Stadtentwicklungskonzep- |
1655 | tes. Auf neue Herausforderungen werden wir zunächst mit Modellvorhaben von |
1656 | Bund und Ländern reagieren. |
1657 | |
1658 | Beim "Stadtumbau Ost" soll die Aufwertung von Innenstädten und die Sanierung |
1659 | von Altbausubstanz gestärkt und der Rückbau der technischen und sozialen Infra- |
1660 | struktur besser berücksichtigt werden. Der Erfolg des Programms soll nicht durch |
1661 | ungelöste Altschuldenprobleme einzelner Wohnungsunternehmen beim Abriss |
1662 | von Wohnungsleerstand gefährdet werden. |
1663 | |
1664 | Der "Stadtumbau West" wird weiterentwickelt. Das Programm "Soziale Stadt" soll |
1665 | stärker ressortübergreifend umgesetzt werden. Mit dem Programm "Aktive Stadt- |
1666 | und Ortsteilzentren" wollen wir weiter zur Stärkung der Innenentwicklung beitra- |
1667 | gen. |
1668 | |
1669 | Wir werden die Förderung der energetischen Sanierung sozialer Infrastruktur fort- |
1670 | führen. |
1671 | |
1672 | Denkmalschutz |
1673 | |
1674 | Das Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz" ist für den Erhalt und die Erneu- |
1675 | erung historischer Innenstädte unentbehrlich. Wir wollen zugunsten des Denkmal- |
1676 | schutzes Planungssicherheit für Investoren gewährleisten und halten daher an der |
1677 | steuerlichen Förderung von Baudenkmalen und Gebäuden in Sanierungsgebieten |
1678 | und städtebaulichen Entwicklungsbereichen fest. |
1679 | |
1680 | Ländliche Räume |
1681 | |
1682 | Eine besondere Aufgabe wird künftig die Sicherung der öffentlichen Daseinsvor- |
1683 | sorge in dünn besiedelten Räumen sein. Wir wollen diese Räume bei der Entwick- |
1684 | lung dezentraler Systeme, bei der Nutzung alternativer Technologien zu Energie-, |
1685 | Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie bei der Vernetzung und Kooperation |
1686 | von Ressourcen und Kräften unterstützen. Die flächendeckende Versorgung mit |
1687 | Infrastruktur für ein schnelles Internet wird massiv vorangetrieben. |
1688 | |
1689 | Bauplanungsrecht |
1690 | |
1691 | Das Planungsrecht und die Planungsziele werden wir weiterentwickeln. Es gilt, |
1692 | den Klimaschutz zu verankern, den Vorrang der Innenentwicklung zu stärken und |
1693 | die Genehmigungsverfahren zu entbürokratisieren. Dazu werden wir das Bauge- |
1694 | setzbuch (BauGB) anpassen und weiterentwickeln. Ferner werden wir die Baunut- |
1695 | zungsverordnung (BauNVO) umfassend prüfen. Wir werden mit den Ländern ei- |
1696 | nen Dialog darüber führen, wie Genehmigungsfiktionen generell ausgeweitet wer- |
1697 | den können. Ziel ist auch, die Allgemeinverbindlichkeit von wesentlichen Punkten |
1698 | der Musterbauordnung zu erreichen. |
1699 | |
1700 | Ungenutzte innerstädtische Grundstücke des Bundes und bundeseigener Unter- |
1701 | nehmen müssen schneller einer Umnutzung bzw. Veräußerung zugeführt werden. |
1702 | Das erfordert ein wirkungsvolleres Immobilienmanagement des Bundes. Durch die |
1703 | Stärkung der Innenentwicklung wird auch die Inanspruchnahme neuer Flächen für |
1704 | Verkehrs- und Siedlungszwecke reduziert. Um in diesem Zusammenhang Zielkon- |
1705 | flikte zu vermeiden, werden wir im Rahmen der anstehenden Überprüfung der In- |
1706 | dikatoren auch das Flächeninanspruchnahmeziel im Sinne größtmöglicher ökolo- |
1707 | gischer Wirksamkeit neu definieren. Es soll sich stärker an der tatsächlichen Zer- |
1708 | schneidung oder Versiegelung von Lebensräumen orientieren. |
1709 | |
1710 | Wohneigentum |
1711 | |
1712 | Wohneigentum ist Altersvorsorge und stärkt die regionale Verbundenheit. In ver- |
1713 | gleichbarer Weise wirkt der Erwerb von Geschäftsanteilen bei einer Wohnungsge- |
1714 | nossenschaft für eigene Wohnzwecke. Wir wollen die Wohneigentumsquote in |
1715 | Deutschland erhöhen. Dazu werden wir die Eigenheimrente vereinfachen. |
1716 | |
1717 | Wohnungsbau |
1718 | |
1719 | Die Wohnungsmärkte sind regional differenziert ausgeprägt. Insbesondere in Bal- |
1720 | lungszentren ist zusätzlicher Wohnungsneubau erforderlich. |
1721 | |
1722 | Wir werden bis zur Mitte der Legislaturperiode entscheiden, ob nach dem Jahr |
1723 | 2013 der Bund den Ländern weiterhin zweckgebunden Mittel zur Finanzierung von |
1724 | Maßnahmen der Wohnraumförderung gewährt. Auf europäischer Ebene lehnen |
1725 | wir eine Förderung des Wohnungsbaus mit Mitteln der EU ab. |
1726 | |
1727 | Bauwirtschaft und planende Berufe |
1728 | |
1729 | Die Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sind besonders wichtige Wirt- |
1730 | schaftszweige in unserem Land. Wir stehen dafür, dass ihre Leistungen den Stel- |
1731 | lenwert im öffentlichen Bewusstsein erhalten, der ihrem Anteil an der Bruttowert- |
1732 | schöpfung entspricht. Daher werden wir den Dialog zwischen Bund, Bau-, Immobi- |
1733 | lien- und Wohnungswirtschaft vertiefen. |
1734 | |
1735 | Die Baukultur gehört zu identitätsstiftenden Markenzeichen einer Nation. Wir wol- |
1736 | len daher das öffentliche Bewusstsein für die Baukultur weiter unterstützen. |
1737 | |
1738 | Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) wird auf der Grundlage |
1739 | des Bundesratsbeschlusses schnellstmöglich weiter modernisiert. |
1740 | |
1741 | Bundesbauten |
1742 | |
1743 | Der Bund wird auch in Zukunft seiner Vorbildfunktion für Baukultur und Nachhal- |
1744 | tigkeit bei seinen Baumaßnahmen gerecht werden. Diese Aspekte müssen in eine |
1745 | erweiterte Wirtschaftlichkeitsprüfung der Bundesbauvorhaben einfließen. Die Vor- |
1746 | bildwirkung erstreckt sich auch auf die energetische Sanierung von Bundesbau- |
1747 | ten, insbesondere beim Einsatz innovativer Technologien und Materialien. |
1748 | |
1749 | Das Bundesamt für Bauen und Raumordnung (BBR) wird zu einer betriebswirt- |
1750 | schaftlich agierenden Bundesanstalt umgestaltet. Es soll in seiner Funktion als |
1751 | Dienstleister für Baumaßnahmen des Bundes im In- und Ausland und als Koordi- |
1752 | nierungszentrum des Bundes für die Bauforschung gestärkt werden. Die Koopera- |
1753 | tion mit Einrichtungen der Bauforschung wird ausgebaut. |
1754 | |
1755 | Bauvertragsrecht |
1756 | |
1757 | Wir werden prüfen, ob und inwieweit ein eigenständiges Bauvertragsrecht zur Lö- |
1758 | sung der bestehenden Probleme im Bereich des Bau- und Werkvertragsrechts |
1759 | geeignet ist. |
1760 | |
1761 | Regional- und Strukturpolitik |
1762 | |
1763 | Im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist die |
1764 | Fortsetzung der Förderung in allen förderfähigen Regionen (RWB-Regionen) ab |
1765 | 2014 sicher zu stellen. Hierbei sind die Belange des strukturschwachen ländlichen |
1766 | Raums sowie der demographischen Entwicklung in besonderer Weise zu berück- |
1767 | sichtigen. EFRE-Mittel müssen auch künftig für die klassische Förderung von Un- |
1768 | ternehmensinvestitionen eingesetzt werden können. Den Mitgliedstaaten bzw. |
1769 | Ländern muss auch künftig die Möglichkeit für eigene regionale Schwerpunktset- |
1770 | zungen verbleiben. |
1771 | |
1772 | Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur |
1773 | (GRW) wird auf hohem Niveau und mit bundesweit einheitlichen Maßstäben fort- |
1774 | geführt. |
1775 | |
1776 | Wir setzen uns dafür ein, dass der beihilferechtliche Rahmen für die Regionalför- |
1777 | derung ab 2014 den Weiterbestand der C-Fördergebiete vorsieht. Dies bedeutet |
1778 | die Förderfähigkeit auch von Großunternehmen und erhöhte Fördersätze. |
1779 | |
1780 | 4.5 Ernährung und Verbraucherschutz |
1781 | |
1782 | Beim Kauf von Lebensmittel, beim Nutzen der digitalen Welt oder beim Abschluss |
1783 | von Finanzdienstleistungen: Angesichts globalisierter Märkte und eines wachsen- |
1784 | den Produktangebots wird die Situation für Verbraucher zusehends undurchsichti- |
1785 | ger. Immer mehr Anbieter drängen auf den Markt: Wer neue Produkte, Technolo- |
1786 | gien und Dienstleistungen nutzt, kennt nicht in jedem Fall seine Rechte und kann |
1787 | nicht immer die Folgen seiner Entscheidungen einschätzen, muss aber gleichzei- |
1788 | tig auf Sicherheit und Qualität vertrauen können. |
1789 | |
1790 | Unser Leitbild ist der gut informierte und zu selbstbestimmtem Handeln befähigte |
1791 | und mündige Verbraucher. Diesem Ziel verpflichtet, werden wir die Lebensqualität |
1792 | der Verbraucher erhöhen, durch mehr Transparenz, Aufklärung, Rechtsdurchset- |
1793 | zung und dort, wo es nötig ist, auch mit mehr Rechten. |
1794 | |
1795 | Ernährungsbildung |
1796 | |
1797 | Das erzieherische Engagement der Eltern und eine frühe Aufklärung über richtige |
1798 | und gesunde Ernährung im Kindergarten und Schule sind entscheidende Fakto- |
1799 | ren. |
1800 | |
1801 | Die Angebote an Familienbildung für eine gesunde Ernährung von Kindern und |
1802 | Erwachsenen werden ausgebaut. Gemeinsam mit den Ländern werden wir das |
1803 | Thema der Ernährungsbildung in die Informations- und Bildungsangebote von |
1804 | Kindergärten und Schulen integrieren sowie die erweiterte Nutzung von EU- |
1805 | Programmen zu Schulmilch und -obst prüfen. |
1806 | |
1807 | Lebensmittelkennzeichnung |
1808 | |
1809 | Wir werden eine transparente Nährwert-Kennzeichnung von Lebensmitteln durch- |
1810 | setzen. Eine politische Steuerung des Konsums und Bevormundung der Verbrau- |
1811 | cher durch Werbeverbote und Strafsteuern für vermeintlich ungesunde Lebensmit- |
1812 | tel lehnen wir ab. Ein farblich unterlegtes Ampelsystem zur Nährwert- |
1813 | Kennzeichnung führt die Verbraucher in die Irre. Das zwischen dem Bundesminis- |
1814 | terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Lebensmit- |
1815 | telwirtschaft entwickelte "1+4-Modell" bietet hierfür den richtigen Ansatz. Dieses |
1816 | Modell ist EU-weit zu harmonisieren und darüber hinaus im Sinne einer übersicht- |
1817 | licheren, einheitlichen Darstellungsweise weiterzuentwickeln und die Portionsgrö- |
1818 | ßen des GDA-Wertes zu standardisieren. |
1819 | |
1820 | Die EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von Le- |
1821 | bensmitteln (Health-Claims-Verordnung) ist praxisgerecht und verbraucherorien- |
1822 | tiert zu verbessern. |
1823 | |
1824 | Auf Verpackungen von Lebensmitteln darf nur drauf stehen, was drin ist, und Ab- |
1825 | bildungen dürfen nicht verbrauchertäuschend wirken. Wir werden die Klarheit von |
1826 | Zutatenlisten, Abbildungen und Bezeichnungen verbessern. Lebensmittel-Imitate |
1827 | werden aus Gründen des Verbraucherschutzes und zur Vermeidung von Verbrau- |
1828 | chertäuschungen durch eine Änderung der EU-Lebensmittel- |
1829 | Kennzeichnungsverordnung klar gekennzeichnet. Unser Ziel ist eine regionale |
1830 | Herkunftskennzeichnung, die zwischen Ursprungs- und Verarbeitungsort unter- |
1831 | scheidet. |
1832 | |
1833 | Gesundheitlicher Verbraucherschutz |
1834 | |
1835 | Sichere Lebensmittel haben für uns höchste Priorität. Wir wollen die Lebensmittel- |
1836 | sicherheit weiter verbessern, ohne den bürokratischen Aufwand zu steigern. Das |
1837 | Qualitäts- und Sicherheitsbewusstsein über die gesamte Lebensmittelkette ein- |
1838 | schließlich des Verbrauchers muss noch stärker entwickelt werden. Wir setzen auf |
1839 | den Ausbau stufenübergreifender privatwirtschaftlich organisierter Qualitätssiche- |
1840 | rungssysteme und ihre Verzahnung mit der staatlichen Lebensmittelkontrolle. |
1841 | |
1842 | Lebensmittelkontrolle |
1843 | |
1844 | Wir setzen uns dafür ein, dass die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle bei einem |
1845 | wiederholten Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz veröffent- |
1846 | licht werden. Die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Lebensmittelkon- |
1847 | trolle ist zu intensivieren. |
1848 | |
1849 | Zur Vermeidung zukünftiger Gammelfleischskandale werden Schlachtabfälle (so- |
1850 | genanntes K-3-Material) eingefärbt. |
1851 | |
1852 | Wirtschaftlicher und rechtlicher Verbraucherschutz |
1853 | |
1854 | Unsere Verbraucherpolitik setzt auf die Stärkung des Verbrauchers im Markt. Un- |
1855 | ser Leitbild ist der gut informierte und zu selbstbestimmtem Handeln befähigte und |
1856 | mündige Verbraucher. Dazu gehört umfassende Verbraucherbildung, sowie Auf- |
1857 | klärung und Zugang zu Informationen. Verbraucher sollen sich leicht informieren |
1858 | können, sie sollen gut beraten und ihre Interessen gut vertreten werden. Für die |
1859 | Finanzierung der Beratungs- und Informationsaktivitäten von Verbraucherzentra- |
1860 | len und unabhängiger Verbraucherschutzorganisationen wie der Stiftung Waren- |
1861 | test werden langfristige Konzepte der Finanzierung entwickelt, die dem auch durch |
1862 | die Finanzkrise ausgelösten Mehrbedarf an unabhängiger Beratung des Verbrau- |
1863 | chers Rechnung tragen. |
1864 | |
1865 | Wir setzen bei der Verbraucherinformation auf den Einsatz einer verständlichen |
1866 | deutschen Sprache. Dies gilt in besonderem Maße im öffentlichen Raum, bei Pro- |
1867 | duktkennzeichnungen, Gebrauchsanweisungen und bei der Bürgerkommunikati- |
1868 | on. |
1869 | |
1870 | Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt für den Verbraucher eine stetig zuneh- |
1871 | mende Rolle. Den nachhaltigen Konsum wollen wir stärken. Dem wollen wir mit |
1872 | zusätzlichen Informationen durch freiwillige Systeme von Handel und Wirtschaft |
1873 | Rechnung tragen. |
1874 | |
1875 | Wir werden ein zentrales Verbrauchertelefon mit Lotsenfunktion einführen. |
1876 | |
1877 | Informationsgesetze |
1878 | |
1879 | Das geltende Verbraucherinformationsgesetz wird reformiert. Bei der Reform des |
1880 | Gesetzes werden die Ergebnisse der Überprüfung berücksichtigt. Die Ansprüche |
1881 | des Verbrauchers auf Information werden in einem einheitlichen Gesetz zur Rege- |
1882 | lung der Informationsansprüche des Bürgers zusammengefasst. |
1883 | |
1884 | Europäische Verbraucherpolitik |
1885 | |
1886 | Die im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher |
1887 | vorgesehene Vollharmonisierung von Verbraucherschutzvorschriften soll auf ein- |
1888 | zelne Bereiche beschränkt bleiben. |
1889 | |
1890 | Das deutsche GS-Zeichen "Geprüfte Sicherheit" wollen wir erhalten und nach sei- |
1891 | nem Vorbild ein freiwilliges europäisches Sicherheitszeichen fordern. |
1892 | |
1893 | Außergerichtliche Streitschlichtung |
1894 | |
1895 | Die Einrichtung einer unabhängigen, übergreifenden Schlichtungsstelle für die |
1896 | Verkehrsträger Bus, Bahn, Flug und Schiff wird gesetzlich verankert. |
1897 | |
1898 | Anlegerschutz |
1899 | |
1900 | Wir wollen ein konsistentes Finanzdienstleistungsrecht schaffen, damit Verbrau- |
1901 | cher in Zukunft besser vor vermeidbaren Verlusten und falscher Finanzberatung |
1902 | geschützt werden. Ein angemessener Anlegerschutz gegen unseriöse Produktan- |
1903 | bieter und Falschberatung wird prinzipiell unabhängig davon gewährleistet, wel- |
1904 | ches Produkt oder welcher Vertriebsweg vorliegt. Die Haftung für Produkte und |
1905 | Vertrieb soll verschärft werden. Wir wollen deshalb die Anforderungen an Berater |
1906 | und Vermittler insbesondere in Bezug auf Qualifikation, Registrierung, und Berufs- |
1907 | haftpflicht in Anlehnung an das Versicherungsvermittlergesetz vereinheitlichen. |
1908 | Kein Anbieter von Finanzprodukten soll sich der staatlichen Finanzaufsicht entzie- |
1909 | hen können. |
1910 | |
1911 | Die Kunden müssen die wesentlichen Bestandteile einer Kapitalanlage, sämtliche |
1912 | Kosten und Provisionen einschließlich Rückvergütungen schnell erkennen kön- |
1913 | nen. |
1914 | |
1915 | Rahmenbedingungen der digitalen Kommunikation |
1916 | |
1917 | Wir brauchen ein verpflichtendes Bestätigungsfeld für alle Vertragsabschlüsse im |
1918 | Internet. Mit dem verpflichtenden Preisangabefenster können wir Internetabzocke |
1919 | minimieren. |
1920 | |
1921 | Wir wollen die Problematik der unterschiedlichen Handhabung der Kostenvertei- |
1922 | lung bei Warteschleifen im Telefonverkehr auf deren Praxistauglichkeit hin über- |
1923 | prüfen. |
1924 | |
1925 | Die in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedeten gesetzlichen Regelun- |
1926 | gen zum Handel mit persönlichen Daten sind zu evaluieren. Dies gilt auch für den |
1927 | ausreichenden Schutz der Persönlichkeitsrechte im Internet und bei der Einfüh- |
1928 | rung von Funketiketten. |
1929 | |
1930 | Verbraucherschutz im Versorgungsbereich |
1931 | |
1932 | Wir werden die Informationen des Verbrauchers zu langlebigen Wirtschaftsgütern |
1933 | bezüglich des Energie- und Wasserverbrauchs, u. a. durch intelligente Stromzäh- |
1934 | ler sowie die Transparenz bei der Festlegung der Preise verbessern. |
1935 | |
1936 | Rechte von Fahrgästen |
1937 | |
1938 | Die Rechte von Bahnkunden und Fluggästen werden überprüft und ggf. verbes- |
1939 | sert. |
1940 | |
1941 | Schutz bei Immobiliendarlehen |
1942 | |
1943 | Wir werden den Schutz des Darlehensnehmers, der sein Immobiliendarlehen ver- |
1944 | tragsgemäß bedient, stärken. Eine Abtretung der Darlehensforderung oder die |
1945 | Übertragung des Kreditverhältnisses an ein Unternehmen ohne Banklizenz wird |
1946 | daher zukünftig nur bei Genehmigung des Darlehensnehmers wirksam sein. |
1947 | |
1948 | 4.6 Landwirtschaft und ländlicher Raum |
1949 | |
1950 | Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Energie sowie der Klimaschutz gehören |
1951 | zu den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Wir brauchen eine |
1952 | starke und wettbewerbsfähige Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft |
1953 | in Deutschland. Unsere Betriebe brauchen Planungssicherheit und Perspektiven. |
1954 | Viele Landwirte können sich sehr wohl am Markt behaupten. Dennoch gibt es Re- |
1955 | gionen mit landwirtschaftlicher Produktion, die einer besonderen gesellschaftlichen |
1956 | Begleitung bedürfen. |
1957 | EU-Vorgaben werden 1:1 in nationales Recht umgesetzt. |
1958 | |
1959 | Wir wollen eine durch bäuerliche und unternehmerische Betriebsstrukturen gestal- |
1960 | tete, flächendeckende Landbewirtschaftung. Unterschiedliche strukturelle und kli- |
1961 | matische Produktionsbedingungen rechtfertigen eine weitere gezielte Unterstüt- |
1962 | zung der Landwirtschaft in diesen benachteiligten Regionen. Dabei wird die Ver- |
1963 | wendung auf der Basis der landwirtschaftlichen Vergleichszahl (LVZ) als zentraler |
1964 | Abgrenzungsmaßstab beibehalten. Unabhängig vom Schutz des geistigen Eigen- |
1965 | tums wollen wir auf landwirtschaftliche Nutztiere und -pflanzen kein Patentrecht. |
1966 | |
1967 | Abschluss der WTO-Verhandlungen |
1968 | |
1969 | Wir treten für einen erfolgreichen und ausgewogenen Abschluss der Doha-Runde |
1970 | ein, der auch das europäische Landwirtschaftsmodell berücksichtigt. Exportsub- |
1971 | ventionen und Interventionsmaßnahmen sind im internationalen Vergleich abzu- |
1972 | bauen. |
1973 | |
1974 | Gemeinsame Europäische Agrarpolitik |
1975 | |
1976 | Aus Gründen der Verlässlichkeit und Planungssicherheit müssen die EU- |
1977 | Direktzahlungen bis 2013 sicher sein. Wir brauchen auch nach 2013 eine starke |
1978 | erste Säule und eine finanziell gut ausgestattete zweite Säule der Gemeinsamen |
1979 | EU-Agrarpolitik. |
1980 | |
1981 | Regionen, in denen alternativlos nur Gründlandbewirtschaftung möglich ist sowie |
1982 | besonders benachteiligte Gebiete wie Berg-, Mittelgebirgs- und Steillagen- sowie |
1983 | sensible Grünlandgebiete müssen auch in Zukunft ausreichend bei der Förderung |
1984 | berücksichtigt werden. Die Sicherung des Dauergrünlandes als CO2-Senke ist |
1985 | ökologisch vorteilhaft und im Interesse der Milchbauern und der gesamten Gesell- |
1986 | schaft. |
1987 | |
1988 | Agrardiesel |
1989 | |
1990 | Wir werden auf europäischer Ebene auf eine einheitliche Besteuerung des Agrar- |
1991 | diesels hinwirken, um die Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirte zu be- |
1992 | seitigen. Bis dahin wollen wir die Steuerermäßigung beim Agrardiesel fortführen. |
1993 | |
1994 | Vermarktungsstrukturen und Marketing |
1995 | |
1996 | Wir werden schnellstmöglich ein Gesetz zur Abwicklung des Absatzfonds einbrin- |
1997 | gen. Wir werden die Absatzförderung deutscher Agrarprodukte auf internationalen |
1998 | Märkten ausbauen. Dabei gilt es insbesondere, die Interessen der kleinen und |
1999 | mittleren Unternehmen auf Exportmärkten zu unterstützen. |
2000 | |
2001 | Milchwirtschaft in Deutschland |
2002 | |
2003 | Die Weichen für das Auslaufen der EU-Milchquotenregelung im Jahr 2015 sind |
2004 | durch verschiedene Reformbeschlüsse auf EU-Ebene gestellt. Unser Ziel ist es, |
2005 | eine wettbewerbsfähige Milchwirtschaft in Deutschland zu erhalten. Aufgrund der |
2006 | derzeitigen Marktlage werden wir uns weiter für die Aussetzung der auf EU-Ebene |
2007 | beschlossenen Quotenerhöhungen einsetzen. Daher sind bis zum Jahr 2015 die |
2008 | notwendigen Anpassungsprozesse durch geeignete Maßnahmen zu flankieren. |
2009 | |
2010 | Wir werden die Mittel aus dem EU-Milchfonds für strukturverbessernde und ab- |
2011 | satzfördernde Maßnahmen einsetzen. |
2012 | |
2013 | Aufgrund der krisenbedingt aktuelle schwierigen Einkommenssituation werden wir |
2014 | ergänzend folgende Sofortmaßnahmen ergreifen: |
2015 | o Um aktuell drohende Flächenbrachen und damit verbunden unwiderrufliche |
2016 | Schäden für Natur und Kulturlandschaft zu verhindern wird ein zweijähriges |
2017 | "Grünlandmilchprogramm des Bundes" in Höhe von insgesamt 500 Millio- |
2018 | nen Euro aufgelegt. |
2019 | o Zur Vermeidung von Beitragserhöhungen bei der Landwirtschaftlichen Un- |
2020 | fallversicherung (LUV) in der aktuellen Krisensituation wird der Bundeszu- |
2021 | schuss in den Jahren 2010 und 2011 um insgesamt 200 Millionen Euro er- |
2022 | höht. |
2023 | o Für die beiden kommenden Jahre wird für die Landwirtschaft ein Krisen- |
2024 | Liquiditätshilfeprogramm mit Mitteln in Höhe von insgesamt 50 Millionen |
2025 | aufgelegt. |
2026 | Ökologischer Landbau |
2027 | |
2028 | Wir stehen für ein gleichberechtigtes Nebeneinander unterschiedlicher Wirt- |
2029 | schaftsmethoden von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Wir wollen |
2030 | den ökologischen Landbau insbesondere im Bereich Forschung fördern. |
2031 | |
2032 | Ehemalige Treuhandflächen |
2033 | |
2034 | Die Verwertung der Flächen der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH |
2035 | (BVVG) soll unter verstärkter Berücksichtigung agrarstruktureller Belange zügig |
2036 | vorangebracht und im Wesentlichen bis zum Jahr 2025 abgeschlossen werden. |
2037 | Die gegenwärtige Verkaufspraxis der BVVG wird überprüft. Wir setzen Verbesse- |
2038 | rungen beim Flächenerwerbsänderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer durch. |
2039 | |
2040 | Zulassung von Pflanzenschutzmitteln |
2041 | |
2042 | Zum besseren Schutz von Mensch, Tier und Umwelt wird das Zulassungsverfah- |
2043 | ren von Pflanzenschutzmitteln unter Beibehaltung der geltenden hohen Standards |
2044 | vereinfacht und beschleunigt. |
2045 | |
2046 | Forstwirtschaft |
2047 | |
2048 | Das Bundeswaldgesetz wird novelliert. Dabei sind folgende Punkte vorrangig zu |
2049 | regeln: die Verkehrssicherungspflicht, die Definition von Kurzumtriebsplantagen |
2050 | und die Vermarktungsmöglichkeit für forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse. Zu- |
2051 | dem wird die Charta für Holz weiterentwickelt. |
2052 | |
2053 | Bei der Anwendung der Beschaffungsrichtlinie des Bundes wollen wir eine Gleich- |
2054 | behandlung beider Zertifizierungssysteme für Holz. |
2055 | |
2056 | Bundesjagdgesetz |
2057 | |
2058 | Damit Jäger ihren Auftrag zur nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen |
2059 | zu Gunsten der Erhaltung der Biodiversität nachkommen können, treten wir dafür |
2060 | ein, das Bundesjagdgesetz grundsätzlich in seiner jetzigen Form zu erhalten. |
2061 | |
2062 | Fischerei |
2063 | |
2064 | Wir unterstützen eine nachhaltige Binnen-, See-, Küsten- und Kutterfischerei, die |
2065 | Bestände erhält, artgerecht ist und den Tierschutz sichert. Wir werden die Rah- |
2066 | menbedingungen für eine nachhaltige Aquakultur verbessern und auf europäi- |
2067 | scher Ebene auf die Erstellung eines Managementplans für Kormorane drängen. |
2068 | Wir treten mit Nachdruck für die Einhaltung des internationalen Walfangverbots |
2069 | ein. |
2070 | |
2071 | Grüne Gentechnik |
2072 | |
2073 | Die Biotechnologie stellt eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung, Wirtschaft |
2074 | und Landwirtschaft dar, die bereits weltweit etabliert ist. Deshalb wollen wir die |
2075 | verantwortbaren Potentiale der grünen Gentechnik nutzen. Der Schutz von |
2076 | Mensch und Umwelt bleibt oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. |
2077 | |
2078 | Wir treten für eine stärkere Wissenschaftsorientierung und effiziente Zulassungs- |
2079 | verfahren von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf EU-Ebene ein. |
2080 | |
2081 | Wir schaffen die rechtlichen Vorraussetzungen, damit die Bundesländer innerhalb |
2082 | eines bundeseinheitlichen Rahmens von Kriterien flexibel eigenständig Abstände |
2083 | festlegen können, die zwischen Feldern mit genetisch veränderten Pflanzen und |
2084 | solchen mit konventionellem oder ökologischem Anbau einzuhalten sind. |
2085 | |
2086 | Beim erlassenen Anbauverbot für die gentechnisch veränderte Maissorte MON810 |
2087 | wird der Ausgang des Gerichtsverfahrens abgewartet. Der Anbau der gentech- |
2088 | nisch veränderten Stärkekartoffel Amflora für eine kommerzielle, industrielle Ver- |
2089 | wertung wird unterstützt. |
2090 | |
2091 | Um eine für Wirtschaft und Überwachung praktikable Anwendung der im Gemein- |
2092 | schaftsrecht der EU festgelegten Nulltoleranz für nicht in der EU zugelassene |
2093 | GVO zu ermöglichen, werden wir das Gentechnikgesetz und das EG- |
2094 | Gentechnikdurchführungsgesetz ändern. Dort werden wir eine Ermächtigung |
2095 | schaffen, um offizielle Probenahme- und Nachweismethoden festzulegen. |
2096 | |
2097 | Zur Schaffung einer umfassenden Verbrauchertransparenz streben wir eine Posi- |
2098 | tivkennzeichnung (Prozesskennzeichnung) auf europäischer Ebene an. |
2099 | |
2100 | Tierschutz und Tiergesundheit |
2101 | |
2102 | Der Tierschutz hat eine zentrale Bedeutung. Wir setzen uns für artgerechte Tier- |
2103 | haltung und -ernährung ein. Wir wollen den Tierschutz in der landwirtschaftlichen |
2104 | Nutztierhaltung im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit voranbringen. Zur Verringe- |
2105 | rung von Tierversuchen werden wir die Entwicklung von Ersatzmethoden weiter |
2106 | fördern. Erfolgreicher Tierschutz kann insbesondere auch auf europäischer und |
2107 | internationaler Ebene verwirklicht werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Tier- |
2108 | transportzeiten in der EU weiter begrenzt werden. |
2109 | |
2110 | Ländliche Räume |
2111 | |
2112 | Wir stehen für starke, lebenswerte ländliche Räume sowie eine gleichwertige Ent- |
2113 | wicklung von ländlichen Regionen und städtischen Ballungszentren. Wir werden |
2114 | dem verstärkten demographischen Wandel vermehrt Aufmerksamkeit widmen. |
2115 | |
2116 | Wir wollen die Vielfalt der ländlichen Räume erhalten sowie deren Stärken und |
2117 | Wirtschaftskraft fördern. Wir werden dafür insbesondere die Gemeinschaftsaufga- |
2118 | ben zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Agrarstruktur sowie |
2119 | weitere Infrastrukturmaßnahmen zur Unterstützung der ländlichen Regionen aus- |
2120 | bauen und verstärkt gemeinsam zielorientiert einsetzen. |
2121 | |
2122 | Wir werden das Landwirtschaftsgesetz in Richtung eines modernen Gesetzes für |
2123 | die Landwirtschaft und den ländlichen Raum weiterentwickeln und das Ziel einer |
2124 | flächendeckenden, nachhaltigen Landbewirtschaftung in Deutschland festschrei- |
2125 | ben. Wir werden einen Maßnahmenkatalog zur Reduzierung des Verlusts land- |
2126 | wirtschaftlicher Nutzflächen vorlegen und den Verlust landwirtschaftlicher Flächen |
2127 | durch Siedlung, Verkehr oder ökologische Ausgleichsflächenregelungen eindäm- |
2128 | men. Das Flächenmanagement für Ausgleichsflächen muss verbessert werden. |
2129 | |
2130 | Branntweinmonopol |
2131 | |
2132 | Wir setzen uns auf EU-Ebene dafür ein, dass das Branntweinmonopol durch Ver- |
2133 | längerung der am 31.12.2010 endenden beihilferechtlichen Ausnahmeregelung |
2134 | bis 2017 fortbestehen wird. |
2135 | |
2136 | Deutsche Weinbaukultur |
2137 | |
2138 | Wir setzen uns für den Erhalt der Qualität unserer Weinproduktion, die Wahrung |
2139 | der Herkunftskennzeichnung als Erkennungsmerkmal für Verbraucher und die Si- |
2140 | cherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ein. Wir setzen auf den Erhalt |
2141 | der Pflanzrechte, eine effektive Gemeinschaftswerbung und Exportförderung. |
2142 | |
2143 | 4.7 Dienstleistungen |
2144 | |
2145 | Tourismus |
2146 | |
2147 | Wir werden den Tourismusstandort Deutschland stärken und zusätzliche Wachs- |
2148 | tumspotentiale der Tourismuswirtschaft als Jobmotor der Zukunft freisetzen. Dazu |
2149 | werden die touristischen Rahmenbedingungen verbessert und die Tourismuspoli- |
2150 | tischen Leitlinien der Bundesregierung fortentwickelt. |
2151 | |
2152 | Wettbewerbsverzerrungen und Bürokratiebelastungen werden so weit wie möglich |
2153 | reduziert. Die Regelungen zur Mehrwertsteuer werden auch mit Blick auf Belas- |
2154 | tungen für den Tourismus und dessen europäische Wettbewerbssituation struktu- |
2155 | rell überprüft. |
2156 | |
2157 | Investitionen in touristische Einrichtungen werden gefördert. Dazu wird das vor- |
2158 | handene Instrumentarium genutzt und gegebenenfalls optimiert. |
2159 | |
2160 | Ausbildungshemmnisse im Gastgewerbe werden durch ein flexibleres Jugendar- |
2161 | beitsschutzgesetz abgebaut. Die Mittel für die Deutsche Zentrale für Tourismus |
2162 | werden auf hohem Niveau stabilisiert sowie der Messe- und Kongressstandort |
2163 | Deutschland gestärkt. |
2164 | |
2165 | Wir verankern das Ziel der Barrierefreiheit stärker in allen Bereichen, vernetzen |
2166 | Kultur und Tourismus enger, erstellen eine Tourismuskonzeption für den ländli- |
2167 | chen Raum, verbessern die Rahmenbedingungen für Kurorte und Heilbäder und |
2168 | prüfen eine Neuregelung der Kabelweiterleitung zugunsten von Hotels. |
2169 | |
2170 | Die Bund-Länder-Zusammenarbeit wird intensiviert mit dem Ziel, Verbesserungen |
2171 | bei den in der Länderzuständigkeit liegenden Rahmenbedingungen zu erreichen, |
2172 | wie z. B. bei den Gaststättengesetzen, Entlastungen bei den Rundfunkgebühren |
2173 | sowie eine Ausweitung des Gesamtzeitraums der Sommerferien. |
2174 | |
2175 | Gesundheitswirtschaft |
2176 | |
2177 | Angesichts der demographischen Entwicklung wird die Gesundheitswirtschaft er- |
2178 | heblich an Bedeutung gewinnen. Wir wollen die Möglichkeiten ausbauen, dass |
2179 | auch außerhalb des gesetzlich finanzierten Bereichs Gesundheits- und Pflegeleis- |
2180 | tungen angeboten werden können. Dafür bedarf es einer Verbesserung der wett- |
2181 | bewerblichen Strukturen. Außerdem wollen wir Innovationskraft und Investitions- |
2182 | bereitschaft der deutschen Medizintechnik stärken. |
2183 | |
2184 | Kreativwirtschaft |
2185 | |
2186 | Wir werden die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft fortführen und ausbauen. |
2187 | Besondere Schwerpunkte bei der weiteren Umsetzung werden die Schaffung von |
2188 | Unterstützungsangeboten zur Professionalisierung von Künstlern und Kreativen |
2189 | sowie die Förderung innovativer Projekte und Geschäftsmodelle sein. |
2190 | |
2191 | 5. Faire Regeln für die Weltwirtschaft |
2192 | |
2193 | Finanzmärkte |
2194 | |
2195 | Ein leistungsfähiges und stabiles Finanzsystem ist für die wirtschaftliche Entwick- |
2196 | lung unseres Landes essentiell. Es sichert den nachfrage- und risikogerechten |
2197 | Zugang zu nationalen und internationalen Finanzmitteln. Es bietet institutionellen |
2198 | Investoren und vorsorgeorientierten Privatpersonen kosteneffiziente Anlagemög- |
2199 | lichkeiten. Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Ent- |
2200 | wicklung sind weitere Reformen im Finanzsektor geboten. Hierzu zählt die struktu- |
2201 | relle Verbesserung privater und hoheitlicher Aufsichtssysteme ebenso wie die |
2202 | Stärkung langfristiger Wachstumskräfte durch wettbewerbsorientierte Reformen. |
2203 | Für uns ist ein transparenter Finanzmarkt Grundlage für die freien Entscheidungen |
2204 | der einzelnen Bürger. |
2205 | |
2206 | Um Finanzmarktkrisen, wie wir sie derzeit erfahren, in Zukunft zu vermeiden, |
2207 | müssen die grundlegenden Prinzipen der sozialen Marktwirtschaft wie Haftung |
2208 | und Verantwortung wieder stärker das Handeln der Finanzmarktakteure bestim- |
2209 | men. National und international muss ein Ordnungsrahmen gelten, der diesen |
2210 | Prinzipien gerecht wird. Unser Ziel ist es, dass die Akteure auf den Finanzmärkten |
2211 | nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen, wie sie vor der Krise zu beo- |
2212 | bachten waren. Die Einhaltung des europäischen Stabilitätspakts hat für uns Prio- |
2213 | rität. Gleiches gilt für die Wahrung der Unabhängigkeit der Deutschen Bundes- |
2214 | bank und der Europäischen Zentralbank. Wir werden uns mit aller Vehemenz da- |
2215 | für einsetzen, Finanzmarktrisiken sowie Inflationsgefahren zu vermeiden. Deutsch- |
2216 | land wird Initiativen ergreifen, um auf europäischer und internationaler Ebene eine |
2217 | Vorreiterrolle bei der Vermeidung zukünftiger Krisen wahrzunehmen. Denn in Zu- |
2218 | kunft darf es kein Finanzmarktprodukt, keinen Finanzmarktakteur und keinen Fi- |
2219 | nanzmarkt geben, die nicht reguliert und beaufsichtigt sind. Zudem werden wir für |
2220 | eine effektivere und stringentere Regulierung und Aufsicht national und internatio- |
2221 | nal sorgen. |
2222 | |
2223 | Dazu werden wir insbesondere folgende Maßnahmen ergreifen: |
2224 | |
2225 | Das dreigliedrige Bankensystem von Privatbanken, Volks- und Raiffeisenbanken |
2226 | und Sparkassen unterstützen wir. Unsere Bürgerinnen und Bürger profitieren von |
2227 | dieser wettbewerbsintensiven Bankenlandschaft. Wir werden uns daher dafür ein- |
2228 | setzen, dass in der Bankenregulierung - nach Überwindung der Krise - die Kapi- |
2229 | talanforderungen differenziert nach Risiko und Systemrelevanz verstärkt werden, |
2230 | um die Banken in die Lage zu versetzen, in Krisenzeiten auftretende Verluste in |
2231 | größerem Umfang selbst tragen zu können. Insbesondere werden wir uns dafür |
2232 | einsetzen, dass weltweit die systemrelevanten Banken höheres Eigenkapital vor- |
2233 | halten müssen, welches das hohe Risiko, das diese Institute für das gesamte Fi- |
2234 | nanzsystem darstellen, berücksichtigt. Zugleich setzen wir uns auf nationaler und |
2235 | internationaler Ebene dafür ein, dass bei der Intensität der Regulierung und der |
2236 | Aufsicht über Finanzinstitute stärker nach dem Risiko und der Systemrelevanz des |
2237 | einzelnen Instituts differenziert wird sowie bei den qualitativen Anforderungen an |
2238 | das Eigenkapital auf nationale Besonderheiten Rücksicht genommen wird. |
2239 | |
2240 | In Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs muss eine Kreditklemme verhindert |
2241 | werden; die Kreditwirtschaft muss sich ihrer Verantwortung als Finanzierungsge- |
2242 | ber der deutschen Wirtschaft bewusst sein. Wir werden uns dafür einsetzen, dass |
2243 | die in den derzeit geltenden internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS |
2244 | und in den Basel-II-Eigenkapitalregeln angelegten prozyklischen Wirkungen ab- |
2245 | gemildert werden. |
2246 | |
2247 | Wir wollen verhindern, dass Staaten in Zukunft von systemrelevanten Instituten zu |
2248 | Rettungsmaßnahmen gezwungen werden können. Wir werden daher geeignete |
2249 | rechtliche Instrumentarien für ein Restrukturierungs- sowie Abwicklungsverfahren |
2250 | einführen, um zeitlich vor Eintritt einer Insolvenz in Schieflage geratene systemre- |
2251 | levante Unternehmen des Finanzsektors entweder finanzmarktschonend abwi- |
2252 | ckeln oder nachhaltig stabilisieren zu können. Wir müssen hierzu auch auf natio- |
2253 | naler, europäischer und internationaler Ebene abgestimmte Lösungsmechanismen |
2254 | entwickeln und umsetzen. |
2255 | |
2256 | Um eine angemessene Aufsicht und Regulierung aller systemisch wichtigen Fi- |
2257 | nanzinstitute, -märkte und -instrumente sicherzustellen, sollten alle alternativen |
2258 | Investmentfonds, zum Beispiel Hedge Fonds, und deren Manager einem internati- |
2259 | onal abgestimmten Regelwerk unterworfen werden. Dabei ist den Besonderheiten |
2260 | der deutschen Fondstypen Rechnung zu tragen. |
2261 | |
2262 | Die Ratingagenturen sind mit Schuld an der internationalen Finanzkrise. Deshalb |
2263 | brauchen wir für die Zukunft neben einer effektiven Aufsicht Mindeststandards und |
2264 | Sanktionsmöglichkeiten. Ratingagenturen dürfen nicht zeitgleich Finanzprodukte |
2265 | entwickeln, vertreiben und bewerten. Derartige Interessenkonflikte sind für die Zu- |
2266 | kunft auszuschließen. Wir setzen uns für die Entwicklung einer europäischen Ra- |
2267 | tingagentur ein. |
2268 | |
2269 | Wir prüfen die Einrichtung einer unabhängigen Stiftung für Finanzprodukte nach |
2270 | dem Muster der Stiftung Warentest. |
2271 | |
2272 | Wir wollen die Standardisierung von forderungsbesicherten Wertpapieren voran- |
2273 | bringen. Wir werden die Möglichkeiten prüfen, durch ein Verbriefungsgesetz einen |
2274 | einheitlichen und transparenten Standard zu setzen. |
2275 | |
2276 | Wir streben eine Überarbeitung der internationalen Standards zur Rechnungsle- |
2277 | gung innerhalb der International Financial Reporting Standards an. In diesem Zu- |
2278 | sammenhang verfolgen wir das Ziel, dass die deutsche Sichtweise des Handels- |
2279 | gesetzbuchs im International Accounting Standards Board stärker repräsentiert ist |
2280 | und die demokratische Legitimation bei der Setzung der Rechnungslegungsstan- |
2281 | dards erzielt wird. |
2282 | |
2283 | Wir unterstützen die Aufgaben des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoF- |
2284 | Fin) und werden die parlamentarischen Kontrollrechte weiterentwickeln. Die staat- |
2285 | lichen Stabilisierungsmaßnahmen werden auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und |
2286 | gegebenenfalls bedarfsgerecht verbessert. Um Wettbewerbsverzerrungen zu |
2287 | vermeiden, sollten staatliche Stützungsmaßnahmen unter Wahrung der Interessen |
2288 | der Steuerzahler nach Ablauf der Krise zügig zurückgeführt werden. |
2289 | |
2290 | Regulierung braucht eine effektive Aufsicht. Wir setzen uns auf europäischer Ebe- |
2291 | ne für eine Vereinheitlichung der Aufsichts- und Prüfungsstandards in der Ge- |
2292 | meinschaft ein. Die nationalen Kompetenzen und das Etatrecht bleiben unberührt. |
2293 | |
2294 | Wir werden die Bankenaufsicht in Deutschland bei der Deutschen Bundesbank |
2295 | zusammenführen. Die Standorte der bisherigen Bundesanstalt für Finanzdienst- |
2296 | leistungsaufsicht stellen wir nicht in Frage. Der Umfang der bisherigen rechtlichen |
2297 | Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank wird durch die hinzukommenden ho- |
2298 | heitlichen Zuständigkeiten nicht berührt. Wir sorgen für eine schnelle Umsetzung |
2299 | der bereits begonnenen Reform der EU-Finanzmarktaufsicht. |
2300 | |
2301 | Solvency II als eines der wichtigen europäischen Projekte im Bereich der Finanz- |
2302 | dienstleistungswirtschaft ist so umzusetzen, dass der deutsche Versicherungs- |
2303 | markt gestärkt wird. |
2304 | |
2305 | Unser Ziel ist die Stärkung des Marktes für Beteiligungsunternehmen. Wir schaf- |
2306 | fen einen einheitlichen attraktiven Wagniskapitalmarkt in Deutschland. |
2307 | |
2308 | Bei Real Estate Investment Trusts sind überflüssige Hemmschwellen für den |
2309 | deutschen Markt abzubauen, ohne die schutzbedürftigen Interessen der Verbrau- |
2310 | cher zu vernachlässigen. |
2311 | |
2312 | Das Investmentrecht werden wir überarbeiten und krisenverschärfende Regelun- |
2313 | gen in einem Ausgleich der Interessen von Anlegern und Anbietern überarbeiten. |
2314 | |
2315 | Wir unterstützen marktwirtschaftliche Produkte wie Mikrofinanzfonds und werden |
2316 | bestehenden Hemmschwellen abbauen. |
2317 | |
2318 | Außenwirtschaft |
2319 | |
2320 | Eine offene, regelgebundene Weltwirtschaft ist der beste Garant für weltweiten |
2321 | Wohlstand und weltweite Sicherheit. |
2322 | |
2323 | Zur langfristigen Wachstums- und Wohlstandssicherung in Deutschland leistet die |
2324 | Außenwirtschaftspolitik einen wesentlichen Beitrag. In der Handelspolitik bekämp- |
2325 | fen wir jede Art des Protektionismus und setzen uns nachhaltig für weitere Markt- |
2326 | öffnung ein. In der Außenwirtschaftsförderung sorgen wir verstärkt dafür, dass |
2327 | deutsche Unternehmen sich auch im drastisch verschärften Wettbewerb auf den |
2328 | Märkten gegenüber ihren Konkurrenten erfolgreich behaupten können. |
2329 | |
2330 | Weltwirtschaft und Welthandel in einer globalisierten Welt bedürfen klarer Regeln, |
2331 | die allen Ländern eine faire Chance geben, die Integration der Entwicklungsländer |
2332 | in die Weltwirtschaft fördern und zur nachhaltigen Rohstoffversorgung beitragen. |
2333 | Der Königsweg für die weitere Liberalisierung des Handels mit Waren und Dienst- |
2334 | leistungen liegt im multilateralen Ansatz der WTO. Ein zügiger und ehrgeiziger |
2335 | Abschluss der Doha-Welthandelsrunde hat absoluten Vorrang. Gerade dem deut- |
2336 | schen Mittelstand, der traditionell auf den Auslandsmärkten besonders aktiv ist, |
2337 | erleichtern wir so die Teilhabe am Welthandel. Die WTO-Regeln müssen weiter |
2338 | ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist auch eine Effektivierung des |
2339 | Streitschlichtungsmechanismus unter Beteiligung des WTO-Generalsekretärs an- |
2340 | zustreben. |
2341 | |
2342 | Ergänzend hierzu setzen wir uns für bilaterale Freihandelsabkommen mit den dy- |
2343 | namischen Ländern und Regionen ein, die als sog. WTO-plus-Abkommen insbe- |
2344 | sondere auch den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse und die Einbeziehung |
2345 | weiterer handelsbezogener Themen wie Wettbewerb und öffentliches Beschaf- |
2346 | fungswesen zum Ziel haben und die - WTO-konform - als Wegbereiter möglicher |
2347 | späterer Erweiterungen des Welthandelssystems ausgestaltet werden. |
2348 | |
2349 | Außenwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit müssen besser aufeinander |
2350 | aufbauen und optimal ineinander greifen. Entwicklungspolitische Entscheidungen |
2351 | müssen die Interessen der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, |
2352 | angemessen berücksichtigen. Bei Auftragsvergabe sollen die Auslandshandels- |
2353 | kammern über die Aufträge der Entwicklungsorganisationen rechtzeitig informiert |
2354 | werden. |
2355 | |
2356 | Deutschland ist auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Investoren aus |
2357 | aller Welt sind uns sehr willkommen. Darum werden wir unser Investitionsmarke- |
2358 | ting verstärken. Die zuletzt geschaffene Änderung des AWG wird nur im Ausnah- |
2359 | mefall angewandt und insgesamt nach einem Jahr im Hinblick auf seine Wirkung |
2360 | überprüft. |
2361 | |
2362 | Die Entscheidungsverfahren für die Garantien für Exportkredite, Investitionen und |
2363 | ungebundene Finanzkredite werden beschleunigt und vorrangig an der Sicherung |
2364 | des Standortes Deutschland und der Förderung von Wirtschaft und Beschäftigung |
2365 | im Inland ausgerichtet. Einzelentscheidungen und Deckungspolitik werden an den |
2366 | international vereinbarten Regeln und Leitlinien ausgerichtet. Diese werden zur |
2367 | Sicherung fairer Bedingungen im internationalen Wettbewerb weiterentwickelt. Für |
2368 | den Umweltbereich sind die OECD-Umweltleitlinien alleiniger Maßstab bei der |
2369 | Prüfung von Anträgen auf Exportkreditgarantien. |
2370 | |
2371 | Das Außenwirtschaftsrecht (Außenwirtschaftsgesetz [AWG] und Außenwirt- |
2372 | schaftsverordnung [AWV]) wird entschlackt und übersichtlicher ausgestaltet. Es |
2373 | werden Vorschriften gestrichen, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europä- |
2374 | ischen Konkurrenten benachteiligen. Bei der Anwendung des Außenwirtschafts- |
2375 | rechts muss der internationalen Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft |
2376 | mehr als bisher Rechnung getragen werden. Es wird hier ein "level-playing-field" |
2377 | geschaffen. |
2378 | |
2379 | Es bleibt bei der verantwortungsbewussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr |
2380 | von Rüstungsgütern. Um faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirt- |
2381 | schaft zu gewährleisten, wird eine Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik |
2382 | der anderen EU-Staaten auf hohem Niveau angestrebt. Auch beim Export von |
2383 | Dual Use-Gütern wird die deutsche Genehmigungspraxis in diesem Sinne ange- |
2384 | glichen. Bürokratische Hemmnisse werden abgebaut und die Verfahren beschleu- |
2385 | nigt. Steht eine zivile Verwendung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich- |
2386 | keit fest, ist eine Genehmigung zu erteilen. |
2387 | |
2388 | Die im März 2005 auf nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung konzentrierte |
2389 | Lissabon-Strategie sollte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unter- |
2390 | nehmen auch in der Zeit nach 2010 mit gleicher Fokussierung fortgesetzt werden. |
2391 | Angesichts der Wirtschaftskrise besteht die Notwendigkeit langfristig angelegter |
2392 | struktureller Reformen fort. Im Einzelnen heißt dies: Wir setzen uns für die Beibe- |
2393 | haltung der vier prioritären Bereiche (Forschung und Entwicklung, Stärkung des |
2394 | Unternehmenspotentials, insbesondere für KMU, mehr Beschäftigung schaffen, |
2395 | Klima und Energie) ein. |
2396 | |
2397 | Der Zugang zu Rohstoffen und deren verlässliche Verfügbarkeit sind für die deut- |
2398 | sche Industrie mit ihren Produkten der Hoch- und Spitzentechnologie von beson- |
2399 | derer Bedeutung und unverzichtbare Ziele der Außenwirtschaftspolitik. |
2400 | |
2401 | 6. Deutsche Einheit |
2402 | |
2403 | Die Koalition wird die Deutsche Einheit weiterhin voranbringen. Wir halten an der |
2404 | Zielsetzung fest, die Lebensverhältnisse in Deutschland bis 2019 bundesweit |
2405 | weitgehend anzugleichen. Unser Ziel ist das schnelle Erreichen einer möglichst |
2406 | hohen Steuerdeckungsquote der ostdeutschen Länder. Die Steigerung der Wirt- |
2407 | schaftskraft und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit bleiben die zentralen Ziele. |
2408 | Die Koalition bekennt sich zur Einhaltung der Mittelzusagen aus dem Solidarpakt II |
2409 | und erwartet ihre bestimmungsgemäße Verwendung. |
2410 | |
2411 | Um die Wirksamkeit der Förderung insbesondere für Wachstum und Beschäfti- |
2412 | gung in den ostdeutschen Ländern zu erhöhen, werden wir die Förderinstrumente |
2413 | für den Aufbau Ost evaluieren. |
2414 | Darüber hinaus benötigen die Bundesländer den Spielraum, um den regionalen |
2415 | Besonderheiten gerecht zu werden. Die Koalition vereinbart, eine Expertenkom- |
2416 | mission einzurichten, deren Vorschläge in Modellregionen umgesetzt werden sol- |
2417 | len. |
2418 | Die Koalition setzt sich dafür ein, angemessene Übergangsregelungen für die Re- |
2419 | gionen zu finden, die ab 2014 aus der Höchstförderung der Strukturfonds heraus- |
2420 | fallen. |
2421 | |
2422 | Das Fördergefälle zwischen vergleichbaren Regionen mit Wettbewerbsnachteilen |
2423 | ist in der EU und innerhalb Deutschlands zu mindern. |
2424 | |
2425 | 20 Jahre nach der Wiedervereinigung wollen wir die Aufteilung des Finanzvermö- |
2426 | gens gemäß Art. 22 des Einigungsvertrages im Einvernehmen mit den Neuen |
2427 | Ländern regeln. |
2428 | |
2429 | Innovationsstandort |
2430 | |
2431 | Zur Stärkung der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft und zur Vernetzung von Wirt- |
2432 | schaft und Wissenschaft wird die Koalition die Unterstützung aus den Förderpro- |
2433 | grammen "Unternehmen Region" und "Zentrales Innovationsprogramm Mit- |
2434 | telstand" auf hohem Niveau stabilisieren und fortführen. Die Innovationsförderung |
2435 | ist stärker auf den Wissenstransfer auszurichten und anwendungsbezogener zu |
2436 | gestalten. Zum Ausbau des Hochschul- und Forschungsstandortes wird das Pro- |
2437 | gramm "Spitzenforschung und Innovation" fortgeführt. |
2438 | |
2439 | Die Koalition verständigt sich darauf, im Jahr 2011 die Ausgestaltung der Degres- |
2440 | sion der Investitionszulage zu prüfen. |
2441 | |
2442 | Wir werden die außeruniversitären, gemeinnützigen Forschungseinrichtungen in |
2443 | den ostdeutschen Ländern evaluieren und auf dieser Grundlage in Abstimmung |
2444 | mit den Ländern entscheiden, welche Institute in die von Bund und Länder geför- |
2445 | derten Forschungsorganisationen eingegliedert werden sollen. |
2446 | |
2447 | Bei der Einrichtung neuer Forschungseinrichtungen werden wir die ostdeutschen |
2448 | Länder angemessen berücksichtigen. |
2449 | |
2450 | Wir setzen uns mit besonderer Priorität für die Ansiedlung eines Forschungsinsti- |
2451 | tuts zur nachhaltigen und sicheren Rohstoffversorgung mit Standort in den Neuen |
2452 | Ländern ein, das der gesamten Wertschöpfungskette von der Erkundung und Ge- |
2453 | winnung der Rohstoffe über ihre Aufbereitung und Veredelung bis hin zum Recyc- |
2454 | ling gewidmet ist. |
2455 | |
2456 | Fachkräfte und Qualifizierung |
2457 | |
2458 | Vor dem Hintergrund der schon bestehenden Probleme bei der Besetzung von |
2459 | Ausbildungsplätzen und Stellen für Hochqualifizierte und der demographischen |
2460 | Perspektiven wird die Bundesregierung im Rahmen einer "Zukunftsinitiative Fach- |
2461 | kräftesicherung" vorrangig zusammen mit den ostdeutschen Ländern, Kammern |
2462 | und Sozialpartnern regionsspezifische Handlungsansätze zur Verbesserung des |
2463 | Fachkräfteangebot entwickeln. |
2464 | |
2465 | Investitionsförderung und Wettbewerbsfähigkeit |
2466 | |
2467 | Damit die Wirtschaft, insbesondere die Industrie, wieder an die hohe Wachstums- |
2468 | dynamik vor der Krise anknüpfen kann, wird die Bundesregierung die Investitions- |
2469 | förderung aus der Gemeinschaftsaufgabe "Regionale Wirtschaft" in Regionen mit |
2470 | Wettbewerbsnachteilen - unbeschadet der konjunkturbedingten Aufstockung bis |
2471 | 2011 - mittelfristig auf dem Niveau des Jahres 2008 fortführen. |
2472 | |
2473 | Die Koalition wird zusammen mit den jeweiligen ostdeutschen Ländern Zukunfts- |
2474 | konzepte für Regionen mit industriellen Kernen erarbeiten, die von der aktuellen |
2475 | Wirtschaftskrise besonders betroffen sind. Das Instrument der Branchenkonferen- |
2476 | zen wird fortgeführt, um gemeinsam mit der Wirtschaft das Profil des Wirtschafts- |
2477 | und Technologiestandortes Ostdeutschland weiter zu schärfen. |
2478 | |
2479 | Überregionale Verkehrsinfrastruktur |
2480 | |
2481 | Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) sind für den wirtschaftlichen Auf- |
2482 | schwung in den neuen Ländern von besonderer Bedeutung. Die Koalition strebt |
2483 | an, die VDE der Straße bis 2010 und der Schiene bis 2017 fertig zu stellen. |
2484 | Für eine konkurrenzfähige Anbindung der Seehäfen an die Staaten Südosteuro- |
2485 | pas werden wir das Ziel verfolgen, eine leistungsfähige Schienenverkehrsverbin- |
2486 | dung von der Ostsee unter Einbeziehung der Bundeshauptstadt nach Südosteu- |
2487 | ropa zu errichten. |
2488 | |
2489 | Aktive Arbeitsmarktpolitik |
2490 | |
2491 | Die Koalition wird zum Abbau der in strukturschwachen Regionen - vor allem Ost- |
2492 | deutschlands - überproportionalen Langzeitarbeitslosigkeit die Voraussetzungen |
2493 | dafür schaffen, dass neue Lösungsansätze des "Förderns und Forderns" in größe- |
2494 | ren Kommunen erprobt werden können. Das Prinzip wird konsequent und für die |
2495 | öffentliche Hand kostenneutral umgesetzt. |
2496 | |
2497 | Übergreifende Demographiepolitik - Daseinsvorsorge |
2498 | |
2499 | Die demographischen Entwicklungen wirken sich in den neuen Ländern früher und |
2500 | schneller aus als in Westdeutschland, sind jedoch heute schon auch für Deutsch- |
2501 | land insgesamt von grundlegender Bedeutung. Die Koalition wird dazu bis 2012 |
2502 | eine ressortübergreifende Demographiestrategie erarbeiten. |
2503 | |
2504 | Die Koalition wird ein Handlungskonzept mit den Ländern zur Verringerung von |
2505 | Abwanderung und Sicherung der privaten und öffentlichen Infrastruktur in vom |
2506 | demographischen Wandel besonders betroffenen ländlichen Räumen entwickeln |
2507 | und abstimmen, insbesondere zu den Bereichen Gesundheitsversorgung, wohn- |
2508 | ortnahe Bildungsangebote, Sicherung von Mobilität, leistungsfähiger Internetzu- |
2509 | gang und Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit. Dabei unterliegen die |
2510 | nichthoheitlichen Aufgaben dem Vergaberecht. |
2511 | |
2512 | Die Aufarbeitung der Umweltlasten der ehemaligen DDR ist eine Generationen- |
2513 | aufgabe. Die Sanierung der ehemaligen Braunkohleabbaugebiete und der Wis- |
2514 | mut-Altstandorte wird über das Jahr 2012 hinaus haushalterisch gesichert und |
2515 | fortgeführt. |
2516 | |
2517 | Neue Bundeseinrichtungen sollen in den neuen Ländern angesiedelt werden. Die |
2518 | Beschlüsse der unabhängigen Föderalismuskommission gelten fort. Der Beauf- |
2519 | tragte der Bundesregierung für die neuen Länder ist frühzeitig in die Standort- |
2520 | entscheidungen einzubeziehen. |
2521 | |
2522 | Freiheits- und Einheitsdenkmal |
2523 | |
2524 | Zur Erinnerung an den 17. Juni 1953 und den Herbst 1989 werden wir auf der Ber- |
2525 | liner Schlossfreiheit ein Nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal errichten und |
2526 | die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig unterstützen. |
2527 | |
2528 | Opferrente für erlittenes SED-Unrecht |
2529 | |
2530 | Mit dem Ende der DDR hat sich das vereinte Deutschland der Aufgabe gestellt, |
2531 | das von SED und Staatssicherheit begangene Unrecht auszugleichen. Wir werden |
2532 | das System der Rehabilitierung und Entschädigung laufend überprüfen und offen- |
2533 | barem Regelungsbedarf mit dem Ziel, die rehabilitierungsrechtliche Situation von |
2534 | Betroffenen zu verbessern, Rechnung tragen. |
2535 | |
2536 | II. BILDUNGSREPUBLIK DEUTSCHLAND |
2537 | Durch gute Bildung und starke Forschung |
2538 | |
2539 | Bildung ist Bedingung für die innere und äußere Freiheit des Menschen. Sie |
2540 | schafft geistige Selbständigkeit, Urteilsvermögen und Wertebewusstsein. Bildung |
2541 | und Forschung sind Grundlagen des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts. |
2542 | Bildung ist Voraussetzung für umfassende Teilhabe des Einzelnen in der moder- |
2543 | nen Wissensgesellschaft. Bildung ist daher für uns Bürgerrecht. Deswegen sagen |
2544 | wir der Bildungsarmut den Kampf an. |
2545 | |
2546 | Dazu bedarf es einer nationalen Anstrengung. Wir wollen mehr Chancengerech- |
2547 | tigkeit am Start, Durchlässigkeit und faire Aufstiegschancen für alle ermöglichen. |
2548 | Wir wollen Deutschland zur Bildungsrepublik machen, mit den besten Kinderta- |
2549 | gesstätten, den besten Schulen und Berufsschulen sowie den besten Hochschu- |
2550 | len und Forschungseinrichtungen. |
2551 | |
2552 | Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und bedarf einer engen Partnerschaft |
2553 | aller Verantwortlichen entlang der gesamten Bildungskette. Wir streben daher eine |
2554 | Bildungspartnerschaft von Bund, Ländern und Kommunen unter Wahrung der je- |
2555 | weiligen staatlichen Zuständigkeit an. Wir erhöhen die Ausgaben des Bundes für |
2556 | Bildung und Forschung bis 2013 um insgesamt 12 Mrd. Euro. Wir werden Maß- |
2557 | nahmen ergreifen, die es zudem Ländern, Wirtschaft und Privaten erleichtern, ihre |
2558 | jeweiligen Beiträge bis spätestens 2015 ebenfalls auf das 10 Prozent-Niveau an- |
2559 | zuheben. Im Gegenzug streben wir mit den Ländern verbindliche Vereinbarungen |
2560 | zur Umsetzung der Qualifizierungsinitiative wie zur Bildungsmobilität, insbesonde- |
2561 | re zu Fragen von Zulassung und Anerkennung von Abschlüssen und Teilleistun- |
2562 | gen an. |
2563 | |
2564 | 1. Bildung |
2565 | |
2566 | 1.1 Bildungsbündnisse vor Ort |
2567 | |
2568 | Jeder fünfte Jugendliche in Deutschland hat so geringe Kompetenzen in Lesen |
2569 | und Mathematik, dass er Gefahr läuft, auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt |
2570 | kaum Chancen zu haben. Deshalb müssen wir präventiv und möglichst früh in der |
2571 | Bildungsbiografie ansetzen. |
2572 | |
2573 | Wir werden vor Ort Bildungsbündnisse aller relevanten Akteure - Kinder- und Ju- |
2574 | gendhilfe, Eltern, Schulen, Arbeitsförderung sowie Zivilgesellschaft - fördern, die |
2575 | sich mit diesem Ziel zusammenschließen. |
2576 | |
2577 | Wir werden ihre Arbeit unterstützen, indem jedes Bündnis ein Kontingent z. B. von |
2578 | Bildungsschecks zur Weitergabe an benachteiligte Kinder und Jugendliche erhält. |
2579 | |
2580 | 1.2 Sprache als Schlüssel für den Bildungsaufstieg |
2581 | |
2582 | Jedes Kind muss vor Schuleintritt die deutsche Sprache beherrschen. Deshalb |
2583 | unterstützen wir verbindliche bundesweit vergleichbare Sprachstandstests für alle |
2584 | Kinder im Alter von vier Jahren und bei Bedarf eine verpflichtende gezielte |
2585 | Sprachförderung vor der Schule sowie darüber hinausgehende unterrichtsbeglei- |
2586 | tende Sprachprogramme. |
2587 | |
2588 | 1.3 Bildungsfinanzierung |
2589 | |
2590 | Heute für die Zukunft finanziell vorsorgen; das möchten viele Eltern - und auch |
2591 | Großeltern oder Paten - mit Blick auf die Kinder. Am besten ist das Geld angelegt, |
2592 | wenn es der Bildung der Kinder zu Gute kommt. |
2593 | |
2594 | Deshalb werden wir jedem neu geborenen Kind beispielsweise ein Zukunftskonto |
2595 | mit einem Startguthaben von 150 Euro einrichten und Einzahlungen bis zur Voll- |
2596 | jährigkeit mit einer Prämie unterstützen. |
2597 | |
2598 | Der Bildungsaufstieg darf an finanziellen Hürden nicht scheitern. Deshalb wollen |
2599 | wir mit dem Dreiklang aus BAföG, Bildungsdarlehen und Stipendien jungen Men- |
2600 | schen ein Studium ermöglichen. |
2601 | Wir wollen den Anteil der Stipendiaten mittelfristig von heute zwei auf zehn Pro- |
2602 | zent der Studierenden erhöhen. Die Stipendien sollen ausschließlich nach Bega- |
2603 | bung einkommensunabhängig vergeben werden. Hierzu werden wir gemeinsam |
2604 | mit den Ländern ein nationales Stipendienprogramm ins Leben rufen, mit dem wir |
2605 | von Universitäten und Fachhochschulen bei Wirtschaft und Privaten eingeworbene |
2606 | Stipendien in Höhe von 300 Euro im Monat von der BAföG-Anrechnung freistellen |
2607 | und bis zur Hälfte öffentlich bezuschussen. Die öffentliche Finanzierung soll dabei |
2608 | je zur Hälfte durch den Bund und die Länder erfolgen. |
2609 | |
2610 | Das bisherige Büchergeld der Begabtenförderungswerke wird auf 300 Euro ange- |
2611 | hoben und bleibt von der BAföG-Anrechnung befreit. |
2612 | |
2613 | Die erfolgreichen Aufstiegsstipendien werden wir ausbauen, um mehr beruflich |
2614 | Qualifizierte für ein Studium zu gewinnen. |
2615 | Wir erwarten von den Begabtenförderwerken, dass sie sich bislang unterrepräsen- |
2616 | tierten Gruppen stärker öffnen und unterstützen sie bei ihrem Engagement. |
2617 | |
2618 | Wir wollen das BAföG sichern und weiterentwickeln. Die Möglichkeit, Bildungskre- |
2619 | dite über das 30. Lebensjahr hinaus zu verlässlichen Konditionen zu erhalten, |
2620 | werden wir ausbauen. Wir setzen uns ein für eine frühzeitige Berufsorientierung |
2621 | und Studienberatung in der Schule, die auch die vielfältigen Möglichkeiten der |
2622 | Studienfinanzierung umfasst. |
2623 | |
2624 | 1.4 Qualität für Bildung und Erziehung |
2625 | |
2626 | Qualität in Bildung und Erziehung erfordert besonders gut ausgebildete Fachkräf- |
2627 | te. Wir werden deshalb verstärkt in die Weiterbildung von Erzieherinnen und Er- |
2628 | ziehern investieren und unterstützen die Länder bei der Ausweitung entsprechen- |
2629 | der Qualifizierungsangebote, auch auf akademischem Niveau. Wir werden dazu |
2630 | beitragen, die Lehrerausbildung an deutschen Hochschulen zu stärken. Der Erhö- |
2631 | hung der Medienkompetenz kommt dabei eine besondere Rolle zu. |
2632 | |
2633 | Von den Ländern erwarten wir, dass sie die Betreuungsrelationen in Schulen und |
2634 | Kindertagesstätten weiter verbessern, den vorgesehenen Unterricht garantieren, |
2635 | einheitliche Bildungs- und Leistungsstandards und die problemlose gegenseitige |
2636 | Anerkennung von Schul- und Bildungsabschlüssen gewährleisten sowie die Wei- |
2637 | terbildung des pädagogischen Personals ausbauen. |
2638 | |
2639 | Wir wollen die Beratung von Eltern sowie von Lehrerinnen und Lehrern hochbe- |
2640 | gabter Kinder besonders fördern. Hochbegabtenförderung muss früher beginnen. |
2641 | Von den Ländern erwarten wir, dass sie Instrumente der Diagnostik und Förde- |
2642 | rung in einem ganzheitlichen Sinn ausbauen. Insbesondere wollen wir die MINT- |
2643 | Kompetenzen (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Technik) stär- |
2644 | ken. |
2645 | |
2646 | 1.5 Qualität für Studium und Hochschule |
2647 | |
2648 | Wir setzen uns zum Ziel, die Studienanfängerquote weiter zu steigern. Künftig sol- |
2649 | len mehr Studienanfänger über die berufliche Bildung an die Hochschule kommen. |
2650 | Insbesondere müssen wir dafür Sorge tragen, dass mehr Studierende ihr Studium |
2651 | auch erfolgreich abschließen. |
2652 | |
2653 | Die Umsetzung des Bologna-Prozesses ist in Deutschland sehr weit vorange- |
2654 | kommen, die wesentlichen Ziele sind in weiten Teilen erreicht. Die Umsetzung des |
2655 | Bologna-Prozesses ist zu evaluieren, um mit den Hochschulen ggf. notwendige |
2656 | Anpassungen zum Wohl der Studierenden vorzunehmen. Gemeinsam mit den |
2657 | Ländern und den Hochschulen werden wir ein "Bologna-Qualitäts- und Mobilitäts- |
2658 | paket" schnüren, das die Studienreform zügig voranbringt und die Qualität des |
2659 | Studiums und die Mobilität der Studierenden weiter verbessert. Kernelemente des |
2660 | Pakets sind die Weiterentwicklung der Studieninhalte, die Verbesserung der Lehre |
2661 | sowie der Betreuung und der Beratung der Studierenden; die Anerkennung von |
2662 | Studienleistungen und Hochschulabschlüssen muss national wie international ver- |
2663 | bessert werden. |
2664 | |
2665 | Wir verstärken unsere Anstrengungen, die Besten für ein Studium in Deutschland |
2666 | zu gewinnen. Wir werden die Länder bei der Umgestaltung der Zentralstelle für die |
2667 | Vergabe von Studienplätzen (ZVS) zu einer leistungsfähigen Servicestelle unter- |
2668 | stützen. Wir werden Hochschulen als Orte der Weiterbildung stärken und die Ein- |
2669 | richtung von Offenen Hochschulen prüfen. |
2670 | |
2671 | Wir unterstützen die Länder in dem Ziel, Freiheit und Autonomie der Hochschulen |
2672 | zu stärken. Deshalb werden wir das Hochschulrahmengesetz (HRG) aufheben. |
2673 | |
2674 | 1.6 Modernes Berufsbildungssystem |
2675 | |
2676 | Die berufliche Bildung in Deutschland wird weltweit hoch geschätzt. Das duale |
2677 | Ausbildungssystem ist ihr Herzstück. Es ist Garant für gute Übergänge in den Ar- |
2678 | beitsmarkt und eine im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit. |
2679 | "Training made in Germany" ist ein Markenzeichen, mit dem wir auf dem ökono- |
2680 | misch hoch attraktiven weltweiten Bildungsmarkt erfolgreich sein wollen. |
2681 | |
2682 | Die Berufsbilder müssen schneller an die Erfordernisse der Wirtschaft angepasst |
2683 | und klarer formuliert werden. Für die im Ausland erworbenen Qualifikationen im |
2684 | Bereich der beruflichen Bildung sollen möglichst transparente und einheitliche Ver- |
2685 | fahren geschaffen werden. Die Initiative "Unternehmergeist in die Schulen" wird |
2686 | weitergeführt und ausgebaut. |
2687 | 1.7 Duales System |
2688 | |
2689 | Das duale System der beruflichen Bildung ist ein Erfolgsmodell. Damit es auch |
2690 | künftig den hohen Anforderungen gerecht werden kann, werden wir die Rahmen- |
2691 | bedingungen weiterentwickeln, um es für künftige demographische, technologi- |
2692 | sche und wirtschaftliche Herausforderungen fit zu machen. Hierzu gehören die |
2693 | Flexibilisierung und Modularisierung unter Wahrung des Berufsprinzips. Gemein- |
2694 | sam mit der Wirtschaft werden wir dafür Sorge tragen, dass in den Überbetriebli- |
2695 | chen Berufsbildungsstätten (ÜBS) modernste Technologien für die Ausbildung zur |
2696 | Verfügung stehen und über Kompetenzzentren wissenschaftliche und technologi- |
2697 | sche Entwicklungen in die Betriebe transportiert werden. |
2698 | |
2699 | Das deutsche Berufsbildungssystem muss sich dem internationalen Vergleich stel- |
2700 | len. Daher werden wir den internationalen Systemvergleich intensivieren und For- |
2701 | schung zur Kompetenzmessung forcieren. |
2702 | |
2703 | 1.8 Ausbildung für alle |
2704 | |
2705 | Wir wollen den erfolgreichen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft fortführen, wei- |
2706 | terentwickeln und laden Gewerkschaften und Länder ein, als neue Partner mitzu- |
2707 | wirken. |
2708 | |
2709 | Im Zusammenwirken mit Sozialpartnern und Ländern geben wir jedem Jugendli- |
2710 | chen, der ausbildungsfähig und -willig ist, die Zusage, dass er ein Ausbildungsan- |
2711 | gebot erhält, das zu einem anerkannten Berufsabschluss führt. Jugendliche mit |
2712 | Ausbildungsrisiken müssen frühzeitig erkannt und gefördert werden. Deshalb bau- |
2713 | en wir die frühe Berufsorientierung in den Schulen aus. Unser besonderes Au- |
2714 | genmerk gilt Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie denjenigen, die sich |
2715 | bereits längere Zeit vergeblich um eine Lehrstelle bemüht haben. |
2716 | |
2717 | Wir werden das Übergangssystem neu strukturieren und effizienter gestalten. |
2718 | Maßnahmen sollen grundsätzlich - auch mit Hilfe von Ausbildungsbausteinen - |
2719 | auf Ausbildung und Berufsabschluss ausgerichtet werden. Es ist unser Ziel, die |
2720 | passgenaue Vermittlung von Ausbildungsplatzsuchenden und Langzeitbewerbern |
2721 | zu stärken. |
2722 | |
2723 | Wir setzen uns für eine angemessene Einstufung der im dualen System erworbe- |
2724 | nen Ausbildungsabschlüsse in den deutschen und europäischen Qualifikations- |
2725 | rahmen ein. Ziel ist es, die Attraktivität der beruflichen Bildung für alle Jugendli- |
2726 | chen unabhängig vom Schulabschluss zu stärken. |
2727 | |
2728 | 1.9 Lebensbegleitendes Lernen |
2729 | |
2730 | Lebensbegleitendes Lernen zu stärken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. |
2731 | Deshalb wollen wir gemeinsam mit den Sozialpartnern, den Ländern, der Bundes- |
2732 | agentur für Arbeit und den Weiterbildungsverbänden eine Weiterbildungsallianz |
2733 | schmieden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen müssen in die Lage |
2734 | versetzt werden, die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter auszubauen. Darüber hinaus |
2735 | werden wir die Bildungs- und Qualifizierungsberatung für alle leicht zugänglich |
2736 | machen und für mehr Transparenz sorgen. |
2737 | |
2738 | Eine besondere Bedeutung haben tarifvertraglich vereinbarte Lernzeitkonten. Die |
2739 | Sozialpartner müssen hier ihrer besonderen Verantwortung gerecht werden. |
2740 | |
2741 | Wir werden die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens dazu nutzen, |
2742 | um Gleichwertigkeit, Mobilität und Durchlässigkeit im deutschen und europäischen |
2743 | Bildungsraum zu stärken. Dabei werden wir im europäischen Prozess darauf ach- |
2744 | ten, dass das deutsche Bildungssystem sein eigenes Profil wahrt und seine Quali- |
2745 | tät innerhalb der EU zur Geltung bringt. |
2746 | |
2747 | Gemeinsam mit starken Partnern aus Bund und Ländern, Wirtschaft und Wissen- |
2748 | schaft, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Stiftungen sowie den Seniorenorgani- |
2749 | sationen werden wir neue Bildungschancen und -Anreize für Ältere schaffen. Wir |
2750 | wollen zusammen mit den Senioren in Kooperation mit Internetanbietern, Medien |
2751 | und Verbänden mehr Medienkompetenz vermitteln und Risiken minimieren. |
2752 | |
2753 | 2. Wissenschaft und Forschung |
2754 | |
2755 | Forschung und Innovationen für künftigen Wohlstand |
2756 | |
2757 | Forschung, Innovationen und neue Technologien sind die Grundlage für künftigen |
2758 | Wohlstand. Sie sind die Quellen von wirtschaftlichem Erfolg, von Wachstum und |
2759 | Beschäftigung. Zugleich helfen sie, den großen Herausforderungen unserer Zeit, |
2760 | dem Klima- und Umweltschutz, dem Kampf gegen Armut und Krankheiten wirk- |
2761 | sam zu begegnen. So sind Forschung und neue Technologien entscheidend für |
2762 | nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum, für Ressourceneffizienz und |
2763 | Sicherung der Welternährung. Deshalb geht es uns darum, dass in Deutschland, |
2764 | dem Land der Ideen, neue Technologien nicht nur entwickelt, sondern auch an- |
2765 | gewandt werden. |
2766 | |
2767 | Dazu brauchen wir auch einen umfassenden Dialog über Zukunftstechnologien mit |
2768 | und unter den Bürgerinnen und Bürgern. Wir stehen für eine zukunftsorientierte |
2769 | Kultur der Chancen. Wir wollen wieder eine optimistische und technik- und innova- |
2770 | tionsfreundliche Gesellschaft werden. |
2771 | |
2772 | Weiterentwicklung der Hightech-Strategie |
2773 | |
2774 | Wir werden die Hightech-Strategie weiterentwickeln. Wir werden sie auf die An- |
2775 | wendungsfelder Klimaschutz/Energie, Gesundheit, Mobilität, Kommunikation und |
2776 | Sicherheit konzentrieren. Dabei werden wir die Förderung der Schlüsseltechnolo- |
2777 | gien noch stärker auf diese gesellschaftlich relevanten Felder ausrichten. Wir wer- |
2778 | den die rechtlichen Rahmenbedingungen innovationsfreundlich gestalten. |
2779 | |
2780 | Die Instrumente der Hightech-Strategie werden wir prüfen und weiterentwickeln |
2781 | und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf kleine und mittlere Unternehmen |
2782 | legen. Wir werden neue Impulse für den Wissens- und Technologietransfer und |
2783 | die Validierung von Forschungsergebnissen geben. Im Sinne der Lissabon- |
2784 | Strategie wollen wir die Hightech-Strategie auch nach Europa tragen. |
2785 | |
2786 | Werkstoff- und Materialforschung |
2787 | |
2788 | Die Werkstoff- und Materialforschung ist ein Innovationsmotor. Deshalb werden |
2789 | wir sie gezielt ausbauen und Ergebnisse möglichst rasch in wettbewerbsfähige |
2790 | Produkte und Verfahren umsetzen. |
2791 | |
2792 | Biotechnologie |
2793 | |
2794 | Wir sehen in Forschung, Entwicklung und Anwendung der Biotechnologie eine |
2795 | große Chance für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland und |
2796 | seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wir werden die verantwortbaren Inno- |
2797 | vationspotentiale der Bio- und Gentechnologie weiterentwickeln, auch um den |
2798 | Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern und unserer globalen Verantwortung |
2799 | gerecht zu werden. |
2800 | |
2801 | Mit der Unterstützung des Bioökonomierates werden wir eine international wett- |
2802 | bewerbsfähige Strategie zu einer wissensbasierten Bioökonomie erarbeiten und |
2803 | umsetzen. Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft brauchen klare Signale für |
2804 | die Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen und deren Einsatz auf der |
2805 | Grundlage des geltenden Rechts. Die grüne Gentechnik kann einen Beitrag zur |
2806 | Bekämpfung des Welthungers leisten. |
2807 | |
2808 | Gesundheitsforschung |
2809 | |
2810 | Vorbeugen ist besser als heilen. Wir werden die Präventionsforschung stärken. |
2811 | Neue Erkenntnisse der Forschung müssen den Menschen schneller zugute kom- |
2812 | men. Wir ebnen den Weg für eine individualisierte Medizin und damit für Thera- |
2813 | pien, die wirksamer und verträglicher sind. Dies muss einhergehen mit neuen |
2814 | Konzepten der Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung. Mit "Deutschen |
2815 | Zentren der Gesundheitsforschung" als langfristig angelegten, gleichberechtigten |
2816 | Partnerschaften von Forschungseinrichtungen, Universitäten, Universitätskliniken |
2817 | und Kliniken schaffen wir die Voraussetzungen, um rasch zunehmende Volks- |
2818 | krankheiten wirksamer bekämpfen zu können. |
2819 | |
2820 | Stammzellforschung |
2821 | |
2822 | Die Stammzellforschung bietet besonders im Bereich der Gesundheit große |
2823 | Chancen. Wir wollen sicherstellen, dass in Deutschland diese Chancen wahrge- |
2824 | nommen werden können. Zugleich erfolgt diese ethisch sensible Forschung auf |
2825 | dem Boden des geltenden Rechts und im Dialog mit allen gesellschaftlichen Ak- |
2826 | teuren. Wir prüfen die Einrichtung einer Dialogplattform "Deutsches Stammzell- |
2827 | netzwerk". |
2828 | |
2829 | Bürgerdialog |
2830 | |
2831 | Forschung braucht den Dialog mit der Gesellschaft. Deshalb werden wir neue Dia- |
2832 | logplattformen einrichten, auf denen mit den Bürgerinnen und Bürgern Zukunfts- |
2833 | technologien und Forschungsergebnisse zur Lösung der großen globalen und ge- |
2834 | sellschaftlichen Herausforderungen intensiver diskutiert werden. Insbesondere bei |
2835 | gesellschaftlich kontroversen Zukunftstechnologien wollen wir einen sachlichen |
2836 | Diskurs, der auf Toleranz aufbaut, eine realistische Abschätzung der Chancen und |
2837 | Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft ermöglicht und den erreichbaren |
2838 | Konsens auslotet. |
2839 | |
2840 | Wir wollen unter wissenschaftlicher Leitung und mit Unterstützung der Wirtschaft |
2841 | in der Hauptstadt ein "Haus der Zukunft" schaffen, in dem sich Deutschland als |
2842 | Wissensgesellschaft und Innovationstreiber präsentiert, und die Forschungsmuse- |
2843 | en stärken. |
2844 | |
2845 | Die Wissenschaft stärken |
2846 | |
2847 | Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation und Exzellenzinitiative werden |
2848 | fortgeführt. So haben es die Regierungschefs von Bund und Ländern beschlos- |
2849 | sen. |
2850 | |
2851 | Wir stärken die angewandte Fachhochschulforschung und bekräftigen die Bedeu- |
2852 | tung kooperativer Graduiertenschulen von Fachhochschulen und Universitäten, |
2853 | wie sie von der DFG gefördert werden können. Wir führen die Programmpauscha- |
2854 | le im Rahmen des Hochschulpaktes fort und prüfen ihre Einführung in die Projekt- |
2855 | förderung des Bundes. Wir erwarten von den Hochschulen die Einführung einer |
2856 | Kostentrennungsrechnung. |
2857 | |
2858 | Zur finanziellen Verlässlichkeit muss die Gestaltungsfreiheit treten. Wissenschaft |
2859 | und Forschung brauchen mehr Flexibilität und Gestaltungsspielraum, um exzellen- |
2860 | tes Personal zu gewinnen und mit starken Partnern national und international zu |
2861 | kooperieren. Wir bringen weitere Verbünde zwischen Hochschulen und außeruni- |
2862 | versitären Forschungseinrichtungen voran und unterstützen Modelle wie das des |
2863 | "Forschungscampus", an denen auch Unternehmen beteiligt sind. |
2864 | |
2865 | Wir unterstützen die Bereitschaft der Forschungsorganisationen, stärker miteinan- |
2866 | der und mit den Hochschulen, etwa bei gemeinsamen Berufungsverfahren, zu ko- |
2867 | operieren. |
2868 | |
2869 | Wissenschaftsfreiheit |
2870 | |
2871 | Die Wissenschaftsfreiheitsinitiative werden wir fortsetzen - insbesondere mit dem |
2872 | Ziel, Globalhaushalte einzuführen und die Möglichkeiten für Unternehmensbeteili- |
2873 | gungen und Ausgründungen zu verbessern. Wir werden hierzu ein Wissenschafts- |
2874 | freiheitsgesetz vorlegen und dieses durch notwendige untergesetzliche Maßnah- |
2875 | men ergänzen. |
2876 | |
2877 | Die Wissenschaft ist dringend auf die Gewinnung und Sicherung von hochqualifi- |
2878 | ziertem Personal angewiesen. Die Bundesregierung prüft daher die Möglichkeit |
2879 | von außertariflichen Vergütungselementen und Tarifhoheit für die Forschungsor- |
2880 | ganisationen. |
2881 | |
2882 | Wissenschaftlicher Nachwuchs |
2883 | |
2884 | Wir setzen uns für eine stärkere Durchlässigkeit der Karrierepfade in Wissenschaft |
2885 | und Wirtschaft ein. Dies fördert auch den Wissens- und Technologietransfer. Wir |
2886 | werden unseren Beitrag für bessere Karrierechancen von Frauen in Wissenschaft |
2887 | und Forschung leisten. Die internationale Anziehungskraft deutscher Hochschulen |
2888 | wollen wir für Studierende wie für Wissenschaftler steigern. Deshalb werden wir |
2889 | internationale strategische Partnerschaften unterstützen und Mobilitätshindernis- |
2890 | se, auch im Bereich der sozialen Sicherungssysteme, abbauen. |
2891 | |
2892 | Geistes- und Sozialwissenschaften |
2893 | |
2894 | Wir werden die Geistes- und Sozialwissenschaften stärken, die von großer Bedeu- |
2895 | tung für unser kulturelles Gedächtnis und die Gestaltung unserer Zukunft sind. |
2896 | |
2897 | Ressortforschung |
2898 | |
2899 | Nach Abschluss der laufenden Evaluierung der Ressortforschungseinrichtungen |
2900 | im Jahr 2010 werden wir die Strukturen der Ressortforschung ergebnisoffen prü- |
2901 | fen. |
2902 | |
2903 | Roadmap für Forschungsinfrastrukturen |
2904 | |
2905 | Für die großen Forschungsinfrastrukturen werden wir einen Roadmap-Prozess |
2906 | starten, in dem wir unsere Prioritäten künftiger Forschungsinfrastruktur-Vorhaben |
2907 | festlegen und in den europäischen Prozess für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) |
2908 | einbringen. |
2909 | |
2910 | Internationalisierung |
2911 | |
2912 | Exzellenz in der Wissenschaft und zukunftsfähige Antworten durch Forschung |
2913 | brauchen Internationalität. Wir streben daher eine intensivere europäische und |
2914 | internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung an. Wir bekräftigen die |
2915 | Ziele der UN-Dekade für "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE). Sie ist eine |
2916 | wichtige und zukunftsweisende Aufgabe aller Bildungsträger. Neben der Veranke- |
2917 | rung im Schulunterricht ist ihre Umsetzung in Zusammenarbeit mit außerschuli- |
2918 | schen Partnern wie Bildungseinrichtungen, wirtschaftlichen Institutionen und Ver- |
2919 | bänden von großer Wichtigkeit. |
2920 | |
2921 | Wir werden den europäischen Forschungsraum, die Vorbereitung des achten For- |
2922 | schungsrahmenprogramms und den Umbau des EU-Haushalts aktiv mitgestalten |
2923 | und treten dabei für eine stärkere Rolle der Mitgliedstaaten ein. Wir wollen, dass |
2924 | die Wissenschaftler in Deutschland in größtmöglichem Umfang an allen Program- |
2925 | men des europäischen Forschungs- und Innovationsraums teilhaben können. Die |
2926 | Internationalisierungsstrategie werden wir ausbauen. Wir wollen Deutschland zum |
2927 | Exportweltmeister von Bildungsangeboten machen und die Vermarktung gezielt |
2928 | fördern. Bildung und Forschung werden zu einem Schwerpunkt in der Zusammen- |
2929 | arbeit mit den Schwellen- und Entwicklungsländern. |
2930 | III. SOZIALER FORTSCHRITT |
2931 | Durch Zusammenhalt und Solidarität |
2932 | |
2933 | 1. Ehe, Familie und Kinder |
2934 | |
2935 | Eine moderne Familienpolitik für alle Generationen hat die Aufgabe, die grundle- |
2936 | genden Strukturen unseres Zusammenlebens vor dem Hintergrund des demogra- |
2937 | phischen Wandels und einer globalisierten Welt zu stärken und zukunftsfest zu |
2938 | machen. Wir wollen, dass durch mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit und |
2939 | durch günstigere Rahmenbedingungen für Familien mehr Kinder in Deutschland |
2940 | geboren werden. |
2941 | |
2942 | Familien übernehmen generationenübergreifend Verantwortung füreinander. Es |
2943 | sind die Familien, die als Leistungsträger für die Gesellschaft unser Land, aber |
2944 | auch unsere Zukunft tragen. In Lebensgemeinschaften, in denen Menschen |
2945 | dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, werden ebenso Werte gelebt, |
2946 | die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Es ist Ziel dieser Koalition, die |
2947 | wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit von Familien weiter zu stärken. Fa- |
2948 | milienfreundlichkeit soll aber auch zu einem Markenzeichen unserer Städte, Ge- |
2949 | meinden und Unternehmen werden. |
2950 | |
2951 | Das Grundgesetz berechtigt und verpflichtet vorrangig Mütter und Väter, für ihre |
2952 | Kinder zu sorgen und legt zudem dem Staat die Pflicht auf, Ehe und Familie zu |
2953 | schützen und über die Ausübung von Elternrecht und Elternpflicht zu wachen. |
2954 | Dabei wollen wir einen Schwerpunkt auf Prävention setzen. |
2955 | |
2956 | Eltern sollen die Wahlfreiheit haben, Familienleben und Erwerbstätigkeit nach ih- |
2957 | ren Wünschen zu gestalten. Alle, die Kinder erziehen, erbringen eine Leistung für |
2958 | die ganze Gesellschaft und verdienen daher deren besondere Anerkennung. För- |
2959 | derinstrumente sollen direkt in der Lebenswirklichkeit von Familien ansetzen. |
2960 | |
2961 | Wir wollen geeignete Rahmenbedingungen schaffen und positive Anreize dafür |
2962 | setzen, damit mehr Menschen Verantwortung für andere übernehmen - auch au- |
2963 | ßerhalb der eigenen Familie. Bürgerschaftliches Engagement bietet Antworten auf |
2964 | viele Fragen nach dem Zusammenhalt der Generationen wie der gesamten Ge- |
2965 | sellschaft. |
2966 | |
2967 | Diese Koalition will gleiche Chancen für Frauen und Männer im Beruf wie im Fami- |
2968 | lienleben verwirklichen. Immer mehr Männer wünschen sich neben dem Beruf |
2969 | mehr Zeit für die Familie. Junge Menschen haben ein Recht auf Teilhabe an der |
2970 | Gesellschaft, Stärkung und Förderung. Ziel ist auch, jeden Jugendlichen dabei zu |
2971 | unterstützen, einen Schulabschluss zu erreichen und eine Ausbildungsstätte zu |
2972 | finden. Eine wachsende Zahl älterer Menschen will bei guter Gesundheit bis ins |
2973 | hohe Alter aktiv bleiben. Ziel dieser Regierung ist, ihr hohes Engagement im Eh- |
2974 | renamt weiter zu unterstützen und in allen Bereichen generationenübergreifendes |
2975 | Zusammenwirken zu stärken. |
2976 | |
2977 | Eltern tragen vor allen anderen die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder. Sie |
2978 | zu stärken ist unser Ziel; denn starke Kinder brauchen starke Eltern. |
2979 | |
2980 | Wir wollen Kinder von Anfang an unterstützen, ihre Stärken erkennen, ihre Chan- |
2981 | cen fördern, Benachteiligungen verhindern sowie Kinderarmut bekämpfen. |
2982 | |
2983 | Kinderbetreuung |
2984 | |
2985 | Wir wollen in der Kinderbetreuung weitere Maßnahmen für einen verbesserten |
2986 | qualitativen und quantitativen flexiblen Ausbau bei Trägervielfalt auch unter Einbe- |
2987 | ziehung von Tagespflege ergreifen und die Vernetzung mit anderen familienunter- |
2988 | stützenden Angeboten im Sinne von Familienzentren und Mehrgenerationenhäu- |
2989 | sern intensivieren. Dazu gehört die Qualifikation von Tagespflegepersonen sowie |
2990 | Erzieherinnen und Erziehern und bessere Rahmenbedingungen für Ausbildung |
2991 | und Beruf in Kooperation mit Ländern, Kommunen und Verbänden. Wir werden |
2992 | darauf hinwirken, dass sich Bund und Länder auf gemeinsame Eckpunkte der |
2993 | frühkindlichen Bildung, insbesondere auch der Sprachförderung, einigen. Wir be- |
2994 | grüßen eine freiwillige Zertifizierung der Einrichtungen bei wissenschaftlicher Be- |
2995 | gleitung. Um qualifiziertes Personal zu gewinnen, wird eine Verbesserung der |
2996 | Rahmenbedingungen angestrebt. |
2997 | |
2998 | Kinderlärm darf keinen Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen geben. Wir |
2999 | werden die Gesetzeslage entsprechend ändern. |
3000 | |
3001 | Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermögli- |
3002 | chen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150,- Euro, gegebe- |
3003 | nenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt |
3004 | werden. |
3005 | |
3006 | Kindertagespflege |
3007 | |
3008 | Um die Attraktivität der Kindertagespflege zu erhöhen, wollen wir die Qualifikation |
3009 | der Tagespflegepersonen weiterentwickeln und schärfen. Die Anrechenbarkeit der |
3010 | erworbenen Qualifikation auf die Ausbildung in pädagogischen Berufen soll er- |
3011 | reicht werden. |
3012 | |
3013 | Au-Pair-Beschäftigung |
3014 | |
3015 | Wir wollen Au-Pair-Beschäftigung attraktiver gestalten. Wir werden die Anhebung |
3016 | der Altersgrenzen und die Möglichkeit einer Verlängerung des Aufenthalts prüfen. |
3017 | |
3018 | Familienbewusste Arbeitszeit |
3019 | |
3020 | Wir wollen familien- und kinderfreundliche Rahmenbedingungen durch eine famili- |
3021 | enfreundliche Kultur und Infrastruktur sowie eine familiengerechte Arbeitswelt |
3022 | schaffen, die eine Entscheidung für Kinder durch echte Wahlfreiheit ermöglicht. |
3023 | Wir setzen uns für familienfreundliche und flexible Arbeitszeitmodelle und "Sabba- |
3024 | ticals", d. h. eine Auszeit vom Beruf ein, damit sich Menschen Zeit für wichtige |
3025 | persönliche Dinge wie die Familie nehmen können. Um die Vereinbarkeit von Fa- |
3026 | milie und Beruf zu einem festen Bestandteil einer modernen und nachhaltigen |
3027 | Personalpolitik in den Unternehmen zu machen, werden wir die bisherige Initiative |
3028 | zu einer großen Kampagne erweitern. Genauso wollen wir auch die bessere Ver- |
3029 | einbarkeit von Familie und Ausbildung erreichen. |
3030 | |
3031 | Weiterentwicklung des Elterngeldes |
3032 | |
3033 | Wir wollen eine Weiterentwicklung, Flexibilität und Entbürokratisierung des Eltern- |
3034 | geldes, gerade auch in Hinblick auf die Einkommensermittlung. Die Partnermonate |
3035 | sollen gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Wir |
3036 | werden dafür sorgen, dass die gleichzeitige Teilzeit bei gleichzeitiger Elternzeit |
3037 | nicht zu einem doppelten Anspruchsverbrauch führt. Die Lebenssituation von |
3038 | Selbständigen wollen wir stärker berücksichtigen. |
3039 | |
3040 | Unterhaltsvorschussrecht |
3041 | |
3042 | Wir werden das Unterhaltsvorschussgesetz dahingehend ändern, dass der Unter- |
3043 | haltsvorschuss entbürokratisiert und bis zur Vollendung des vierzehnten Lebens- |
3044 | jahres eines Kindes gewährt wird. |
3045 | |
3046 | Alleinerziehende |
3047 | |
3048 | Wir wollen die Rahmenbedingungen für Alleinerziehende durch ein Maßnahmen- |
3049 | paket verbessern. Dieses soll insbesondere in verlässlichen Netzwerkstrukturen |
3050 | für Alleinerziehende lückenlos, flexibel und niedrigschwellig bereitgestellt werden. |
3051 | |
3052 | Wir werden prüfen, inwieweit die Umgestaltung des bisherigen steuerlichen Ent- |
3053 | lastungsbetrages in einen Abzug von der Steuerschuld möglich und interessenge- |
3054 | recht ist. |
3055 | |
3056 | Gesamtevaluation ehe- und familienbezogener Leistungen |
3057 | |
3058 | Wir wollen die umfassende wissenschaftliche Evaluation der familienbezogenen |
3059 | Leistungen konsequent fortsetzen und entsprechende Vorschläge vorlegen. Ziel |
3060 | sind konkrete Handlungsempfehlungen, um Leistungen wirksamer und effizienter |
3061 | zu gestalten und zu bündeln. Weiterhin werden wir prüfen, wie die Leistungen im |
3062 | Unterhaltsrecht, Steuerrecht, Sozialrecht und Familienrecht harmonisiert werden |
3063 | können und entsprechende Schritte einleiten. |
3064 | |
3065 | Kinderschutz und Frühe Hilfen |
3066 | |
3067 | Wir wollen einen aktiven und wirksamen Kinderschutz. Hierzu werden wir ein Kin- |
3068 | derschutzgesetz, unter Berücksichtigung eines wirksamen Schutzauftrages und |
3069 | insbesondere präventiver Maßnahmen (z. B. Elternbildung, Familienhebammen, |
3070 | Kinderschwestern und sonstiger niedrigschwelliger Angebote) auch im Bereich der |
3071 | Schnittstelle zum Gesundheitssystem unter Klarstellung der ärztlichen Schweige- |
3072 | pflicht auf den Weg bringen. |
3073 | |
3074 | Mit dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen soll der Aus- und Aufbau Früher Hilfen |
3075 | und die Initiativen für einen aktiven Kinderschutz in Deutschland intensiviert wer- |
3076 | den. |
3077 | |
3078 | Forschung |
3079 | |
3080 | Zur Verbesserung einer gesunden motorischen, kognitiven und emotionalen Ent- |
3081 | wicklung von Kindern werden wir die Bindungs- und die Bildungsforschung aus- |
3082 | bauen. |
3083 | |
3084 | Kinderrechte |
3085 | |
3086 | Wir setzen uns für eine Stärkung der Kinderrechte ein. Diese Rechte müssen im |
3087 | Bewusstsein der Erwachsenen stärker verankert werden. Wir wollen in allen Be- |
3088 | reichen, insbesondere bei den Schutz-, Förder- und Partizipationsrechten, kindge- |
3089 | rechte Lebensverhältnisse schaffen. Wir wollen die Vorbehaltserklärung zur UN- |
3090 | Kinderrechtskonvention zurücknehmen. An der Ausgestaltung eines Individualbe- |
3091 | schwerdeverfahrens zur UN-Kinderrechtskonvention werden wir aktiv mitwirken. |
3092 | |
3093 | Wir werden die Partizipation von Kindern und Jugendlichen von Beginn an fördern |
3094 | und uns dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche ihre Lebenswelten und die |
3095 | Gesellschaft ihrem Alter gemäß mitgestalten können. |
3096 | |
3097 | Hilfe für Schwangere in Notlagen |
3098 | |
3099 | Frauen können bei einer Schwangerschaft aus unterschiedlichen Gründen in eine |
3100 | Notlage geraten. Das Angebot der vertraulichen Geburt sowie mögliche Rechts- |
3101 | grundlagen sind zu prüfen. Die Entscheidung für ein Kind darf nicht an finanziellen |
3102 | Notlagen scheitern. Die Bundesmittel für Schwangerenberatung werden zur Un- |
3103 | terstützung eines pluralen Trägerangebotes gleichmäßig vergeben. |
3104 | |
3105 | Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung |
3106 | |
3107 | Unser Ziel ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt |
3108 | und Ausbeutung kontinuierlich zu verbessern. Dazu werden wir den Aktionsplan |
3109 | der Bundesregierung gezielt weiterentwickeln. Wir wollen zusammen mit Kindern, |
3110 | Jugendlichen und Erwachsenen in Kooperation mit Internetanbietern, Medien, |
3111 | Verbänden und Institutionen des Kinder- und Jugendschutzes mehr Medienkom- |
3112 | petenz vermitteln und Risiken für sie minimieren. |
3113 | |
3114 | Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen |
3115 | |
3116 | Das Hilfesystem im Bereich Gewalt gegen Frauen soll im Bereich der Bundeszu- |
3117 | ständigkeit weiter gestützt werden. Dazu gehören auch die Einrichtung einer bun- |
3118 | desweiten Notrufnummer und ein Bericht zur Lage der Frauen- und Kinderschutz- |
3119 | häuser und der darüber hinausgehenden Hilfeinfrastruktur. |
3120 | |
3121 | Mehrgenerationenhäuser |
3122 | |
3123 | Wir werden die erfolgreiche generationenübergreifende Arbeit der bundesweit 500 |
3124 | Mehrgenerationenhäuser weiter in die Zukunft tragen. Hierbei werden wir die |
3125 | Mehrgenerationenhäuser auch in die Verbesserung der Versorgungssituation von |
3126 | Demenzkranken und ihren pflegenden Angehörigen stärken einbinden. |
3127 | |
3128 | 2. Jugendliche |
3129 | |
3130 | Moderne Erziehung braucht Werte |
3131 | |
3132 | Wir wollen Eltern, Betreuungseinrichtungen, Schulen und Einrichtungen der Ju- |
3133 | gendarbeit in ihrer werteorientierten Erziehungsverantwortung bestärken. |
3134 | |
3135 | Eigenständige Jugendpolitik |
3136 | |
3137 | Wir stehen für eine eigenständige Jugendpolitik, eine starke Jugendhilfe und eine |
3138 | starke Jugendarbeit, die junge Menschen teilhaben lässt und ihre Potentiale för- |
3139 | dert und ausbaut. Wir wollen Jugendliche beim Übergang von Ausbildung in den |
3140 | Beruf besser unterstützen. Wir betonen die zentrale Bedeutung der kulturellen |
3141 | Kinder- und Jugendbildung für die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Men- |
3142 | schen. Es gilt die neuen Möglichkeiten im Schnittfeld Jugend, Kultur und Schule |
3143 | zu nutzen und qualitativ und quantitativ auszubauen. |
3144 | |
3145 | Jugendschutz |
3146 | |
3147 | Wir werden gemeinsam mit Ländern, Kommunen, Verbänden und Wirtschaft einen |
3148 | Nationalen Aktionsplan initiieren, der sowohl ein umfassendes Konzept zur Ver- |
3149 | besserung des Jugendschutzes beinhaltet als auch Maßnahmen zur Verbesse- |
3150 | rung der Partizipation, der Medienkompetenz und der Gewalt- sowie Suchtpräven- |
3151 | tion vorsieht. |
3152 | |
3153 | Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie |
3154 | |
3155 | Die Entwicklung und Stärkung von Toleranz und Demokratie ist ein zentrales Ziel |
3156 | der Kinder- und Jugendpolitik. Durch ein umfassendes Unterstützungsprogramm, |
3157 | das stets evaluiert wird, wollen wir Kinder und Jugendliche und alle anderen Ak- |
3158 | teure vor Ort in ihrem Engagement für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, Men- |
3159 | schenwürde und Gewaltfreiheit gegen Rechts- und Linksextremismus, Fremden- |
3160 | feindlichkeit und Antisemitismus motivieren und unterstützen. Eine besondere Ver- |
3161 | antwortung tragen hier Eltern, Kindertagesstätten, Schulen, die Einrichtungen der |
3162 | Jugendarbeit und die demokratischen politischen Nachwuchsverbände im Ring |
3163 | Politischer Jugend. |
3164 | |
3165 | Reform Kinder- und Jugendhilfe |
3166 | |
3167 | Wir werden das Kinder- und Jugendhilfesystem und seine Rechtsgrundlagen im |
3168 | SGB VIII auf Zielgenauigkeit und Effektivität hin überprüfen. Wir wollen frühe, |
3169 | schnelle und unbürokratische Hilfezugänge durch hoch qualifizierte Leistungsan- |
3170 | gebote und den Abbau von Schnittstellenproblemen zwischen der Jugendhilfe und |
3171 | anderen Hilfesystemen erreichen. Dies gilt insbesondere bei Frühen Hilfen und bei |
3172 | Hilfen für junge Menschen mit Behinderungen. Wir werden die Qualität der Kinder- |
3173 | und Jugendhilfe evaluieren und gegebenenfalls Standards weiterentwickeln. |
3174 | |
3175 | Jugend und Medien |
3176 | |
3177 | Wir wollen die enormen gesellschaftlichen und individuellen Chancen der Neuen Me- |
3178 | dien umfassend nutzen; den Risiken im Umgang mit diesen werden wir entgegenwir- |
3179 | ken. Wir wollen die Medienkompetenz insbesondere von Kindern und Jugendlichen |
3180 | stärken. Dazu gehören die Fortsetzung der erfolgreichen Projekte "Vision Kino", "Na- |
3181 | tionale Initiative Printmedien" und das Netz für Kinder "Frag Finn". Computerspiele |
3182 | sind ein selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden. Deswegen soll die |
3183 | Entwicklung hochwertiger, kulturell und pädagogisch wertvoller Unterhaltungsmedien |
3184 | gefördert und der Deutsche Computerspielpreis aufgewertet werden. |
3185 | |
3186 | Sexualstrafrecht |
3187 | |
3188 | CDU, CSU und FDP haben 1994 den strafrechtlichen Jugendschutz grundlegend |
3189 | neu geregelt. Wir wollen an den differenzierten Schutz für Kinder und Jugendliche |
3190 | unter Beachtung der neueren europarechtlichen Vorgaben wieder anknüpfen. Än- |
3191 | derungen im Strafrecht, die nach europäischem Recht nicht geboten sind, werden |
3192 | wir rückgängig machen. Entsprechend lehnen wir aktuelle Überlegungen zu wei- |
3193 | tergehenden europäischen Vorgaben ab. |
3194 | |
3195 | Jugendgewalt und Jugendkriminalität |
3196 | |
3197 | Wir wollen Jugendkriminalität mit wirksamen Maßnahmen begegnen und alle An- |
3198 | strengungen unternehmen, um ihren Ursachen entgegenzuwirken. Dazu wollen |
3199 | wir Präventionskonzepte stärken und ausbauen, unter Einbeziehung aller Verant- |
3200 | wortlichen erzieherische Ansätze verbessern sowie Vollzugsdefizite bei der kon- |
3201 | sequenten Durchsetzung des geltenden Jugendstrafrechts abbauen. Wir erkennen |
3202 | den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts als besonders wichtig an. Zur |
3203 | Erweiterung und Verbesserung der pädagogischen Reaktionsmöglichkeiten bei |
3204 | Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender werden wir den Warnschussarrest |
3205 | neben der Aussetzung der Verhängung oder der Vollstreckung der Jugendstrafe |
3206 | zur Bewährung einführen. Junge Straftäter erhalten damit bereits zu Beginn der |
3207 | Bewährungszeit deutlich die Konsequenzen weiterer Gesetzesverstöße vor Augen |
3208 | geführt und zugleich eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung. Im Jugend- |
3209 | strafrecht erhöhen wir die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre Jugendstrafe. |
3210 | |
3211 | 3. Senioren |
3212 | |
3213 | Wir möchten eine erfolgreiche Generationenpolitik voranbringen, die es älteren |
3214 | Menschen möglichst lange erlaubt, ein unabhängiges und eigenverantwortliches |
3215 | Leben zu führen. |
3216 | |
3217 | Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand für Mitarbeiterinnen und Mit- |
3218 | arbeiter soll von Betrieben, Unternehmen und dem öffentlichen Dienst besser vor- |
3219 | bereitet und unterstützt sowie fließender werden. |
3220 | |
3221 | Altersbilder und Altersgrenzen |
3222 | |
3223 | Aktive Teilhabe älterer Menschen ist auf zeitgerechte und moderne Altersbilder |
3224 | angewiesen. Wir wollen eine breit angelegte Initiative zum Thema "Alter neu den- |
3225 | ken" starten. Es ist erforderlich, bestehende und ggf. diskriminierende Altersgren- |
3226 | zen zu überprüfen. |
3227 | |
3228 | Soziales vernetztes Wohnen für ältere Menschen |
3229 | |
3230 | Wir wollen Wohnraum und Infrastruktur alten-, generationengerecht und wo sach- |
3231 | gerecht integrativ gestalten und die erforderlichen Service- und Hilfestrukturen |
3232 | auch in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ausbauen und weiterentwickeln. |
3233 | Eine entsprechende Aufnahme dieser Zusammenhänge in die Ausbildung von |
3234 | Architekten und Ingenieuren sowie Stadtplanern streben wir an. |
3235 | |
3236 | Forschung für ein selbst bestimmtes Leben im Alter |
3237 | |
3238 | Selbst bestimmtes Leben im Alter ist für viele Familien in Deutschland ein existen- |
3239 | tielles Thema. Mit Unterstützung der Medizintechnik ist hier schon heute sehr viel |
3240 | möglich. Deshalb fördern wir die Entwicklung von altersgerechten Assistenzsys- |
3241 | temen und altersgerechten innovativen Wohnmodellen. Wir bauen die medizini- |
3242 | sche, technische und sozialwissenschaftliche Forschung für ein selbst bestimmtes |
3243 | Leben im Alter aus, auch im europäischen Rahmen. Wir starten eine Innovations- |
3244 | partnerschaft "Gesundheit im Alter". |
3245 | |
3246 | Demographischer Wandel |
3247 | |
3248 | Die demographischen Veränderungen in Deutschland werden sich bald sehr stark |
3249 | im Alltagsleben bemerkbar machen. Staat und Politik müssen hierauf in vielfältiger |
3250 | Weise vorbereitet sein. Wir streben daher eine Koordination der Beschäftigung mit |
3251 | demographischen Fragen an. Zur besseren Abstimmung zwischen den Bundes- |
3252 | ressorts werden wir einen interministeriellen Ausschuss einsetzen. Die Chancen |
3253 | des demographischen Wandels sollen verstärkt in der Öffentlichkeitsarbeit der |
3254 | Bundesregierung mit der Veröffentlichung eines "Berichts der Bundesregierung |
3255 | zur demographischen Lage und künftigen Entwicklung des Landes" im Jahre 2011 |
3256 | berücksichtigt werden. |
3257 | |
3258 | 4. Gleichstellung |
3259 | |
3260 | Wir wollen bestehende Benachteiligungen in Arbeitswelt, Politik und Gesellschaft |
3261 | beseitigen. Wir werden uns für eine Kultur der Vielfalt einsetzen und begrüßen |
3262 | daher "Diversity-Strategien". Insbesondere wollen wir auch Existenzgründerinnen |
3263 | und Selbständige in den Blick nehmen. |
3264 | |
3265 | Wir erarbeiten einen Rahmenplan zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und |
3266 | Männern in allen Phasen des Lebensverlaufs. Die Bundesinitiative zur Gleichstel- |
3267 | lung von Frauen in der Wirtschaft wird einbezogen. |
3268 | |
3269 | Erleichterung des Wiedereinstiegs ins Berufsleben |
3270 | |
3271 | Frauen sind heute besser qualifiziert als jemals zuvor. Viele wollen ihre Fähigkei- |
3272 | ten im Erwerbsleben umsetzen. Das Aktionsprogramm "Perspektive Wiederein- |
3273 | stieg" wird in Partnerschaft mit der Bundesagentur für Arbeit fortgeführt und aus- |
3274 | gebaut. Es wird geprüft, inwieweit sich die lokalen Modelle des Programms, die |
3275 | sich als zielführend erwiesen haben, in die Fläche übertragen und verstetigt wer- |
3276 | den können. Dabei ist die Situation Alleinerziehender in besonderer Weise zu be- |
3277 | rücksichtigen. |
3278 | |
3279 | Überwindung der Entgeltungleichheit |
3280 | |
3281 | Wir wollen das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für Frauen und Männern |
3282 | umsetzen und damit die Entgeltungleichheit überwinden. Wir werden in der Wirt- |
3283 | schaft dafür werben, das beratungsunterstützte Lohntestverfahren Logib-D einzu- |
3284 | setzen. Hiermit sollen Entgeltunterschiede und deren Ursachen festgestellt wer- |
3285 | den. Die gemeinsamen Anstrengungen zur Überwindung der Entgeltungleichheit |
3286 | sind zu bilanzieren. Der öffentliche Dienst muss seine Potentiale ausschöpfen, |
3287 | frauen- und familienfreundlicher zu werden. |
3288 | |
3289 | Mehr Frauen in Führungspositionen |
3290 | |
3291 | Die Ziele des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbeset- |
3292 | zungsgesetzes werden mit Nachdruck verfolgt. Wir werden prüfen, ob und inwie- |
3293 | weit die Gesetze geändert und effektiver gestaltet werden müssen. Der Anteil von |
3294 | Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst soll |
3295 | maßgeblich erhöht werden. Dazu wird ein Stufenplan, insbesondere zur Erhöhung |
3296 | des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vorgelegt. Der Stufen- |
3297 | plan setzt in einer ersten Stufe auf verbindliche Berichtspflichten und transparente |
3298 | Selbstverpflichtungen. |
3299 | |
3300 | Jungen und Männerpolitik |
3301 | |
3302 | Wir wollen eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik entwickeln und bereits |
3303 | bestehende Projekte für Jungen und junge Männer fortführen und intensivieren. |
3304 | Damit eröffnen wir ihnen auch in erzieherischen und pflegerischen Berufen erwei- |
3305 | terte Perspektiven. Die Zusammenarbeit mit Väterorganisationen und anderen |
3306 | gleichstellungsorientierten Männerorganisationen soll intensiviert werden. |
3307 | |
3308 | 5. Integration und Zuwanderung |
3309 | |
3310 | Integration fördern, Chancen nutzen |
3311 | |
3312 | Die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund ist für Deutschland eine |
3313 | Schlüsselaufgabe. Unser Zusammenleben soll von Respekt, gegenseitigem Ver- |
3314 | trauen, von Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung ge- |
3315 | prägt sein. Wir wollen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Zuwandererfamilien alle |
3316 | Chancen eines weltoffenen Landes eröffnen und ihre gesellschaftliche, wirtschaft- |
3317 | liche und kulturelle Teilhabe ermöglichen. Wir erwarten in gleicher Weise die Auf- |
3318 | nahmebereitschaft der deutschen Gesellschaft und die Integrationsbereitschaft der |
3319 | Zuwanderer. |
3320 | |
3321 | Wir werden den Nationalen Integrationsplan (NIP) von einem integrationspoliti- |
3322 | schen Gesamtkonzept zu einem Aktionsplan mit klar definierten und zu überprü- |
3323 | fenden Zielen weiterentwickeln. Dazu setzen wir den vertrauensvollen Dialog zwi- |
3324 | schen Staat und Gesellschaft, insbesondere den Migranten, in institutionalisierter |
3325 | Form - auch unter Einbeziehung des Deutschen Bundestages - fort. Wir streben |
3326 | die Gründung eines Bundesbeirates für Integration an. Stand und Verlauf der In- |
3327 | tegration können nur auf der Basis objektiver Daten ermittelt werden. Die erforder- |
3328 | lichen Datengrundlagen werden wir schaffen. |
3329 | |
3330 | Der Bund einerseits und die Länder mit den Kommunen andererseits sind in der |
3331 | Integrationspolitik Partner. Diese Zusammenarbeit wollen wir unter Wahrung der |
3332 | jeweiligen staatlichen Zuständigkeiten zu verbindlichen Nationalen Integrations- |
3333 | partnerschaften weiterentwickeln. Integration vollzieht sich in erster Linie in den |
3334 | Kommunen. Es gilt, die hervorragenden, aber oft zeitlich befristeten Projekte zur |
3335 | Integration zu Regelangeboten weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist die bestmögliche |
3336 | Vernetzung der verschiedenen Integrationsfördermaßnahmen vor Ort. Staatliche |
3337 | und kommunale Stellen sowie öffentlich geförderte Träger sollen passgenau auf- |
3338 | einander abgestimmt zusammenarbeiten. Einbeziehen wollen wir dabei insbeson- |
3339 | dere die Integrationskursträger und die Arbeitsagenturen. In Modellregionen wol- |
3340 | len wir die Integrationspartnerschaften erproben. |
3341 | |
3342 | Die integrationspolitischen Defizite der letzten Jahrzehnte wollen wir konsequent |
3343 | beheben. In unserem Land leben viele Menschen, die auch nach jahrelangem |
3344 | Aufenthalt in Deutschland gesellschaftlich nicht integriert sind und unsere Sprache |
3345 | nicht beherrschen. Wir werden deshalb die Instrumente der nachholenden Integra- |
3346 | tion fördern. Wir wollen die Integrationsberatung optimieren. |
3347 | |
3348 | Um die Verbindlichkeit der individuellen Integrationsförderung zu erhöhen, werden |
3349 | wir das Instrument eines Integrationsvertrages schaffen, mit dem wir sowohl Neu- |
3350 | zuwanderer als auch länger im Land lebende Migranten erreichen wollen. Vor al- |
3351 | lem Menschen, die zu ihren Ehegatten nach Deutschland nachziehen und dazu |
3352 | erste Deutschkenntnisse schon im Herkunftsland erworben haben, möchten wir |
3353 | möglichst schnell mit der Vielfalt der Integrationsmaßnahmen vertraut machen. |
3354 | |
3355 | Mit Integrationsverträgen werden die notwendigen Integrationsmaßnahmen für |
3356 | eine erfolgreiche Eingliederung in die deutsche Gesellschaft und den deutschen |
3357 | Arbeitsmarkt vereinbart und später kontinuierlich überprüft. Information und Bera- |
3358 | tung über staatliche und bürgerschaftliche Angebote stehen dabei im Vordergrund. |
3359 | Modelle der individuellen Begleitung, wie etwa die Integrationslotsen, beziehen wir |
3360 | dabei ein. Die Schnittstellen der Beratungsdienste zu den Bildungsträgern werden |
3361 | überprüfbar verbessert. |
3362 | |
3363 | Den Dienstleistungscharakter der bisherigen Ausländerbehörden wollen wir stär- |
3364 | ken. |
3365 | |
3366 | Die Koalitionäre sprechen sich für einen breit angelegten parlamentarischen und |
3367 | gesellschaftlichen Diskurs der Integrationsthematik aus. |
3368 | |
3369 | Das Beherrschen der deutschen Sprache ist Grundvoraussetzung für Bildung und |
3370 | Ausbildung, für Integration in den Beruf, für Partizipation und sozialen Aufstieg. |
3371 | Wirksamstes Instrument der Sprachförderung des Bundes sind die Integrations- |
3372 | kurse. Durch stärkeres Fördern und Fordern wollen wir die Erfolgschancen der |
3373 | Teilnehmer weiter erhöhen. |
3374 | |
3375 | Dazu werden wird wir die Integrationskurse flexibilisieren und quantitativ und quali- |
3376 | tativ aufwerten. Die Zahl der Orientierungskursstunden wird von 45 auf 60 ange- |
3377 | hoben - damit geben wir den Teilnehmern die Chance, mehr über die Funktions- |
3378 | weise unseres demokratischen Rechtsstaates zu erfahren. |
3379 | |
3380 | Schnelle Lernerfolge werden wir mit Anreizen fördern. Wir wollen das Integrati- |
3381 | onskursmanagement verbessern, um insbesondere Menschen, die vor dem Ehe- |
3382 | gattennachzug erste Deutschkenntnisse im Herkunftsland erworben haben, einen |
3383 | möglichst schnellen Übergang in den Integrationskurs zu ermöglichen. |
3384 | |
3385 | Die Kurse werden auf das primäre Ziel ausgerichtet, die Teilnehmer in den Ar- |
3386 | beitsmarkt zu integrieren. Dazu kann das Niveau der Sprachkurse auch über das |
3387 | Niveau B 1 hinausgehen. Darüber hinaus streben wir eine stärkere Vernetzung mit |
3388 | den für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stellen an. |
3389 | |
3390 | Die Integrationskraft von Kindergärten und Schulen werden wir verstärken. Wer |
3391 | früh gefördert wird, hat bessere Chancen. Wir stehen zum bedarfsgerechten Aus- |
3392 | bau der frühkindlichen Bildungseinrichtungen und der Ganztagsschule. Wir unter- |
3393 | stützen verbindliche bundesweit vergleichbare Sprachstandstests für alle Kinder |
3394 | im Alter von vier Jahren und bei Bedarf eine verpflichtende gezielte Sprachförde- |
3395 | rung vor der Schule. Alle Kinder, die eingeschult werden, sollen Deutsch sprechen |
3396 | können. Wir unterstützen darüber hinaus unterrichtsbegleitende Sprachprogram- |
3397 | me. |
3398 | |
3399 | Eltern in Erziehungsverantwortung müssen unsere Sprache beherrschen, damit |
3400 | ihre Kinder die besten Voraussetzungen für schulischen Erfolg haben. Wir wollen |
3401 | verstärkt Integrationskurse für Eltern an Kindergärten und Schulen einrichten und |
3402 | u. a. mit der Kampagne "Deutsch lernen - Deutschland kennen lernen" intensiv für |
3403 | das Angebot der Elternintegrationskurse werben. Droht wegen mangelnder |
3404 | Deutschkenntnisse der Eltern eine Beeinträchtigung des Kindeswohls, soll zukünf- |
3405 | tig schon aus diesem Grund eine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs |
3406 | möglich sein. |
3407 | |
3408 | Zu viele junge Migranten scheitern in Schule und Berufsausbildung. Die Länder |
3409 | haben sich im Nationalen Integrationsplan und der gemeinsamen Qualifizierungs- |
3410 | initiative verpflichtet die Zahl der Schulabbrecher mit Migrationshintergrund bis |
3411 | zum Schuljahr 2012/2013 auf den Gesamtschnitt aller Schüler zu reduzieren. |
3412 | |
3413 | Im Rahmen ihrer Zuständigkeit leistet die Bundesregierung in vielfältiger Weise |
3414 | Unterstützung auf dem Weg zum Bildungserfolg. Gerade in wirtschaftlich schwie- |
3415 | riger Zeit werden wir die erfolgreichen Förderprogramme (z. B. Einstiegsqualifizie- |
3416 | rung und JobstarterConnect) fortsetzen. Sie kommen insbesondere jungen |
3417 | Migrantinnen und Migranten zugute. Begleitung und Beratung können jungen |
3418 | Menschen eine unverzichtbare Unterstützung beim Ausbildungserfolg sein. Ein |
3419 | neues Instrument des ganzheitlichen Integrationscoachings (GINCO) dient der |
3420 | Integration in Ausbildung bzw. in den ersten Arbeitsmarkt und zur Stabilisierung |
3421 | dieser Integration. |
3422 | |
3423 | Wir wollen die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund weiter |
3424 | verbessern. Wirksame Instrumentarien sollen - so wie die Förderung berufsbezo- |
3425 | gener Sprachkenntnisse - künftig als Regelinstrumente im SGB II und III zur Ver- |
3426 | fügung stehen. Damit wird den besonderen Unterstützungsbelangen dieser Per- |
3427 | sonengruppe Rechnung getragen. |
3428 | |
3429 | Wir wollen bestehende Migrantenunternehmen stärken und neue Existenzgründer |
3430 | gewinnen. Dazu ist eine gezielte individuelle und bedarfsgerechte Gründungsun- |
3431 | terstützung im Gründungsprozess erforderlich. In einer gezielten Beratungs- und |
3432 | Qualifizierungsinitiative sollen neben betriebswirtschaftlichen Kompetenzen fach- |
3433 | spezifisches Know-how sowie Sprachkenntnisse vermittelt werden. |
3434 | |
3435 | Wir stärken die "Charta der Vielfalt". Sie ist ein grundlegendes Bekenntnis zu Fair- |
3436 | ness und Wertschätzung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen. |
3437 | Die Potentiale und Talente von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund werden ge- |
3438 | fördert. Die "Charta der Vielfalt" ist nach kurzer Zeit ein sehr erfolgreiches Unter- |
3439 | nehmensnetzwerk geworden, zu dessen weiterer Entwicklung wir unseren Beitrag |
3440 | leisten werden. |
3441 | |
3442 | Auch der Bund ist sich seiner Rolle als Arbeitgeber bewusst. Er wird im Rahmen |
3443 | seiner Möglichkeiten mehr geeignete, befähigte und leistungsbereite Migranten |
3444 | beschäftigen. |
3445 | |
3446 | Das Bürgerschaftliche Engagement von Migranten wird weiter gefördert und ge- |
3447 | stärkt. Hierzu wird der beabsichtigte qualitative und quantitative Ausbau der Ju- |
3448 | gendfreiwilligendienste beitragen. Wir wollen sowohl die vermehrte Teilhabe von |
3449 | Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den Jugendfreiwilligendiensten errei- |
3450 | chen als auch das Ziel der Einbindung des Freiwilligen Sozialen Jahres zur Forcie- |
3451 | rung der Belange der Integration verfolgen. |
3452 | |
3453 | Mit dem Programm "Integration durch Sport" wollen wir besonders Frauen und |
3454 | Mädchen mit Migrationshintergrund ansprechen, um sie als Teilnehmer und auch |
3455 | Übungsleiter zu gewinnen. |
3456 | |
3457 | Wir wollen die Teilnahme zugewanderten Frauen und Mädchen aus allen Kultur- |
3458 | kreisen am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben fördern. Dafür brauchen wir |
3459 | eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive für Migrantinnen. Auch auf die Aufklä- |
3460 | rung über Menschenrechte, Bürgerrechte und Sozialrechte und auf die Sensibili- |
3461 | sierung für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss großes Au- |
3462 | genmerk gelegt werden. |
3463 | |
3464 | Optionsregelung |
3465 | |
3466 | Mit dem Staatsangehörigkeitsreformgesetz aus dem Jahr 1999 wurde der ius-soli- |
3467 | Erwerb für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern neu in das |
3468 | Staatsangehörigkeitsrecht eingeführt. Im Rahmen einer Übergangsregelung konn- |
3469 | ten Kinder, die zwischen 1990 und 2000 geboren worden sind, auf Antrag die |
3470 | deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Hiervon haben ca. 50.000 Kinder |
3471 | Gebrauch gemacht. Die ersten dieser Kinder (ca. 3.300) wurden im Jahr 2008 |
3472 | achtzehn Jahre alt und damit optionspflichtig. Bis zur Vollendung ihres 23. Le- |
3473 | bensjahres müssen sie sich für die deutsche oder die ausländische Staatsangehö- |
3474 | rigkeit entscheiden. Die Erfahrungen mit diesen ersten Optionsfällen sollen auf |
3475 | möglichen Verbesserungsbedarf sowohl in verfahrens- als auch materiellrechtli- |
3476 | cher Hinsicht überprüft und ggf. entsprechende Änderungsvorschläge erarbeitet |
3477 | werden. |
3478 | |
3479 | Wir werben dafür, dass möglichst viele Menschen, die die Ein- |
3480 | bürgerungsvoraussetzungen erfüllen, unsere Staatsbürgerschaft annehmen. Denn |
3481 | sie ist das stärkste Zeichen der Zugehörigkeit zu unserem Land und zur wechsel- |
3482 | seitigen Verantwortung seiner Bürger. Unverhältnismäßige Hemmnisse auf dem |
3483 | Weg zur Einbürgerung werden wir beseitigen. |
3484 | |
3485 | Bildung und Anerkennung |
3486 | |
3487 | Bildung ist die Basis für gesellschaftliche Integration und persönlichen Erfolg. In- |
3488 | tegration wird auch befördert, wenn die Menschen ihre im Ausland erworbenen |
3489 | Qualifikationen hier voll einsetzen können. In Deutschland leben viele tausend |
3490 | qualifizierte Migranten, deren im Herkunftsland erworbene Bildungs- und Berufs- |
3491 | abschlüsse nicht oder nicht vollständig anerkannt werden. Gerade mit Blick auf |
3492 | den Fachkräftemangel sind die Kenntnisse und Fähigkeiten aller Zuwanderer eine |
3493 | Ressource, auf die wir nicht verzichten können. |
3494 | |
3495 | Deshalb werden wir in Abstimmung mit den Ländern einen gesetzlichen Anspruch |
3496 | auf ein Anerkennungsverfahren schaffen, das feststellt, inwieweit im Ausland er- |
3497 | worbene Qualifikationen deutschen Ausbildungen entsprechen. Wir wollen, dass |
3498 | das Verfahren einfach, transparent und nutzerfreundlich gestaltet ist und streben |
3499 | eine Erstanlaufstelle an. Die Möglichkeiten für Anpassungs- bzw. Ergänzungsqua- |
3500 | lifizierungen werden wir ausbauen. Auch Teilanerkennungen sollen möglich sein, |
3501 | verbunden mit dem Angebot einer Anpassungsqualifizierung. |
3502 | |
3503 | Die Datenbank zur Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse wird ausgebaut. |
3504 | |
3505 | Evaluierung Sprachnachweis |
3506 | |
3507 | Kenntnisse der deutschen Sprache sind wesentliche Voraussetzung für eine er- |
3508 | folgreiche Integration. Daher sind die Regelungen zum Spracherwerb vor Ehegat- |
3509 | tennachzug sinnvoll. Es kommt entscheidend darauf an, dass für diese Zuzugswil- |
3510 | ligen hinreichend Möglichkeiten zum Spracherwerb bestehen. Wir wollen die hier |
3511 | bereits eingeleitete Überprüfung zügig abschließen. |
3512 | |
3513 | Das Erbringen der Sprachnachweise soll organisatorisch vereinfacht werden. Die |
3514 | Durchführung der Kurse und die Prüfungsabnahme werden nicht allein bei den |
3515 | Goethe-Instituten belassen, sondern auf alle entsprechende Qualität verbürgende |
3516 | Anbieter ausgeweitet. |
3517 | |
3518 | Die Koalitionspartner sind sich einig, die Anstrengungen zur Verhinderung von |
3519 | Scheinehen zu intensivieren und alle Maßnahmen, z. B. die Verlängerung der E- |
3520 | hebestandszeit zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltstitels von zwei auf |
3521 | drei Jahre, zu prüfen. Das Erschleichen von Aufenthaltstiteln muss nachhaltig be- |
3522 | kämpft werden. |
3523 | |
3524 | Die EU-Mitgliedstaaten müssen auch künftig die Zuständigkeit behalten, über Zu- |
3525 | wanderung in nationaler Verantwortung entscheiden zu können. Wir werden bei |
3526 | den Verhandlungen sorgfältig darauf achten, dass das Subsidiaritätsprinzip beach- |
3527 | tet wird, und dass die bestehenden nationalen Grundsätze und Standards gewahrt |
3528 | bleiben. |
3529 | |
3530 | Auf europäischer Ebene sehen wir hinsichtlich der internationalen Migrationsströ- |
3531 | me die Verantwortung Deutschlands in Europa und werden an der Sicherstellung |
3532 | humanitärer Standards initiativ mitwirken. |
3533 | |
3534 | Bleiberechtsregelung |
3535 | |
3536 | Hinsichtlich der gesetzlichen Altfallregelung sind wir uns einig, dass vor dem Hin- |
3537 | tergrund der momentanen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Handlungsbedarf |
3538 | in Bezug auf diejenigen Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" besteht, |
3539 | die voraussichtlich die gesetzlichen Vorgaben zur Lebensunterhaltssicherung zum |
3540 | Jahresende verfehlen werden. Zeitgerecht wird eine angemessene Regelung ge- |
3541 | funden werden. |
3542 | |
3543 | Die Residenzpflicht soll so ausgestaltet werden, dass eine hinreichende Mobilität |
3544 | insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme möglich ist; |
3545 | Wohnsitzbeschränkungen bleiben unberührt. |
3546 | |
3547 | Wir werden die aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen |
3548 | dahingehend ändern, dass der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird. |
3549 | |
3550 | Visa-Verfahren - Visa-Warndatei |
3551 | |
3552 | Wir stimmen darin überein, dass Personen, die mit rechtswidrigem Verhalten im |
3553 | Zusammenhang mit dem Visumverfahren, mit rechtswidrigem Verhalten bei sons- |
3554 | tigem Auslandsbezug bereits auffällig geworden sind, im Visumverfahren für eine |
3555 | nähere Überprüfung erkennbar gemacht werden müssen. |
3556 | |
3557 | Hierzu werden wir eine zentrale Visa-Warndatei schaffen, um so insbesondere die |
3558 | deutschen Visumbehörden bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen und den Prozess der |
3559 | Visumerteilungen insgesamt zu beschleunigen. Daten zu Einladern, Verpflich- |
3560 | tungsgebern oder Bestätigenden werden als notwendige Ergänzung der Daten- |
3561 | sätze zu Personen nur aufgenommen, wenn zu ihnen Warninhalte gespeichert |
3562 | sind. |
3563 | |
3564 | Evaluierung Abschiebehaftbedingungen |
3565 | |
3566 | An der Verhängung von Abschiebungshaft als ultima ratio zur Durchsetzung von |
3567 | Ausreisepflichten halten wir fest. Es kommt darauf an, dieses Mittel maßvoll und |
3568 | unter strikter Beachtung der Grundrechte anzuwenden. Wir wollen gemeinsam mit |
3569 | den Ländern überprüfen, ob - auch im Lichte der Vorgaben der EU- |
3570 | Rückführungsrichtlinie - Anpassungen im praktischen Vollzug von Abschiebung |
3571 | und Abschiebungshaft sinnvoll sind. |
3572 | |
3573 | Asylbewerberleistungsgesetz |
3574 | |
3575 | Das Asylbewerberleistungsgesetz werden wir im Hinblick auf das Sachleistungs- |
3576 | prinzip evaluieren. |
3577 | |
3578 | 6. Ehrenamt |
3579 | |
3580 | Die Förderung des Zusammenhalts ist in offenen, demokratischen Gesellschaften |
3581 | auch Aufgabe von Politik und Staat, denn er trägt maßgeblich zum gesellschaftli- |
3582 | chen Klima in unserem Land bei. Millionen von Bürger machen mit ihren ehren- |
3583 | amtlichen Tätigkeiten und ihrem bürgerschaftlichem Engagement Deutschland zu |
3584 | einem lebenswerten und friedfertigen Land. Gesellschaftliche Integration im Sinne |
3585 | einer Vermittlung von Werten und Haltungen wie Toleranz, Respekt und Rück- |
3586 | sichtnahme durch das tägliche Miteinander in Familien, Schulen, Unternehmen, |
3587 | Vereinen und vielen anderen Zusammenschlüssen gleichgesinnter Menschen |
3588 | sorgen daneben auch für eine nachhaltige Eindämmung von Extremismus, Anti- |
3589 | semitismus und Jugendgewalt. |
3590 | |
3591 | Notwendig ist, dass Menschen nicht von gesellschaftlicher Teilhabe und der ge- |
3592 | sellschaftlichen Wertegrundlage abgehängt werden. Wir werden mit allen zivilge- |
3593 | sellschaftlichen Gruppen gemeinsam daran arbeiten, dass gerade Kinder und Ju- |
3594 | gendliche die Wertgrundlagen unserer Gesellschaft mit auf ihren Lebensweg neh- |
3595 | men. Insbesondere darf gesellschaftliche Teilhabe nicht von der finanziellen und |
3596 | wirtschaftlichen Haushaltslage des Einzelnen oder von Familien abhängen. |
3597 | Zugleich kann der Staat nicht auf die Mitwirkung und Verantwortung der Bürger für |
3598 | sich und ihre Familien verzichten. Wir erwarten, dass Eltern ihre Rechte und |
3599 | Pflichten wahrnehmen. Diese gehören untrennbar zusammen. |
3600 | |
3601 | Die vielfältigen Investitionen im Engagement sind besser zu fördern, stärker zu |
3602 | vernetzen und vor allem denen zugänglich zu machen, die wir für bürgerschaftli- |
3603 | ches Engagement begeistern wollen. |
3604 | |
3605 | Wir wollen eine Nationale Engagementstrategie u. a. zusammen mit dem Nationa- |
3606 | len Forum für Engagement und Partizipation umsetzen, ein Gesetz zur Förderung |
3607 | des bürgerschaftlichen Engagements verfolgen, das alle geeigneten Rahmenbe- |
3608 | dingungen für eine nachhaltige Infrastruktur und Stabilisierung von Engagement |
3609 | und Partizipation berücksichtigt und zur Bündelung, Abstimmung und Weiterent- |
3610 | wicklung von Förderprogrammen ein geeignetes bundeseinheitliches Förderin- |
3611 | strument aufstellen. |
3612 | |
3613 | Wir werden die Qualität der Jugendfreiwilligendienste "Freiwilliges Soziales Jahr" |
3614 | und "Freiwilliges Ökologisches Jahr" als Bildungsdienste nachhaltig sichern stär- |
3615 | ken. |
3616 | |
3617 | Der Kindergeldbezug in Zeiten geregelter und ungeregelter Jugendfreiwilligen- |
3618 | dienste wird vereinheitlicht, ein Kindergeldbezug während der Wehr- und Zivil- |
3619 | dienstzeit wird geprüft. |
3620 | |
3621 | Durch eine gemeinsame ressortübergreifende Strategie werden einheitliche und |
3622 | transparente Bedingungen für alle Freiwilligendienstleistenden geschaffen. Einen |
3623 | einheitlichen Status für Freiwilligendienstleistende im Zuge eines "Freiwilligen- |
3624 | dienststatusgesetzes" streben wir an. |
3625 | |
3626 | Wir wollen den vielfältigen ehrenamtlichen Einsatz für kulturelle Angebote und Entfal- |
3627 | tungsmöglichkeiten nachhaltig unterstützen und für mehr Anerkennung für das Eh- |
3628 | renamt sorgen. Ehrenamtlich Engagierte sollen von Bürokratie und Haftungsrisiken |
3629 | entlastet werden. Wir wollen die Angebote für das Freiwillige Soziale Jahr in der Kul- |
3630 | tur ausweiten. |
3631 | |
3632 | Aktives Alter |
3633 | |
3634 | Die großen Potentiale und Kompetenzen der älteren Menschen sind eine wertvolle |
3635 | Ressource im demographischen Wandel. Mittelfristig wird die Entwicklung einer |
3636 | differenzierten, flächendeckenden Struktur der Förderung des Engagements im |
3637 | Alter, der Selbstorganisation und Nachbarschaftshilfe angestrebt. |
3638 | |
3639 | Zivildienst |
3640 | |
3641 | Der Zivildienst entfaltet sozialpolitische Wirkungen. Wir fördern auch künftig die |
3642 | Möglichkeit, den Zivildienst mit den darin erworbenen Fähigkeiten für die weitere |
3643 | Ausbildung nutzbar zu machen. Eine mögliche Doppelableistung von Zivildienst |
3644 | und Freiwilligem Sozialen Jahr soll künftig ausgeschlossen sein. Wir wollen den |
3645 | Lückenschluss zwischen Ende des Zivildienstes und den Ausbildungsbeginn |
3646 | durch die Möglichkeit einer abschnittsweisen Ableistung des Zivildienstes prüfen. |
3647 | |
3648 | Die künftige Struktur der Wehrpflicht wird sich im Zivildienst widerspiegeln, der |
3649 | Dienstleistungen der sozialen Einrichtungen weiter zu sichern hilft. |
3650 | |
3651 | 7. Soziale Hilfe und Sozialversicherungen |
3652 | |
3653 | 7.1. Arbeitslosenversicherung und Bundesagentur für Arbeit |
3654 | |
3655 | Effizienzsteigerung bei den Arbeitsmarktinstrumenten |
3656 | |
3657 | Wir stehen für eine effektive und effiziente Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslose da- |
3658 | bei unterstützt, rasch wieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu |
3659 | finden. Denn unser Ziel der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist es, Arbeitssuchende |
3660 | erfolgreich in Beschäftigung zu vermitteln. Das gilt insbesondere auch für diejeni- |
3661 | gen Arbeitssuchenden, die spezifische Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben |
3662 | und einen großen Bedarf an Qualifizierung und Weiterbildung aufweisen. Die Ar- |
3663 | beitsmarktinstrumente der Arbeitsverwaltung müssen mit dieser Maßgabe auf den |
3664 | Prüfstand gestellt werden. Wir wollen die Vielzahl der bestehenden Arbeitsmarkt- |
3665 | instrumente deutlich reduzieren. Unser Ziel ist es, vor Ort ein hohes Maß an Er- |
3666 | messenspielraum - kombiniert mit einem wirksamen Controlling - zu erreichen |
3667 | und dadurch die Integration in den Arbeitsmarkt entsprechend den regionalen Be- |
3668 | dingungen deutlich zu verbessern. Die Koalition wird deshalb Voraussetzungen |
3669 | dafür schaffen, dass neue Lösungsansätze wie z. B. die "Bürgerarbeit" oder markt- |
3670 | gerecht ausgestaltete Vermittlungsgutscheine ab Beginn der Arbeitslosigkeit er- |
3671 | probt werden können. |
3672 | |
3673 | Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung |
3674 | sowie zur Stabilisierung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung. Wir begeg- |
3675 | nen den Sorgen vieler Menschen vor Abstieg und Überforderung, indem wir |
3676 | marktgerechte Arbeitsplätze fördern statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das Prin- |
3677 | zip des "Förderns und Forderns" bleibt Maßstab unseres Handelns. |
3678 | |
3679 | 7.2 Grundsicherung |
3680 | |
3681 | Hinzuverdienst |
3682 | |
3683 | Arbeit und Leistung müssen sich lohnen. Für uns gilt: Wenn man arbeitet, muss |
3684 | man mehr haben als wenn man nicht arbeitet. Deshalb werden wir die Hinzuver- |
3685 | dienstregelungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende deutlich verbessern. |
3686 | Damit erhöhen wir auch den Anreiz, eine voll sozialversicherungspflichtige Be- |
3687 | schäftigung zu suchen und anzunehmen. Das kann auch dazu beitragen, die So- |
3688 | zialkassen zu entlasten. |
3689 | |
3690 | Schonvermögen |
3691 | |
3692 | Wir wollen mehr Sicherheit für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren und |
3693 | längere Zeit keinen neuen Arbeitsplatz finden können. Die Förderung der privaten |
3694 | Altersvorsorge ist eine wichtige Maßnahme zur Verhinderung einer zukünftigen |
3695 | Altersarmut von breiten Bevölkerungsschichten. Deswegen werden wir die private |
3696 | Altersvorsorge besser schützen. Wir werden den Freibetrag beim Schonvermögen |
3697 | im SGB II, der verbindlich der Altersvorsorge dient, auf 750 Euro pro Lebensjahr |
3698 | wesentlich erhöhen. Bedingung dafür ist, dass das Altersvorsorgevermögen erst |
3699 | mit Eintritt in den Ruhestand verfügbar ist. So stärken wir die eigenständige Alter- |
3700 | vorsorge. Sie darf nicht bestraft werden - auch nicht, wenn man auf das Arbeitslo- |
3701 | sengeld II angewiesen sein sollte. |
3702 | |
3703 | Zusätzlich wollen wir die selbstgenutzte Immobilie umfassend schützen. |
3704 | |
3705 | SGB II-Strukturreform |
3706 | |
3707 | Die Koalition will die Aufgabenwahrnehmung und Finanzierung für Langzeitar- |
3708 | beitslose im Sinne der Menschen neu ordnen. Wir streben eine verfassungsfeste |
3709 | Lösung ohne Änderung des Grundgesetzes und ohne Änderung der Finanzbezie- |
3710 | hungen an, die dazu beiträgt, dass Langzeitarbeitslosigkeit vermieden bzw. so |
3711 | schnell wie möglich überwunden wird. |
3712 | |
3713 | Dabei gilt es, die Kompetenz und Erfahrung der Länder und der Kommunen vor |
3714 | Ort sowie der Bundesagentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung für |
3715 | die Betreuung und Vermittlung der Langzeitarbeitslosen zu nutzen. Die bestehen- |
3716 | den Optionskommunen sollen diese Aufgabe unbefristet wahrnehmen können. |
3717 | Dabei muss kommunalen Neugliederungen Rechnung getragen werden können. |
3718 | |
3719 | Die Bundesagentur für Arbeit erhält die Aufgabe, den Kommunen attraktive Ange- |
3720 | bote zur freiwilligen Zusammenarbeit zu unterbreiten. Dazu wird das Bundesminis- |
3721 | terium für Arbeit und Sozialordnung einen "Mustervertrag" ausarbeiten, der die |
3722 | Zusammenarbeit regelt und die kommunale Selbstverwaltung achtet. Unser Ziel ist |
3723 | eine bürgerfreundliche Verwaltung, die unnötige Doppelarbeit vermeidet. |
3724 | |
3725 | Pauschalierungen |
3726 | |
3727 | In diesem Zusammenhang werden auch die Kosten der Unterkunft transparent |
3728 | und rechtssicher ausgestaltet. Wir werden auf der Basis der vorhandenen gesetz- |
3729 | lichen Regelungen prüfen, die Energie- und Nebenkosten sowie ggf. die Kosten |
3730 | der Unterkunft zu pauschalieren. Dabei sind regionale Besonderheiten zu berück- |
3731 | sichtigen. Wir wollen damit auch dazu beitragen, dass die Zahl der Prozesse in |
3732 | diesem Bereich zurückgeht und gleichzeitig Anreize für einen sparsamen Energie- |
3733 | verbrauch setzen. |
3734 | |
3735 | Wir werden das Wohngeldrecht hinsichtlich der Schnittstellen zu anderen sozialen |
3736 | Sicherungssystemen überprüfen und streben weitere Vereinfachungen bei der |
3737 | Ermittlung des Wohngeldanspruchs an. |
3738 | |
3739 | Wir werden prüfen, ob die von den Familienkassen durchgeführte Auszahlung des |
3740 | Kindergeldes einer anderen Stelle übertragen werden kann. Darüber hinaus wird |
3741 | geprüft, ob weitere steuerfinanzierte familienpolitische Leistungen zusammenge- |
3742 | fasst werden können. |
3743 | |
3744 | Bürgergeld |
3745 | |
3746 | Die Koalition nimmt sich vor, die vielfältigen und kaum noch überschaubaren steu- |
3747 | erfinanzierten Sozialleistungen darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Um- |
3748 | fang eine Zusammenfassung möglich ist. In diese Prüfung wird auch das Konzept |
3749 | eines bedarfsorientierten Bürgergeldes einbezogen. |
3750 | |
3751 | 7.3 Weitere Sozialversicherungen |
3752 | |
3753 | Unfallversicherung |
3754 | |
3755 | Der Leistungskatalog wird mit Blick auf ein zielgenaues Leistungsrecht überprüft, |
3756 | die Wirtschaftlichkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften wird verbessert |
3757 | und das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung entbürokratisiert. |
3758 | |
3759 | Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes |
3760 | |
3761 | Wir wollen, dass auch erwerbsgeminderte Menschen angemessen sozial abgesi- |
3762 | chert sind. Wir werden prüfen, ob und wie die Absicherung gegen das Erwerbs- |
3763 | minderungsrisiko in der staatlich geförderten Vorsorge kostenneutral verbessert |
3764 | werden kann. |
3765 | |
3766 | Künstlersozialversicherung |
3767 | |
3768 | Wir werden die Stabilisierung der Künstlersozialversicherung mit einer transparen- |
3769 | ten und nachvollziehbaren Versicherungspflicht fortsetzen. |
3770 | |
3771 | 7.4. Menschen mit Behinderungen |
3772 | |
3773 | Wir treten für eine tatsächliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am |
3774 | gesellschaftlichen Leben ein. Unser Ziel ist, die Rahmenbedingungen für Men- |
3775 | schen mit und ohne Behinderungen positiv zu gestalten. Voraussetzung hierfür ist |
3776 | u. a. die Barrierefreiheit in allen Bereichen von Schule über Ausbildung bis zum |
3777 | Beruf sowie von Verkehr über Medien und Kommunikationstechnik bis hin zum |
3778 | Städtebau. Politische Entscheidungen, die Menschen mit Behinderungen direkt |
3779 | oder indirekt betreffen, müssen sich an den Inhalten der UN-Konvention über die |
3780 | Rechte der Menschen mit Behinderungen messen lassen. Deshalb werden wir |
3781 | einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Men- |
3782 | schen mit Behinderungen entwickeln. |
3783 | |
3784 | Wir wollen, dass ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen länger und |
3785 | lebenswerter in ihrem gewohnten Umfeld wohnen können. Das KfW- |
3786 | Förderprogramm zur Versorgung mit altersgerechtem Wohnraum wird weiterent- |
3787 | wickelt. |
3788 | |
3789 | 8. Rente |
3790 | |
3791 | Verbesserung der Kindererziehung in der Alterssicherung |
3792 | |
3793 | Wir werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten prüfen, wie wir die familien- |
3794 | politische Komponente stärken und deshalb Erziehungsleistungen in der Alterssi- |
3795 | cherung noch besser berücksichtigen können. |
3796 | |
3797 | Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge |
3798 | |
3799 | Wir bekennen uns zur staatlich geförderten Altersvorsorge. Eine Vielzahl von |
3800 | Menschen nutzt diesen Weg, um private Vorsorge zu betreiben. Wir werden prü- |
3801 | fen, ob es notwendig und finanziell darstellbar ist, weiteren Personengruppen, ins- |
3802 | besondere Selbständigen, den Zugang zur staatlich geförderten Altersvorsorge zu |
3803 | ermöglichen. |
3804 | |
3805 | Kampf gegen Altersarmut |
3806 | |
3807 | Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch veränderte wirtschaftliche und |
3808 | demographische Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut |
3809 | besteht. Deshalb wollen wir, dass sich die private und betriebliche Altersvorsorge |
3810 | auch für Geringverdiener lohnt und auch diejenigen, die ein Leben lang Vollzeit |
3811 | gearbeitet und vorgesorgt haben, ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsiche- |
3812 | rung erhalten, das bedarfsabhängig und steuerfinanziert ist. Hierzu wird eine Re- |
3813 | gierungskommission einen Vorschlag für eine faire Anpassungsregel entwickeln. |
3814 | |
3815 | Rentenangleichung Ost / West |
3816 | |
3817 | Das gesetzliche Rentensystem hat sich auch in den Neuen Ländern bewährt. Wir |
3818 | führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West |
3819 | ein. |
3820 | |
3821 | 9. Gesundheit und Pflege |
3822 | |
3823 | Wir werden das deutsche Gesundheitswesen innovationsfreundlich, leistungsge- |
3824 | recht und demographiefest gestalten. Wir benötigen eine zukunftsfeste Finanzie- |
3825 | rung, Planbarkeit und Verlässlichkeit sowie Solidarität und Eigenverantwortung. |
3826 | Wir brauchen eine Kultur des Vertrauens anstelle überzogener bürokratischer Vor- |
3827 | schriften. |
3828 | |
3829 | Gesundheit hat für die Menschen in unserem Land eine hohe Bedeutung. Sie |
3830 | müssen sicher sein können, dass sie im Krankheits- und Pflegefall gut versorgt |
3831 | sind. Die Qualität der Versorgung und ihre flächendeckende Bereitstellung sind |
3832 | uns ein zentrales Anliegen. Eine hochwertige Gesundheitsversorgung muss vom |
3833 | Menschen her gedacht werden. Dafür ist ein Umdenken erforderlich. |
3834 | |
3835 | Die in den Gesundheits- und Pflegeberufen Tätigen leisten einen wichtigen Beitrag |
3836 | für unser Gemeinwesen. Sie verdienen unseren Respekt und Anerkennung. Die |
3837 | Attraktivität dieser Berufe muss auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie |
3838 | und Beruf verbessert werden. |
3839 | |
3840 | Das Gesundheitswesen ist gerade in einer älter werdenden Gesellschaft die Zu- |
3841 | kunftsbranche mit bereits jetzt über 4 Millionen Beschäftigten. Es ist der Bereich |
3842 | mit der höchsten Innovationsrate und einem geradezu explosionsartig zunehmen- |
3843 | den Wissen. Wir wollen den Rahmen so setzen, dass sich der Wettbewerb der |
3844 | Ideen im ständigen Bemühen um eine Verbesserung der Qualität der Versorgung |
3845 | entfalten kann. |
3846 | |
3847 | 9.1. Gesundheit |
3848 | |
3849 | Prävention zielgerichtet gestalten |
3850 | |
3851 | Prävention ist ein wichtiger Baustein für ein gesundes Leben und für unsere Ge- |
3852 | sellschaft. Sie muss zu allererst bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Präventi- |
3853 | on kann dabei helfen, künftige Belastungen der Sozialsysteme zu verringern. Ziel- |
3854 | gruppenspezifische Aufklärung soll dazu beitragen, Eigenverantwortlichkeit und |
3855 | Gesundheitsbewusstsein zu stärken. Unsere Präventionsstrategie wird Vorhande- |
3856 | nes bewerten und aufeinander abstimmen, nationale und internationale Erfahrun- |
3857 | gen und Erkenntnisse analysieren sowie auf bewährten Programmen und Struktu- |
3858 | ren aufbauen, diese weiterentwickeln und sie in die Fläche bringen. Dazu bedarf |
3859 | es einer klaren Aufgaben- und Finanzverteilung unter Berücksichtigung und Stär- |
3860 | kung der vorhandenen Strukturen. |
3861 | |
3862 | Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes |
3863 | |
3864 | Wir wollen, dass auch in Zukunft alle Menschen in Deutschland unabhängig von |
3865 | Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichem Risiko weiterhin die |
3866 | notwendige medizinische Versorgung qualitativ hochwertig und wohnortnah erhal- |
3867 | ten und alle am medizinischen Fortschritt teilhaben können. |
3868 | |
3869 | Aufgrund des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts und des |
3870 | demographischen Wandels müssen Struktur, Organisation und Finanzierung der |
3871 | gesetzlichen Krankenversicherung angepasst werden. Dabei darf keine Generati- |
3872 | on über Gebühr belastet werden. |
3873 | |
3874 | Wettbewerb der Krankenversicherungen wirkt als ordnendes Prinzip mit den Zie- |
3875 | len der Vielfalt, der Effizienz und der Qualität der Versorgung. |
3876 | |
3877 | Wir wollen, dass die Krankenversicherungen genügend Spielraum erhalten, um im |
3878 | Wettbewerb gute Verträge gestalten zu können und regionalen Besonderheiten |
3879 | gerecht zu werden. |
3880 | |
3881 | Der Weg in die Einheitskasse und ein staatlich zentralistisches Gesundheitssys- |
3882 | tem sind der falsche Weg, um die zukünftigen Herausforderungen bürgernah zu |
3883 | bewältigen. |
3884 | |
3885 | Die Finanzierbarkeit muss auch mittel- und langfristig gewährleistet sein. |
3886 | |
3887 | Der Gesundheitsmarkt ist der wichtigste Wachstums- und Beschäftigungssektor in |
3888 | Deutschland. |
3889 | |
3890 | Beitrag und Leistung müssen in einem adäquaten Verhältnis stehen. Es braucht |
3891 | zudem Anreize für kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten. |
3892 | |
3893 | Die Versicherten sollen auf der Basis des bestehenden Leistungskatalogs soweit |
3894 | wie möglich ihren Krankenversicherungsschutz selbst gestalten können. |
3895 | |
3896 | Wir wollen einen Einstieg in ein gerechteres, transparenteres Finanzierungssys- |
3897 | tem. Der Morbi-RSA wird auf das notwendige Maß reduziert, vereinfacht sowie |
3898 | unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen gestaltet. Die derzeitige Situation |
3899 | ist gekennzeichnet durch ein prognostiziertes Defizit, das sich sowohl aus krisen- |
3900 | bedingten Beitragsausfällen als auch gesundheitssystemimmanenten Ausgaben- |
3901 | steigerungen (Demographie, Innovationskosten, Fehlwirkungen) zusammensetzt. |
3902 | |
3903 | Kurzfristige Maßnahmen umfassen 2 Komponenten: |
3904 | 1. Krisenbedingte Einnahmeausfälle dürfen nicht alleine den Versicherten |
3905 | aufgebürdet werden, deshalb werden gesamtstaatliche flankierende Maß- |
3906 | nahmen zur Überbrückung der Krise erfolgen. |
3907 | 2. Unnötige Ausgaben sind zu vermeiden. |
3908 | |
3909 | Langfristig wird das bestehende Ausgleichssystem überführt in eine Ordnung mit |
3910 | mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkom- |
3911 | mensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden. Weil |
3912 | wir eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatz- |
3913 | kosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest. Zu Beginn der Legislaturperiode |
3914 | wird eine Regierungskommission eingesetzt, die die notwendigen Schritte dazu |
3915 | festlegt. |
3916 | |
3917 | Wettbewerb im Krankenversicherungswesen |
3918 | |
3919 | Neben der gesetzlichen Krankenversicherung sind für uns die privaten Kranken- |
3920 | versicherungen als Voll- und Zusatzversicherung ein konstitutives Element in ei- |
3921 | nem freiheitlichen Gesundheitswesen. Wir werden bei den Wahltarifen der gesetz- |
3922 | lichen Krankenversicherung die Abgrenzung zwischen diesen beiden Versiche- |
3923 | rungssäulen klarer ausgestalten und die Möglichkeiten ihrer Zusammenarbeit |
3924 | beim Angebot von Wahl- und Zusatzleistungen erweitern. |
3925 | |
3926 | Wir werden die Entwicklung im Basistarif der privaten Krankenversicherung beo- |
3927 | bachten. Das Verhältnis von reduzierten Beiträgen im Basistarif aufgrund von Hil- |
3928 | febedürftigkeit und dem Abschluss privater Zusatzversicherungen wird überprüft. |
3929 | Ein Wechsel in die private Krankenversicherung wird zukünftig wieder nach ein- |
3930 | maligem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze möglich sein. |
3931 | |
3932 | Hochwertige und innovative Arzneimittelversorgung für Deutschland |
3933 | |
3934 | Die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln |
3935 | hat für uns hohe Priorität. Die freiberuflichen Apothekerinnen und Apotheker spie- |
3936 | len für eine gute Arzneimittelversorgung eine zentrale und wichtige Rolle. Eine |
3937 | Änderung des bestehenden Mehr- und Fremdbesitzverbotes lehnen wir deshalb |
3938 | ab. Wir werden die Auswüchse beim Versandhandel bekämpfen, indem wir die |
3939 | Abgabe von Arzneimitteln in den sogenannten Pick-up-Stellen verbieten. |
3940 | |
3941 | Die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Instrumente, die den Arzneimit- |
3942 | telmarkt regeln, werden wir überprüfen. Die Überregulierung wird abgebaut. Der |
3943 | Arzneimittelmarkt wird unter patienten-, mittelstandsfreundlichen und wettbe- |
3944 | werblichen Kriterien effizient neu geordnet. |
3945 | |
3946 | Wir wollen, dass den Patientinnen und Patienten in Deutschland auch künftig in- |
3947 | novative Arzneimittel zur Verfügung stehen. Die Chancen innovativer Arzneimittel |
3948 | für Patientinnen und Patienten, Wachstum und Beschäftigung wollen wir künftig |
3949 | besser nutzen, ohne dabei die Finanzierung der Krankenversicherung zu gefähr- |
3950 | den. Vereinbarungen zwischen Krankenversicherung und pharmazeutischen Her- |
3951 | stellern können ein Weg sein, um dieses Ziel zu erreichen. |
3952 | |
3953 | Kosten-Nutzen-Bewertungen müssen praktikabel nach klaren, eindeutigen Krite- |
3954 | rien erfolgen. Die Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- |
3955 | sundheitswesen (IQWiG) werden wir auch unter dem Gesichtspunkt stringenter, |
3956 | transparenter Verfahren überprüfen und damit die Akzeptanz von Entscheidungen |
3957 | für Patienten und Patienten, Leistungserbringer und Hersteller verbessern. Dabei |
3958 | werden wir die Betroffenen frühzeitig beteiligen. |
3959 | |
3960 | Vielfalt und Wettbewerb in der Versorgung |
3961 | |
3962 | Wettbewerb um Leistungen, Preise und Qualität ermöglicht eine an den Bedürf- |
3963 | nissen der Versicherten ausgerichtete Krankenversicherung sowie eine gute me- |
3964 | dizinische Versorgung. Auf der Versicherungs-, Nachfrage- und Angebotsseite |
3965 | werden die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb um innovati- |
3966 | ve und effiziente Lösungen geschaffen, der den Versicherten und Patienten zugu- |
3967 | te kommt, sie in den Mittelpunkt stellt und ihnen Entscheidungsspielräume ermög- |
3968 | licht. |
3969 | |
3970 | Wir wollen, dass das allgemeine Wettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen grund- |
3971 | sätzlich auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung fin- |
3972 | det. Insbesondere bei Rabattverträgen, Fusionen von Krankenhäusern und Kran- |
3973 | kenkassen sehen wir Überprüfungsbedarf. Dazu gehört auch die Überprüfung des |
3974 | Rechtswegs. |
3975 | |
3976 | Ärztliche Versorgung und freier Arztberuf |
3977 | |
3978 | Die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit ist ein tragendes Prinzip unsere Ge- |
3979 | sundheitsversorgung und sichert die Therapiefreiheit. Die freie Arztwahl durch die |
3980 | Patientinnen und Patienten ist dabei Ausdruck eines freiheitlichen Gesundheits- |
3981 | wesens und die Basis für das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin |
3982 | und Arzt und Patientin und Patient. Diese Struktur der ambulanten Versorgung |
3983 | wollen wir aufrechterhalten. Die Besonderheiten einer wohnortnahen Versorgung |
3984 | in ländlichen Bereichen werden dabei Berücksichtigung finden. |
3985 | |
3986 | Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sollen nur unter bestimmten Vorausset- |
3987 | zungen zugelassen werden. Geschäftsanteile können nur von zugelassenen Ärz- |
3988 | tinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern gehalten werden. Wesentlich ist dabei |
3989 | vor allem, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Ärztinnen und |
3990 | Ärzten zusteht und das MVZ von Ärztinnen und Ärzten verantwortlich geführt wird. |
3991 | Für den Bereich unterversorgter Gebiete soll eine Öffnungsklausel für Kranken- |
3992 | häuser vorgesehen werden, wenn keine Interessenten aus dem Bereich der Ärz- |
3993 | tinnen und Ärzte zur Verfügung stehen. |
3994 | |
3995 | Die Ärztinnen und Ärzte brauchen einen gesicherten Rahmen für ihre Arbeit. Eine |
3996 | Grundvoraussetzung ist ein einfaches, verständliches Vergütungssystem, das die |
3997 | Leistungen adäquat abbildet. Dabei werden regionale Besonderheiten Berücksich- |
3998 | tigung finden. Nach kritischer Überprüfung wird die Honorarreform unter dieser |
3999 | Zielsetzung zusammen mit den Beteiligten den erforderlichen Kurskorrekturen un- |
4000 | terzogen. |
4001 | |
4002 | Wir wollen die Transparenz für Ärztinnen und Ärzte sowie Versicherte erhöhen. |
4003 | Deshalb wollen wir die Möglichkeiten der Kostenerstattung ausweiten. Es dürfen |
4004 | dem Versicherten durch die Wahl der Kostenerstattung keine zusätzlichen Kosten |
4005 | entstehen. |
4006 | |
4007 | Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wird an den aktuellen Stand der Wissen- |
4008 | schaft angepasst. Dabei sind Kostenentwicklungen zu berücksichtigen. |
4009 | |
4010 | Angesichts der vielfältigen Steuerungsinstrumente werden wir überprüfen, ob wei- |
4011 | terhin eine Notwendigkeit für Richtgrößen für ärztliche Verordnungen besteht. Wir |
4012 | wollen die Zahlung der Praxisgebühr in ein unbürokratisches Erhebungsverfahren |
4013 | überführen. |
4014 | |
4015 | Wir werden nach drei Jahren feststellen, wie viele Hausarztverträge deutschland- |
4016 | weit abgeschlossen worden sind. |
4017 | |
4018 | Flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung |
4019 | |
4020 | Die Sicherstellung der flächendeckenden und bedarfsgerechten medizinischen |
4021 | Versorgung ist uns ein zentrales gesundheitspolitisches Anliegen, das im Hinblick |
4022 | auf die demographische und gesellschaftliche Entwicklung noch an Bedeutung |
4023 | gewinnt. |
4024 | |
4025 | Der in manchen Regionen sich abzeichnenden Unterversorgung durch Ärzteman- |
4026 | gel und zunehmend längeren Wartezeiten muss wirksam begegnet werden. Dazu |
4027 | werden wir die Voraussetzungen schaffen, damit die Gemeinsame Selbstverwal- |
4028 | tung die Bedarfsplanung zielgerichtet weiter entwickeln kann. |
4029 | |
4030 | Um der gemeinsamen Verantwortung für regionale Bedürfnisse und Strukturen |
4031 | besser gerecht zu werden, wollen wir fachliche Einwirkungsmöglichkeiten für die |
4032 | Länder prüfen. |
4033 | |
4034 | Dem in den nächsten Jahren drohenden Ärztemangel ist durch Abbau von Büro- |
4035 | kratie und eine leistungsgerechte Vergütung wirksam auch durch folgende Maß- |
4036 | nahmen zu begegnen: |
4037 | - gezielte Nachwuchsgewinnung und Förderung von Medizinstudierenden |
4038 | und Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung, |
4039 | - Ausbau der Anreize und Mobilitätshilfen bei der Niederlassung von Ärztin- |
4040 | nen und Ärzten in unterversorgten Gebieten und |
4041 | - Erweiterung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher und anderer Tätigkei- |
4042 | ten zur Entlastung von Ärztinnen und Ärzten. |
4043 | |
4044 | Zahnmedizinische Versorgung |
4045 | |
4046 | Die Maßnahmen im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung zielen auf ei- |
4047 | ne weitere Verbesserung der Mundgesundheit und die präventionsorientierte Aus- |
4048 | richtung der Versorgung ab. Grundlage hierfür sind freiberufliche Strukturen und |
4049 | die freie Arztwahl der Patientinnen und Patienten. |
4050 | |
4051 | Auch bei der vertragszahnärztlichen Vergütung hat sich die Ausgabensteuerung |
4052 | über die Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung überholt. Insgesamt |
4053 | müssen neue Regelungen gefunden werden. Regionale Besonderheiten werden |
4054 | berücksichtigt. Die vertragszahnärztliche Vergütung in den neuen Bundesländern |
4055 | wird angepasst. |
4056 | |
4057 | Um die Wahl der Kostenerstattung für Patientinnen und Patienten zu erleichtern, |
4058 | werden bürokratische Hürden und Hemmnisse abgebaut. |
4059 | |
4060 | Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) wird an den aktuellen Stand der Wis- |
4061 | senschaft angepasst. Dabei sind Kostenentwicklungen zu berücksichtigen. |
4062 | |
4063 | Die Approbationsordnung für Zahnärzte soll novelliert werden. |
4064 | |
4065 | Krankenhausversorgung |
4066 | |
4067 | Deutschland braucht leistungsfähige Krankenhäuser für eine hochwertige, innova- |
4068 | tive, flächendeckende und wohnortnahe Patientenversorgung. Dafür wollen wir die |
4069 | Grundlagen sichern und dazu beitragen, dass die Arbeit im Krankenhaus attraktiv |
4070 | bleibt. Dafür bedarf es effizienter Strukturen. Der Prozess einer besseren Verzah- |
4071 | nung der Sektoren wird fortgesetzt. Dabei ist es unser Ziel das bestehende Be- |
4072 | legarztsystem beizubehalten und zu stärken. Das Verfahren, das die Zulassung |
4073 | von Krankenhäusern zur ambulanten Versorgung bei hochspezialisierten Leistun- |
4074 | gen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläu- |
4075 | fen regelt, wird kritisch überprüft und gegebenenfalls präzisiert. Die Leistungsfä- |
4076 | higkeit der Krankenhäuser in den Regionen muss bei verlässlicher Investitionsfi- |
4077 | nanzierung gewahrt bleiben. Das DRG-System begreifen wir als lernendes Sys- |
4078 | tem. Es soll in seinen Auswirkungen weiter beobachtet und, wo notwendig, weiter- |
4079 | entwickelt werden. Ein Augenmerk gilt dabei auch der Notfallversorgung. Bundes- |
4080 | einheitliche Preise werden abgelehnt. |
4081 | |
4082 | Menschenwürdige Hospiz- und Palliativversorgung |
4083 | |
4084 | Die bestehenden Regelungen zur Hospiz- und Palliativversorgung müssen ohne |
4085 | überzogene Anforderungen zügig umgesetzt, gelebt und wo notwendig verbessert |
4086 | werden. Die ehrenamtlich Tätigen, ihre Anerkennung und geeignete Rahmenbe- |
4087 | dingungen spielen hierbei eine wichtige Rolle. |
4088 | |
4089 | Patientensouveränität und Patientenrechte |
4090 | |
4091 | Im Mittelpunkt der medizinischen Versorgung steht das Wohl der Patientinnen und |
4092 | Patienten. Die Versicherten sollen in die Lage versetzt werden, möglichst selb- |
4093 | ständig ihre Rechte gegenüber den Krankenkassen und Leistungserbringern |
4094 | wahrzunehmen. Aus diesem Grund soll eine unabhängige Beratung von Patien- |
4095 | tinnen und Patienten ausgebaut werden. Die Patientinnen und Patienten sollen bei |
4096 | der Wahrnehmung ihrer Interessen unterstützt werden. Wir wollen mehr Transpa- |
4097 | renz und Orientierung für Patientinnen und Patienten sowie Versicherte im Ge- |
4098 | sundheitswesen über Qualität, Leistung und Preis. Die erforderliche Transparenz |
4099 | umfasst auch die Versichertentarife in besonderen Versorgungsformen und -ver- |
4100 | trägen. |
4101 | |
4102 | Die Patientenrechte wollen wir in einem eigenen Patientenschutzgesetz bündeln, |
4103 | das wir in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten am Gesundheitswesen erarbeiten |
4104 | werden. |
4105 | |
4106 | Individuelle Wahl- und Entscheidungsspielräume |
4107 | |
4108 | Wir wollen die individuellen Wahlmöglichkeiten und Entscheidungsspielräume der |
4109 | Patientinnen und Patienten sowie der Versicherten erweitern. Bei Leistungen des |
4110 | Zahnersatzes, bei Arzneimitteln und bei Leistungen zur medizinischen Rehabilita- |
4111 | tion sind die Erfahrungen mit Festzuschüssen, Festbeträgen und Mehrkostenrege- |
4112 | lungen überwiegend positiv. Daher werden wir prüfen, wo darüber hinaus Mehr- |
4113 | kostenregelungen sinnvoll und geeignet zum Tragen kommen können, ohne Pati- |
4114 | entinnen und Patienten vom medizinischen Fortschritt auszuschließen oder sie zu |
4115 | überfordern. |
4116 | |
4117 | Qualifizierte Rehabilitation |
4118 | |
4119 | Qualifizierte medizinische Rehabilitation ist eine wichtige Voraussetzung zur Integ- |
4120 | ration von Kranken in Beruf und Gesellschaft und nimmt im Gesundheitswesen |
4121 | einen immer höheren Stellenwert ein. |
4122 | |
4123 | Prävention, Rehabilitation und Pflege sind besser aufeinander abzustimmen. Prä- |
4124 | vention hat Vorrang vor Rehabilitation. Dem bisher nicht ausreichend umgesetzten |
4125 | Grundsatz Rehabilitation vor Pflege muss besser Rechnung getragen werden. |
4126 | Abstimmungs- und Schnittstellenprobleme zwischen den Trägern müssen beho- |
4127 | ben werden. |
4128 | |
4129 | Wir wollen die Transparenz und Orientierung über das Leistungsangebot der ver- |
4130 | schiedenen Träger erhöhen, die Beratung der Versicherten durch die Rehabilitati- |
4131 | onsträger verbessern und die Wahlmöglichkeiten der Versicherten stärken. |
4132 | |
4133 | Bei Vertragsvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Rehabilitationseinrich- |
4134 | tungen sollen Schiedsstellen eingerichtet werden. |
4135 | |
4136 | Telematikinfrastruktur |
4137 | |
4138 | Deutschland braucht eine Telematikinfrastruktur, die die technischen Vorausset- |
4139 | zungen dafür schafft, dass medizinische Daten im Bedarfsfall sicher und unprob- |
4140 | lematisch ausgetauscht werden können. |
4141 | |
4142 | Die Arzt-Patientenbeziehung ist ein besonders sensibles Verhältnis und daher |
4143 | ausdrücklich zu schützen. Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung |
4144 | der Patientinnen und Patienten sowie der Versicherten haben für uns auch bei |
4145 | Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte höchste Priorität. |
4146 | |
4147 | Vor einer weitergehenden Umsetzung werden wir eine Bestandsaufnahme vor- |
4148 | nehmen, bei der Geschäftsmodell und Organisationsstrukturen der Gematik und |
4149 | ihr Zusammenwirken mit der Selbstverwaltung und dem Bundesministerium für |
4150 | Gesundheit, sowie die bisherigen Erfahrungen in den Testregionen überprüft und |
4151 | bewertet werden. Danach werden wir entscheiden, ob eine Weiterarbeit auf |
4152 | Grundlage der Strukturen möglich und sinnvoll ist. |
4153 | |
4154 | Organspendebereitschaft |
4155 | |
4156 | Mit der Bereitschaft zur Organspende zeigen viele Menschen in Deutschland Ver- |
4157 | antwortung für ihre Mitmenschen - auch über den Tod hinaus. Organspende und |
4158 | Organtransplantation sind Themen, die uns alle angehen. Wir sehen dringenden |
4159 | Handlungsbedarf, die Zahl der freiwillig zur Verfügung gestellten Spenderorgane |
4160 | zu erhöhen. Wir werden eine kritische Bestandsaufnahme der Situation der |
4161 | Transplantationsmedizin in Deutschland seit dem Inkrafttreten des Transplantati- |
4162 | onsgesetzes 1997 vornehmen. Wir werden überprüfen, wie die organisatorischen |
4163 | und strukturellen Rahmenbedingungen im Krankenhaus gestaltet werden können, |
4164 | damit die Organspende und Organtransplantation gestärkt wird. Wir werden mit |
4165 | einer umfassenden Kampagne in der Bevölkerung dafür werben, durch Organ- |
4166 | spende Leben zu retten. |
4167 | |
4168 | Verantwortungsbewusste Drogen- und Suchtpolitik |
4169 | |
4170 | Unsere Drogen- und Suchtpolitik stellt Prävention, Therapie, Hilfe zum Ausstieg |
4171 | und die Bekämpfung der Drogenkriminalität in den Mittelpunkt. Drogenabhängige |
4172 | sind kranke Menschen, die umfassende medizinische Hilfe und Unterstützung |
4173 | brauchen. |
4174 | |
4175 | Mit besonderer Besorgnis sehen wir die Zunahme des exzessiven Alkoholkon- |
4176 | sums bei einzelnen Kindern und Jugendlichen. Vor dem Hintergrund dieser Ent- |
4177 | wicklungen werden wir die bestehenden Präventionsstrategien überprüfen und |
4178 | Programme entwickeln, die auch die Eltern in ihrer Verantwortung mit einbezie- |
4179 | hen. In gleicher Weise sind auch die Konzepte und Maßnahmen der Bundeszent- |
4180 | rale für gesundheitliche Aufklärung weiterzuentwickeln. |
4181 | |
4182 | Moderne Selbstverwaltung |
4183 | |
4184 | Die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen ist ein tragendes Ord- |
4185 | nungsprinzip, das die eigenverantwortliche und partnerschaftliche Gestaltung der |
4186 | Gesundheitsversorgung durch die Leistungserbringer und die Krankenkassen er- |
4187 | möglicht. Dieses Prinzip gilt es zu bewahren und modernen Verhältnissen anzu- |
4188 | passen. Legitimation, Akzeptanz und Effektivität sind dabei zentrale Kriterien, die |
4189 | es zu stärken gilt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen künftig mehr Fle- |
4190 | xibilität bei der Gestaltung der Vergütung erhalten, um dem Versorgungsauftrag |
4191 | vor Ort besser Rechnung tragen zu können. Transparenz und gelebte Demokratie |
4192 | sind eine unerlässliche Voraussetzung für eine funktionierende Körperschaft. |
4193 | |
4194 | Wir streben in den Verwaltungsräten aller Krankenkassen gemäß der gemeinsa- |
4195 | men Finanzierung auch die Vertretung der Arbeitgeberseite an. |
4196 | |
4197 | Die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen sollen sich auf die |
4198 | Bereiche konzentrieren, die gemeinsam und einheitlich durchgeführt werden müs- |
4199 | sen. |
4200 | |
4201 | Mehr Forschung in der Versorgung |
4202 | |
4203 | Die Gesundheitsforschung trägt dazu bei, mit Innovationen die Lebensqualität von |
4204 | Menschen aller Lebenslagen zu erhöhen und gleichzeitig die Finanzierbarkeit des |
4205 | Gesundheitssystems zu sichern. Erkenntnisse über das Versorgungsgeschehen |
4206 | unter Alltagsbedingungen sind dabei besonders wichtig, damit die Qualität und |
4207 | Effizienz der Gesundheitsversorgung bei begrenzten Ressourcen weiter steigt. |
4208 | Daher werden wir die Versorgungsforschung systematisch ausbauen. |
4209 | |
4210 | 9.2 Pflege |
4211 | |
4212 | Weiterentwicklung der Pflegeversicherung |
4213 | |
4214 | Jeder Mensch hat das Recht, in Würde gepflegt zu werden. Um dies zu ermögli- |
4215 | chen, benötigen die Pflegenden Zeit für die Pflegeleistungen sowie für persönliche |
4216 | Ansprache und Zuwendung. Pflegende Angehörige und Menschen in Pflegeberu- |
4217 | fen pflegen täglich mit großem beruflichem und persönlichem Engagement. Wir |
4218 | werden die Rahmenbedingungen für Pflegende und Leistungsanbieter konsequent |
4219 | überprüfen und entbürokratisieren, damit der eigentlichen Pflege am Menschen |
4220 | wieder mehr Zeit eingeräumt wird. |
4221 | |
4222 | Um den Familien die Chance zu geben, Erwerbstätigkeit und die Unterstützung |
4223 | der pflegebedürftigen Angehörigen besser in Einklang zu bringen, wollen wir mit |
4224 | der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst bei Pflege- und Arbeitszeit verbesserte |
4225 | Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf entwickeln. |
4226 | |
4227 | Wir wollen ein Berufsbild in der Altenpflege attraktiver gestalten. Darüber hinaus |
4228 | wollen wir die Pflegeberufe in der Ausbildung durch ein neues Berufsgesetz |
4229 | grundlegend modernisieren und zusammenführen. |
4230 | |
4231 | Wir werden dafür sorgen, dass ausländische Hilfskräfte ebenso wie pflegende An- |
4232 | gehörige oder deutsche Hilfskräfte auch notwendige pflegerische Alltagshilfen |
4233 | erbringen können. |
4234 | |
4235 | Die Pflege muss sich noch mehr an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen orien- |
4236 | tieren. Durch mehr Transparenz bei Leistungsangeboten, deren Preis und Qualität |
4237 | erhalten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen die Möglichkeit, Leistungen und |
4238 | Leistungserbringer flexibler auszuwählen. Dabei sollen sie verstärkt zwischen |
4239 | Sachleistungen und Geldleistungen wählen können. Die Förderung des Aufbaus |
4240 | der Pflegestützpunkte läuft aus. Bei der Qualitätsprüfung muss die Ergebnisquali- |
4241 | tät Vorrang vor der Strukturqualität haben. |
4242 | |
4243 | Wir wollen eine neue, differenziertere Definition der Pflegebedürftigkeit. Damit |
4244 | schaffen wir mehr Leistungsgerechtigkeit in der Pflegeversicherung. Es liegen be- |
4245 | reits gute Ansätze vor, die Pflegebedürftigkeit so neu zu klassifizieren, dass nicht |
4246 | nur körperliche Beeinträchtigungen, sondern auch anderweitiger Betreuungsbe- |
4247 | darf (z. B. aufgrund von Demenz) berücksichtigt werden können. Wir werden die |
4248 | Auswirkungen dieser Ansätze auf die Gestaltung der Pflegeversicherung und auch |
4249 | die Zusammenhänge mit anderen Leistungssystemen überprüfen. Spiegelbildlich |
4250 | zu der besseren Abbildung des Leistungsbedarfes müssen Wohn- und Betreu- |
4251 | ungsformen zur Verfügung stehen, die an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen |
4252 | orientiert sind, wie z. B. Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Unser Ziel ist |
4253 | eine ergebnisorientierte und an den Bedürfnissen der Menschen orientierte, |
4254 | selbstbestimmte Pflege. |
4255 | |
4256 | Die Pflegeversicherung bleibt ein wichtiges Element der sozialen Sicherung. Die |
4257 | Pflegebedürftigen müssen auch künftig angemessene Pflegeleistungen zu einem |
4258 | bezahlbaren Preis erhalten. In der Form der Umlagefinanzierung kann die Pflege- |
4259 | versicherung jedoch ihre Aufgabe, allen Bürgern eine verlässliche Teilabsicherung |
4260 | der Pflegekosten zu garantieren, auf Dauer nicht erfüllen. Daher brauchen wir ne- |
4261 | ben dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, |
4262 | die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss. |
4263 | Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird dazu zeitnah einen Vorschlag ausarbei- |
4264 | ten. |
4265 | |
4266 | Die Veränderung in der Finanzierung eröffnet Chancen, die Leistungen der Pfle- |
4267 | geversicherung langfristig zu dynamisieren und die Pflegebedürftigkeit - auch zu- |
4268 | gunsten von Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, wie z. B. Demenz |
4269 | - neu zu definieren. |
4270 | |
4271 | Alle Bemühungen um eine finanzielle Absicherung des Pflegerisikos im Rahmen |
4272 | der Pflegeversicherung entbinden den Einzelnen aber nicht davon, seine Eigen- |
4273 | verantwortung und Eigeninitiative zur Absicherung des Pflegerisikos und zur Ges- |
4274 | taltung der Pflege wahrzunehmen. |
4275 | |
4276 | 10. Religion, Geschichte und Kultur; Sport |
4277 | |
4278 | Religionsgemeinschaften |
4279 | |
4280 | Den Christlichen Kirchen kommt eine unverzichtbare Rolle bei der Vermittlung der |
4281 | unserem Gemeinwesen zugrunde liegenden Werte zu. Wir wissen, dass auch andere |
4282 | Religionen Werte vermitteln, die einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft ha- |
4283 | ben. Wir achten alle Religionszugehörigkeiten. Besondere Verantwortung tragen wir |
4284 | für die jüdischen Gemeinden als Teil unserer Kultur. Wir werden den Dialog mit den |
4285 | Kirchen, Glaubensgemeinschaften und religiösen Vereinigungen noch stärker betrei- |
4286 | ben. |
4287 | |
4288 | Fortsetzung der Deutschen Islam Konferenz |
4289 | |
4290 | Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) hat dazu geführt, dass neben einem den reli- |
4291 | giösen Gemeinschaften vorbehaltenen interreligiösen Dialog ein Prozess der An- |
4292 | näherung muslimischer Bevölkerungsteile Deutschlands an das deutsche Religi- |
4293 | onsverfassungsrecht begonnen hat. Diesen Prozess gilt es zu befördern und da- |
4294 | her wollen wir die DIK als wichtigstes Forum zwischen dem deutschen Staat und |
4295 | den in Deutschland lebenden Muslimen fortsetzen. |
4296 | |
4297 | Geschichte und Kultur |
4298 | |
4299 | Deutschland ist eine europäische Kulturnation. Kunst und Kultur sind der Zukunftsmo- |
4300 | tor einer Gesellschaft. Zugleich prägt das reiche kulturelle Erbe, das aus der Vielfalt |
4301 | der Länder und Regionen in Deutschland resultiert, unsere nationale Identität. Das |
4302 | kulturelle Leben im ländlichen Raum ist ein wichtiger Bestandteil der Kulturnation |
4303 | Deutschland. Wir bekennen uns zur Freiheit der Kunst. Staat und Politik sind nicht für |
4304 | die Kunst, ihre Ausdrucksformen oder Inhalte zuständig, wohl aber für die Bedingun- |
4305 | gen, unter denen Kunst und Kultur gedeihen können. Wir müssen Menschen die |
4306 | Chance geben, sich durch ihre künstlerische Gestaltungskraft eine auch wirtschaftlich |
4307 | erfolgreiche Existenz zu schaffen und andere kulturell zu bereichern. |
4308 | |
4309 | Die Ausgaben des Bundes für die Kultur konnten in den vergangenen vier Jahren |
4310 | deutlich erhöht werden. Dazu stehen wir gerade auch in der Finanz- und Wirtschafts- |
4311 | krise. Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in |
4312 | die Zukunft unserer Gesellschaft. |
4313 | |
4314 | Die Förderung von Investitionen im Rahmen des Programms "Förderung von In- |
4315 | vestitionen in nationale Weltkulturerbestätten" (UNESCO-Programm) bedarf einer |
4316 | besseren Abstimmung zwischen Bund und Ländern. |
4317 | |
4318 | Wir wollen die Rahmenbedingungen für private Kulturförderung durch Stiftungen, Mä- |
4319 | zenatentum und Sponsoring weiter verbessern und dazu bürokratische Hürden ab- |
4320 | bauen. |
4321 | |
4322 | Wir wollen gemeinsam mit den Ländern den Zugang zu kulturellen Angeboten unab- |
4323 | hängig von finanzieller Lage und sozialer Herkunft erleichtern und die Aktivitäten im |
4324 | Bereich der kulturellen Bildung verstärken; kulturelle Bildung ist auch ein Mittel der |
4325 | Integration. |
4326 | |
4327 | Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft wird fortgeführt und weiter ausgebaut. Die |
4328 | Kulturstatistik wird fortgesetzt. |
4329 | |
4330 | Auch zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR und |
4331 | dem Fall von Mauer und Stacheldraht ist die Aufarbeitung der SED-Diktatur eine |
4332 | gesellschaftspolitische Herausforderung von weiterhin großer Bedeutung. |
4333 | |
4334 | Um der Verklärung der SED-Diktatur entgegenzuwirken, wird die Bundesregierung |
4335 | ihre Maßnahmen zur geschichtlichen Aufarbeitung verstärken. Die Bundesregie- |
4336 | rung wird im Laufe des Jahres 2010 dazu konkrete Vorschläge unterbreiten. |
4337 | |
4338 | Dazu sollen zählen: |
4339 | - die Einrichtung eines Arbeitsschwerpunkts "Aufarbeitung der SED-Diktatur" |
4340 | bei der Bundeszentrale für politische Bildung, |
4341 | - die Prüfung der Errichtung einer Jugend- und Begegnungsstätte zur Aufar- |
4342 | beitung der SED-Diktatur sowie der Schaffung eines koordinierenden Zeit- |
4343 | zeugenbüros unter Beteiligung der durch den Bund getragenen oder finan- |
4344 | zierten Institutionen, |
4345 | - die Fortführung der vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsex- |
4346 | tremismus als "Extremismusbekämpfungsprogramme" unter Berücksichti- |
4347 | gung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen |
4348 | sowie die Erstellung eines Jahresberichts der Bundesregierung zur Aufar- |
4349 | beitung der SED-Diktatur. |
4350 | |
4351 | Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die die Entwicklung der Aufgaben, |
4352 | die der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der e- |
4353 | hemaligen DDR (BStU) gesetzlich zugewiesen sind, analysiert und Vorschläge |
4354 | macht, ob und in welcher Form diese mittel- und langfristig zu erfüllen sind. |
4355 | |
4356 | Die Aufarbeitung des NS-Terrors und der SED-Diktatur wird wie im Gedenkstätten- |
4357 | konzept des Bundes vorgesehen fortgesetzt und verstärkt. |
4358 | |
4359 | Wir werden den Beschluss des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2000 um- |
4360 | setzen und im Sinne eines kollektiven Ausgleichs für homosexuelle NS-Opfer eine |
4361 | Magnus-Hirschfeld-Stiftung errichten. Sie soll durch interdisziplinäre Forschung |
4362 | und Bildung der Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen entgegenwir- |
4363 | ken. |
4364 | |
4365 | Die Förderung des kulturellen Erbes der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 |
4366 | Bundesvertriebenengesetz wird fortgesetzt. Die Dokumentationsstätte "Stiftung |
4367 | Flucht, Vertreibung, Versöhnung" in Berlin wird entsprechend den gesetzlichen Vor- |
4368 | gaben eingerichtet. |
4369 | |
4370 | Wir werden die Einrichtung eines sudetendeutschen Museums in München unterstüt- |
4371 | zen. |
4372 | |
4373 | Der Bundestagsbeschluss zum Bau des Humboldt-Forums am historischen Ort |
4374 | und in der äußeren Gestalt des Berliner Stadtschlosses wird realisiert. |
4375 | |
4376 | Wir werden die Förderung des Bundes für den Denkmalschutz sowie die Förderung |
4377 | der Leuchtturmprojekte in den neuen Ländern fortsetzen. |
4378 | |
4379 | Gemeinsam mit den Ländern wollen wir ein nationales Bestandserhaltungskonzept |
4380 | für gefährdetes schriftliches Kulturgut erarbeiten. Zum verstärkten Schutz schriftlichen |
4381 | Kulturgutes wird eine Koordinierungsstelle eingerichtet. |
4382 | |
4383 | In der Unterstützung der Provenienzforschung gemäß des Washingtoner Abkom- |
4384 | mens sehen wir auch in der Zukunft eine Verpflichtung. |
4385 | |
4386 | Wir werden den Filmstandort Deutschland weiter stärken und deshalb den erfolgrei- |
4387 | chen Deutschen Filmförderfonds fortführen. Um eine nachhaltige Finanzierung des |
4388 | Kinofilms in Deutschland zu gewährleisten, erfolgt eine Überarbeitung des Filmför- |
4389 | dergesetzes sowie die stärkere Einbeziehung der KfW Bankengruppe in die Filmfi- |
4390 | nanzierung. In einer Gemeinschaftsaktion von Filmwirtschaft, Filmförderanstalt (FFA), |
4391 | Bund und Ländern soll schrittweise die flächendeckende Digitalisierung der Kinos |
4392 | erfolgen, um die kulturelle Vielfalt in Deutschland zu erhalten. Das nationale Filmerbe |
4393 | ist dauerhaft zu sichern. |
4394 | |
4395 | Vertriebene - Aussiedler - deutsche Minderheiten |
4396 | |
4397 | Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung für die Deutschen aus den |
4398 | Staaten in Mittelost- und Südosteuropa sowie aus den Nachfolgestaaten der Sow- |
4399 | jetunion, die als Aussiedler zu uns gekommen sind oder als deutsche Minderhei- |
4400 | ten in diesen Ländern leben. Wir sind der Überzeugung, dass die deutschen Min- |
4401 | derheiten wie auch die Vertriebenen und Aussiedler einen eigenständigen Beitrag |
4402 | leisten können, kulturelle und zivilgesellschaftliche Brücken zu den Ländern Mit- |
4403 | telost- und Südosteuropas sowie in einige Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu |
4404 | bauen. Wir werden daher die Förderung der deutschen Minderheiten fortsetzen. |
4405 | |
4406 | Schutz und Förderung von nationalen Minderheiten |
4407 | |
4408 | Die Erfahrungen langjähriger und kontinuierlicher Minderheitenpolitik im deutsch- |
4409 | dänischen Grenzraum zeigen die Bedeutung der Förderung nationaler Minderhei- |
4410 | ten für die Überwindung früherer zwischenstaatlicher Konflikte und für die Entwick- |
4411 | lung eines europäischen Identitätsbewusstseins, das die kulturelle Vielfalt europä- |
4412 | ischer Siedlungsgeschichte angemessen zum Ausdruck bringt. Das hierbei entwi- |
4413 | ckelte System gegenseitiger grenzüberschreitender Förderung der deutschen und |
4414 | der dänischen Minderheit bleibt daher eine selbstverständliche Aufgabe des Bun- |
4415 | des. Für die weitere Sicherstellung der Arbeiten des von Deutschland und Däne- |
4416 | mark gegründeten Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen (ECMI) in |
4417 | Flensburg werden wir die Zuwendungen erhöhen. Der Schutz und die Förderung |
4418 | aller vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland, die erheblich zur |
4419 | kulturellen Bereicherung unseres Landes beitragen, bleibt ebenso ein wichtiges |
4420 | Anliegen der Bundesregierung. |
4421 | |
4422 | Die Koalition bekennt sich zum Finanzierungsabkommen für die Stiftung für das |
4423 | sorbische Volk. |
4424 | |
4425 | Sport |
4426 | |
4427 | Wir wissen, dass Sport für die Aktivierung und den Zusammenhalt einer modernen |
4428 | Gesellschaft unverzichtbare Beiträge leistet und dass Deutschland auf großartige |
4429 | Traditionen und Leistungen im Sport verweisen kann, die es zu bewahren und zu |
4430 | entwickeln gilt. Deshalb werden wir unsere Aufgaben als Partner und Förderer des |
4431 | Sports mit besonderer Verantwortung wahrnehmen. Wir streben an, im Rahmen |
4432 | der Kompetenzen und Möglichkeiten des Bundes den Erhalt und Ausbau von |
4433 | Sportstätten in Deutschland weiter zu fördern. |
4434 | |
4435 | Spitzensportförderung |
4436 | |
4437 | Wir werden die finanzielle Förderung des Spitzensports in Deutschland auf hohem |
4438 | Niveau fortführen. Die Bemühungen, Spitzensportlerinnen und -sportlern mit Be- |
4439 | hinderung den Zugang zu einer "dualen Karriere" zu eröffnen, werden wir intensi- |
4440 | vieren. |
4441 | |
4442 | Bewerbung München 2018 |
4443 | |
4444 | Olympische und Paralympische Spiele sind herausragende Sportereignisse. Die |
4445 | Bewerbung der Stadt München um die Olympischen und Paralympischen Winter- |
4446 | spiele 2018 und, bei Zuschlag durch das IOC im Juli 2011, deren Ausrichtung, |
4447 | sind ein nationales Anliegen im gemeinsamen Interesse von Bund, Land und |
4448 | Kommunen und werden weiterhin gefördert und unterstützt. |
4449 | |
4450 | Anti-Doping-Politik |
4451 | |
4452 | Für das Selbstverständnis unserer Sportpolitik ist die Autonomie des Sports und |
4453 | seiner Verbände von zentraler Bedeutung. Wir wollen den Sport bei der Sicherung |
4454 | und Realisierung seiner Werte unterstützen. Im Mittelpunkt unserer Aufmerksam- |
4455 | keit steht dabei die konsequente Bekämpfung von Doping im Zusammenwirken |
4456 | von sportlichen Sanktionen und strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen. Für uns |
4457 | ist nur dopingfreier Sport förderungswürdig. Wir werden den im Sommer 2009 zwi- |
4458 | schen Bund, Ländern, dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der |
4459 | Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) verabschiedeten Nationalen Dopingprä- |
4460 | ventionsplan umsetzen. Die Forschung zur Bekämpfung des Dopings muss gezielt |
4461 | weiter gefördert werden. |
4462 | |
4463 | Ziele wie die Bekämpfung von Doping, die Einordnung der autonomen Sportbe- |
4464 | wegungen und ihrer Regeln in den europäischen Rechtsrahmen können vor allem |
4465 | in länderübergreifender Weise effektiv wahrgenommen werden. Wir werden des- |
4466 | halb die internationale sportpolitische Zusammenarbeit verstärken. |
4467 | |
4468 | IV. FREIHEIT UND SICHERHEIT |
4469 | Durch Bürgerrechte und starken Staat |
4470 | |
4471 | Wir bekennen uns zur Freiheit, zur Freiheit in Verantwortung und Sicherheit. Der |
4472 | Staat hat die Aufgabe, die unveräußerlichen Freiheiten jedes Einzelnen durch poli- |
4473 | tische, rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen umfassend zur Gel- |
4474 | tung zu bringen. Zugleich hat er mit seinem Gewaltmonopol Frieden und Sicher- |
4475 | heit zu gewährleisten. Dabei ist er rechtsstaatlichen Bindungen unterworfen, zu |
4476 | denen das Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe zählt. Diese Prinzipien |
4477 | verwirklichen wir im Rahmen unserer föderalen Sicherheitsarchitektur. Dabei hat |
4478 | die konsequente Anwendung geltenden Rechts, eine gute Ausstattung der Sicher- |
4479 | heitsbehörden und die Beseitigung von Vollzugsdefiziten immer Vorrang vor der |
4480 | Erweiterung staatlicher Eingriffsbefugnisse. |
4481 | |
4482 | 1. Innere Sicherheit und Bürgerrechte |
4483 | |
4484 | Sicherheitsarchitektur |
4485 | |
4486 | Wir werden die Erfahrungen mit der neuen Struktur der Bundespolizei nutzen, um |
4487 | die Bundespolizei in ihren Kernkompetenzen zu stärken. Unsere derzeitige Betei- |
4488 | ligung an internationalen Polizeimissionen wollen wir im Rahmen der gemeinsa- |
4489 | men Einsätze von Bund und Ländern verstärken und auch die erforderlichen |
4490 | Rahmenbedingungen für den Einsatz der Bundespolizei als Instrument ziviler Kri- |
4491 | senprävention verbessern. |
4492 | |
4493 | Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und ihrer finanziellen Folgelasten ist es ge- |
4494 | boten, mit vorhandenen Ressourcen mehr zu erreichen. Wir werden daher die be- |
4495 | stehenden Aufgaben und Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden in Bund und |
4496 | Ländern unter Wahrung der bewährten föderalen Sicherheitsarchitektur evaluie- |
4497 | ren. Dabei soll auch die Schnittstelle Zoll/Bundespolizei einbezogen werden. |
4498 | |
4499 | Wir halten am Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten fest. |
4500 | Die bestehenden Sicherheitsdateien werden wir unter Einbeziehung der Arbeit des |
4501 | Gemeinsamen Internetzentrums der deutschen Sicherheitsbehörden (GIZ), des |
4502 | Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ), des Gemeinsamen Analyse- |
4503 | und Strategiezentrums illegale Migration (GASIM) und des Kompetenz- und Servi- |
4504 | cezentrums Telekommunikationsüberwachung unter tatsächlichen und rechtlichen |
4505 | Aspekten evaluieren. |
4506 | |
4507 | Mit der späteren Zielsetzung des Aufbaus einer Nationalen Küstenwache wollen |
4508 | wir zunächst die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteiligten Bun- |
4509 | desbehörden zusammenführen. |
4510 | |
4511 | BKA-Gesetz |
4512 | |
4513 | Wir sind uns mit dem Bundesverfassungsgericht einig, dass ein letzter unantast- |
4514 | barer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der öffentlichen |
4515 | Gewalt entzogen ist. Zur besseren rechtsstaatlichen Flankierung der Maßnahmen |
4516 | des BKA im Rahmen der Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terrorismus |
4517 | wollen wir Regelungen treffen, die den Schutz des Kernbereichs privater Lebens- |
4518 | gestaltung optimieren und das Maß an Grundrechtsschutz durch Verfahren erhö- |
4519 | hen. |
4520 | |
4521 | Daher werden wir auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung |
4522 | das BKA-Gesetz daraufhin überprüfen, ob und inwieweit der Schutz des Kernbe- |
4523 | reichs privater Lebensgestaltung zu verbessern ist. |
4524 | |
4525 | Wir werden im Hinblick auf die Befugnis der Ton- und Bildaufzeichnung außerhalb |
4526 | von Wohnungen den Kernbereichsschutz verbessern. |
4527 | |
4528 | Für die Entscheidung über die Anordnung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen |
4529 | nach dem Abschnitt zur Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terrorismus |
4530 | im BKA-Gesetz soll künftig ein Richter am Bundesgerichtshof durch Vermittlung |
4531 | des Generalbundesanwalts zuständig sein. Diese Zuständigkeit tritt an die Stelle |
4532 | der bisherigen Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz des BKA. |
4533 | |
4534 | Ausbau der Sicherheitsforschung |
4535 | |
4536 | Wir bauen die Forschung für die zivile Sicherheit aus, um die Sicherheit von Bür- |
4537 | gern, Gütern und Infrastrukturen vor Terrorismus, organisierter Kriminalität sowie |
4538 | Natur- und Umweltkatastrophen zu schützen. Dabei wollen wir alle relevanten Ak- |
4539 | teure wie etwa Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen in |
4540 | Deutschland anhören und internationale Entwicklungen beachten. |
4541 | |
4542 | Leistungsfähiger Bevölkerungsschutz |
4543 | |
4544 | Deutschland ist mit seinem Bevölkerungsschutz, der auf den Kompetenzen und |
4545 | Ressourcen des Bundes, der Länder, der Kommunen und Hilfsorganisationen |
4546 | aufbaut, gut aufgestellt. Wir werden das Technische Hilfswerk (THW) und das |
4547 | Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf der Basis |
4548 | einer den aktuellen Anforderungen entsprechenden Strategie als tragende Säulen |
4549 | eines modernen Bevölkerungsschutzes weiterentwickeln. Dabei werden wir die |
4550 | Analyse-, Risikobewertungs- und Prognosekompetenz verbessern. Durch eine |
4551 | offensivere und modernere Risiko- und Krisenkommunikation einschließlich von |
4552 | Warnmechanismen wollen wir zu einer gefahrenbewussteren Bevölkerung beitra- |
4553 | gen. |
4554 | |
4555 | Diejenigen, die sich in Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Rettungsdiensten und im |
4556 | THW aufopfernd und unentgeltlich für die Sicherheit ihrer Mitmenschen einsetzen, |
4557 | müssen dauerhaft unterstützt werden. Sie sind Vorbilder unserer Gesellschaft. |
4558 | |
4559 | Zuverlässigkeitsüberprüfung von Privatpiloten |
4560 | |
4561 | Wir wollen das Luftsicherheitsgesetz mit dem Ziel überprüfen, die Zuverlässig- |
4562 | keitsüberprüfung von Privatpiloten bei Gewährleistung eines gleichbleibenden Si- |
4563 | cherheitsniveaus auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. |
4564 | |
4565 | Bekämpfung des politischen Extremismus |
4566 | |
4567 | Gewalttätige und extremistische Formen der politischen Auseinandersetzung |
4568 | nehmen wir nicht hin. Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextre- |
4569 | mismus, Antisemitismus oder Islamismus, treten wir entschlossen entgegen. Die |
4570 | Grundwerte der pluralen Gesellschaft, insbesondere die freie Entfaltung der Per- |
4571 | son, Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, sind konstitutive Werte |
4572 | unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie gilt es zu schützen und zu |
4573 | verteidigen. |
4574 | |
4575 | Die Ursachen von Extremismus wollen wir mit einem langfristigen Engagement |
4576 | und einer nachhaltigen Prävention bekämpfen. Aussteigerprogramme gegen Ex- |
4577 | tremismus werden wir weiterentwickeln, ihre Finanzierung sicherstellen und dabei |
4578 | Schwerpunkte in gefährdeten Regionen setzen. |
4579 | |
4580 | Die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des |
4581 | Bündnisses für Demokratie und Toleranz sollen auf jede Form extremistischer |
4582 | Gewalt ausgeweitet werden. |
4583 | |
4584 | Waffenrecht |
4585 | |
4586 | Deutschland hat schon jetzt eines der strengsten Waffengesetze der Welt. Wir |
4587 | sind daher einig in der Einschätzung, dass es gegenwärtig keinen weiteren Ver- |
4588 | änderungsbedarf im Waffenrecht gibt. Im Rahmen der bis Ende 2011 zu evaluie- |
4589 | renden Wirksamkeit der getroffenen Regelungen zu sicheren Aufbewahrung und |
4590 | zum Schutz vor unberechtigtem Zugriff soll besonders darauf geachtet werden, ob |
4591 | es im praktischen Vollzug unzumutbare Belastungen für die Waffenbesitzer gege- |
4592 | ben hat. |
4593 | |
4594 | Terrorcamps |
4595 | |
4596 | Wir werden das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsge- |
4597 | fährdenden Gewalttaten zur Mitte der Legislaturperiode im Hinblick auf seine |
4598 | Wirksamkeit gegen die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus evalu- |
4599 | ieren. |
4600 | |
4601 | Evaluation Telekommunikationsüberwachung |
4602 | |
4603 | Die Reform der Telekommunikationsüberwachung werden wir im Hinblick darauf |
4604 | evaluieren, ob deren Ziele erreicht wurden und welche Maßnahmen zur Optimie- |
4605 | rung ergriffen werden können. |
4606 | |
4607 | 2. Informations- und Mediengesellschaft |
4608 | |
4609 | Das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunika- |
4610 | tionsforum der Welt und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemein- |
4611 | schaft bei. Die Informationsgesellschaft bietet neue Entfaltungsmöglichkeiten für |
4612 | jeden Einzelnen ebenso wie neue Chancen für die demokratische Weiterentwick- |
4613 | lung unseres Gemeinwesens sowie für die wirtschaftliche Betätigung. Neue Me- |
4614 | dien gehören längst zum Alltag einer stetig wachsenden Zahl von Menschen. |
4615 | Deutschland ist längst in der Informationsgesellschaft angekommen. |
4616 | |
4617 | Damit die Menschen an den neuen Chancen für Meinungs- und Informationsfrei- |
4618 | heit, Kommunikationsfreiheit sowie am wirtschaftlichen Leben im Internet teilhaben |
4619 | und die Chancen der Informationsgesellschaft nutzen können, müssen wir die |
4620 | Weichen stellen, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Allen |
4621 | Menschen Zugang zu neuen Medien zu erleichtern, ist uns dabei ein zentrales |
4622 | Anliegen, sowohl im Hinblick auf die Verfügbarkeit als auch auf Barrierefreiheit |
4623 | und Medienkompetenz. |
4624 | |
4625 | Wir werden die Anstrengungen fortsetzen, die Breitbandversorgung in Deutsch- |
4626 | land sowohl in der Fläche als auch in der Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Nut- |
4627 | zung freiwerdender Frequenzen des Fernsehrundfunks soll dazu beitragen, kurz- |
4628 | fristig Versorgungslücken in der Fläche zu schließen. Der Staat wird soweit als |
4629 | möglich, Angebote auch in elektronischer Form bereitstellen. Ausschreibungen der |
4630 | Behörden sollen elektronisch bekannt gemacht werden. |
4631 | |
4632 | Wir werden unsere Politik auch daran ausrichten, die gesellschaftliche Verände- |
4633 | rung durch Internet und neue Medien positiv zu begleiten und die Lebenswirklich- |
4634 | keit der Mehrheit der Menschen in Deutschland zu berücksichtigen. Dabei werden |
4635 | wir Innovations- und Standortpolitik, Verwaltungsmodernisierung, Teilhabe von |
4636 | Bürgerinnen und Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessengruppen sowie Da- |
4637 | tenschutz und Netzsicherheit in unserer Politik verbinden. |
4638 | |
4639 | Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenüber- |
4640 | mittlung im Internet und anderen neuen Medien (Netzneutralität) sicherstellt, wer- |
4641 | den die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der |
4642 | Wahrung der Netzneutralität gegensteuern. |
4643 | |
4644 | Wir bekräftigen, dass Recht und Gesetz im Internet schon heute und in Zukunft |
4645 | ebenso gelten wie überall sonst. Daher werden wir für mehr Datenschutz sowie |
4646 | durch eine Stärkung der IT-Kompetenz und entsprechend ausgebildetes Personal |
4647 | bei den Sicherheitsbehörden für eine Verbesserung der Anwendung des gelten- |
4648 | den Rechts zur Verfolgung von Kriminalität im Internet sorgen. |
4649 | |
4650 | Wir werden dabei insbesondere unser Augenmerk auf Aufklärung legen. Die Sen- |
4651 | sibilität für den Schutz der eigenen Daten muss gestärkt, der Selbstdatenschutz |
4652 | erleichtert werden, um Datenmissbrauch vorzubeugen. Wir werden deshalb prü- |
4653 | fen, wie durch die Anpassung des Datenschutzrechts der Schutz personenbezo- |
4654 | gener Daten im Internet verbessert werden kann, erwarten dabei aber auch von |
4655 | jedem Einzelnen einen verantwortungsvollen Umgang mit seinen persönlichen |
4656 | Daten im Internet. |
4657 | |
4658 | Betrug und Identitätsdiebstahl im Internet müssen konsequent verfolgt werden und |
4659 | zugleich müssen Möglichkeiten der sicheren Kommunikation mehr in den Mittel- |
4660 | punkt gerückt werden. Kinder und Jugendliche werden wir durch konsequente |
4661 | Durchsetzung des geltenden Jugendschutzrechts vor ungeeigneten Inhalten |
4662 | schützen. |
4663 | |
4664 | Wir werden gemeinsam mit den Ländern Möglichkeiten der verbesserten Strafver- |
4665 | folgung in Kommunikationsnetzen wie z. B. Internetstreifen durch die Polizei, |
4666 | Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Kriminalität im Internet oder erleichterte e- |
4667 | lektronische Kontaktaufnahme mit der Polizei anstreben. Gleichermaßen werden |
4668 | wir uns auf internationaler Ebene für Lösungen stark machen, um Kinderporno- |
4669 | graphie sowie Kriminalität allgemein im Internet besser bekämpfen zu können. |
4670 | |
4671 | In der Informationsgesellschaft liegen große Chancen auch für die öffentliche |
4672 | Verwaltung. Wir werden daher E-Government weiter fördern und dazu wo und so- |
4673 | weit notwendig, rechtliche Regelungen anpassen (E-Government-Gesetz). Be- |
4674 | sonderes Augenmerk werden wir dabei auf die Schaffung der Voraussetzungen |
4675 | für sichere Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgen sowie Unternehmen |
4676 | mit der Verwaltung legen. |
4677 | |
4678 | Die in der EU-Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen elektronischen Kommunika- |
4679 | tionsmöglichkeiten mit Behörden sehen wir als große Chance für einen Moderni- |
4680 | sierungsschub in der Verwaltung an. Wir werden so schnell als möglich die Vor- |
4681 | aussetzungen im Verwaltungsverfahrensrecht schaffen, um rechtsverbindliche |
4682 | elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren zu gewährleisten. |
4683 | |
4684 | Dabei setzen wir mit Blick auf eine verbesserte Akzeptanz bei den Bürgerinnen |
4685 | und Bürgern auf die anwenderfreundliche Weiterentwicklung am Markt entwickel- |
4686 | ter sicherer elektronischer Kommunikation und Identifikation in neuen Medien. Da- |
4687 | bei kann der freiwillige Identitätsnachweis mit dem elektronischen Personalaus- |
4688 | weis eine Möglichkeit darstellen. |
4689 | |
4690 | Wir werden ein De-Mail-Gesetz verabschieden und dabei die Erfahrungen aus |
4691 | dem Pilotprojekt und die Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten des Bun- |
4692 | des und der Länder berücksichtigen. Hierdurch wollen wir den Unternehmen die |
4693 | Möglichkeit geben, Geschäftsprozesse elektronisch abzuwickeln. |
4694 | |
4695 | Bei eGovernment-Projekten sind Datenschutz und Datensparsamkeit wichtige Be- |
4696 | standteile jedes Vorhabens. |
4697 | |
4698 | Die Informationstechnik des Bundes bedarf der Konzentration, Standardisierung |
4699 | und Effizienzsteigerung sowie Bündelung vorhandener Ressourcen. Wir werden |
4700 | hierzu den Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik stärken. Wir |
4701 | prüfen, wie die IT des Bundes sich zukünftig an offenen Standards orientieren und |
4702 | dabei auch Open-Source-Lösungen berücksichtigen kann. |
4703 | |
4704 | Wir werden uns für eine Stärkung der IT-Sicherheit im öffentlichen und nicht- |
4705 | öffentlichen Bereich einsetzen, um vor allem kritische IT-Systeme vor Angriffen zu |
4706 | schützen. Hierzu wollen wir insbesondere durch Aufklärung und Sensibilisierung |
4707 | der Öffentlichkeit die Menschen zu mehr Selbstschutz und die Nutzung sicherer |
4708 | IT-Produkte anzuregen. Da Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik |
4709 | werden wir mit dieser Zielrichtung stärken. |
4710 | |
4711 | Die Risiken der Digitalisierung, die es ermöglicht, quasi auf Knopfdruck Daten zu- |
4712 | sammenzuführen und durch die Auswertung digitaler Spuren umfassende Persön- |
4713 | lichkeitsprofile zu bilden, dürfen nicht durch staatliches Handeln verstärkt werden. |
4714 | Wir werden daher das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Recht auf die |
4715 | Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme |
4716 | bei der gesetzlichen Ausgestaltung der IT beachten. Wir lehnen eine generelle |
4717 | Überwachung des Internetdatenverkehrs ab. |
4718 | |
4719 | Eine vertrauenswürdige, leistungsfähige und sichere Informations- und Kommuni- |
4720 | kationstechnik ist für unser Hochtechnologieland und den Wirtschaftsstandort |
4721 | Deutschland unverzichtbar. Wir werden die IT gegen innere und äußere Gefahren |
4722 | schützen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und administrative Handlungs- |
4723 | fähigkeit zu erhalten. |
4724 | |
4725 | Daher werden wir ein besonderes Augenmerk auf die Abwehr von IT-Angriffen |
4726 | richten und hierfür Kompetenzen in der Bundesverwaltung beim Beauftragten der |
4727 | Bundesregierung für Informationstechnik bündeln. Zu seiner Unterstützung wer- |
4728 | den wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als zentrale Cy- |
4729 | ber-Sicherheitsbehörde weiter ausbauen, um insbesondere auch die Abwehr von |
4730 | IT-Angriffen koordinieren zu können. |
4731 | |
4732 | Dabei werden wir auch eng mit der Internet- und Kommunikationswirtschaft zu- |
4733 | sammenarbeiten. Wir werden die Haftung von System- und Diensteanbietern für |
4734 | die IT-Sicherheit ihrer Angebote anpassen, um einer unbilligen Abwälzung von IT- |
4735 | Risiken auf die Endanwender vorzubeugen. |
4736 | |
4737 | Der energieeffiziente Einsatz von IT ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des |
4738 | Klimawandels. Wir werden daher bei allen IT-Vorhaben des Bundes verantwor- |
4739 | tungsbewusst mit den natürlichen Ressourcen umgehen und den durch den IT- |
4740 | Betrieb verursachten Energieverbrauch in der Bundesverwaltung reduzieren. Wir |
4741 | wollen die enormen Chancen der Informations- und Kommunikationstechnologie |
4742 | für Wirtschaft und Gesellschaft nutzen. Dazu werden wir die IKT-Forschung stär- |
4743 | ken. Wir werden eine Strategie im Bereich der IKT und digitalen Medien entwer- |
4744 | fen. |
4745 | |
4746 | Wir werden die Regelungen zur Verantwortlichkeit im Telemediengesetz fortentwi- |
4747 | ckeln. Es gilt auch zukünftig einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen |
4748 | der Diensteanbieter, der Rechteinhaber und der Verbraucher zu gewährleisten. |
4749 | |
4750 | Die Fähigkeit zur Integration von IKT in Produkte und Prozesse ist für die deut- |
4751 | sche Wirtschaft in allen Branchen von strategischer Bedeutung. Wir werden die |
4752 | Potentiale der IKT bei der Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen Ge- |
4753 | sundheit, Energieeffizienz / Klimaschutz, Sicherheit und Mobilität konsequent ein- |
4754 | setzen. Wir werden das Internet der Zukunft und die Telemedien auf der Basis |
4755 | unseres Rechts- und Wertesystems weiter ausgestalten. Technische und rechtli- |
4756 | che Aspekte werden so frühzeitig zusammengebracht, dass Informationsfreiheit |
4757 | und Schutz vor rechtswidrigen Inhalten gleichermaßen berücksichtigt werden. |
4758 | |
4759 | Urheberrecht |
4760 | |
4761 | Das Urheberrecht hat in der modernden Medien- und Informationsgesellschaft |
4762 | eine Schlüsselfunktion. Wir werden das Urheberrecht deshalb entschlossen wei- |
4763 | terentwickeln, mit dem Ziel ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durch- |
4764 | setzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, |
4765 | werden wir zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheber- |
4766 | rechts in der Informationsgesellschaft ("Dritter Korb") aufnehmen. |
4767 | |
4768 | Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein. Wir werden deshalb unter |
4769 | Wahrung des Datenschutzes bessere und wirksame Instrumente zur konsequen- |
4770 | ten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet schaffen. Dabei wol- |
4771 | len wir Möglichkeiten der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern |
4772 | und Internetserviceprovidern fördern. Wir werden keine Initiativen für gesetzliche |
4773 | Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen. |
4774 | |
4775 | Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werk- |
4776 | vermittler. Wir streben deshalb die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für |
4777 | Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Inter- |
4778 | net an. |
4779 | |
4780 | Das System der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften mit effi- |
4781 | zienten und transparenten Strukturen hat sich bewährt. Wir wollen, dass die euro- |
4782 | paweite Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften in Bezug auf Online- |
4783 | Nutzungen erleichtert wird. Wir werden uns deshalb für die Schaffung eines euro- |
4784 | päischen Wahrnehmungsrechts einsetzen. |
4785 | |
4786 | Der Schutz durch das Urheberrecht ist eine notwendige Voraussetzung für die |
4787 | Schaffung und für die Verwertung kreativer Leistungen. Wir wollen deshalb Maß- |
4788 | nahmen unterstützen, die das gesellschaftliche Verständnis für die Bedeutung des |
4789 | Urheberrechts und den Respekt vor fremdem geistigem Eigentum fördern. |
4790 | |
4791 | Wir setzen uns für die Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens für die Verwer- |
4792 | tungsgesellschaften ein, der eine transparente und europaweite Lizenzierung ge- |
4793 | währleistet und die kulturelle Vielfalt schützt. |
4794 | |
4795 | Schnelles Internet für ganz Deutschland |
4796 | |
4797 | Eine flächendeckende Breitbandversorgung gehört für uns zur Daseinsvorsorge. |
4798 | Moderne Kommunikationsnetze schaffen verstärkten Zugang zu Informationen |
4799 | und damit mehr wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität. Für die Entwick- |
4800 | lung von Industrienationen sind sie daher entscheidend. Wettbewerb, Regulierung |
4801 | und Kooperation sind die maßgeblichen Säulen für eine zügige Umsetzung der |
4802 | Breitbandstrategie. |
4803 | |
4804 | Um die bislang noch nicht versorgten ländlichen Gebiete Deutschlands flächende- |
4805 | ckend mit leistungsfähigem Breitband zu erschließen und gleichzeitig den Ausbau |
4806 | von Hochgeschwindigkeitsnetzen zu beschleunigen, werden wir folgende Maß- |
4807 | nahmen ergreifen: |
4808 | - Wir werden rasch ein Monitoring zum Umsetzungsstand der Breitbandstrategie |
4809 | einleiten und im Lichte des bisher Erreichten alle Möglichkeiten unter Einbe- |
4810 | ziehung investitionsfreundlicher Regulierungsinstrumente ausschöpfen, um die |
4811 | Ziele einer flächendeckenden und hochleistungsfähigen Breitbandversorgung |
4812 | in einem nachhaltig wettbewerblichen Umfeld und im Technologiemix zu errei- |
4813 | chen und Synergien beim Infrastrukturaufbau bestmöglich zu nutzen. |
4814 | - Wir werden den neuen EU-Rechtsrahmen im Telekommunikationsgesetz rasch |
4815 | innovations- und investitionsfreundlich umsetzen und so die Breitbandstrategie |
4816 | unterstützen. Dabei werden wir den EU-Rechtsrahmen fortlaufend überprüfen. |
4817 | - Wir werden die Maßnahmen von Bund und Ländern für den Breitbandausbau |
4818 | enger miteinander verzahnen. Zusammen mit den Ländern werden wir den von |
4819 | der EU-Kommission eröffneten und künftigen Rahmen für eine Breitbandförde- |
4820 | rung praxistauglich und unbürokratisch umsetzen. |
4821 | - Wir werden alle möglichen Synergien beim Infrastrukturausbau für Breitband |
4822 | nutzen und dabei auch neue planungsrechtliche Instrumente zur schnellen |
4823 | Umsetzung prüfen. |
4824 | - Wir werden uns in einem branchenübergreifenden Dialog, insbesondere unter |
4825 | Einbindung der Energienetzbetreiber, für verstärkte Anstrengungen beim Auf- |
4826 | bau von hochleistungsfähigen Breitbandnetzen engagieren. |
4827 | - Die Frequenzen werden jetzt zügig versteigert, damit in ländlichen Gebieten |
4828 | rasch und kostengünstig eine Breitbandversorgung gewährleistet werden kann. |
4829 | |
4830 | Internetsperren |
4831 | |
4832 | Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie ist für uns von |
4833 | herausragender Bedeutung. Kinderpornographische Angebote in Kommunikati- |
4834 | onsnetzen müssen mit aller Kraft bekämpft werden. Die dauerhafte wirksame Be- |
4835 | kämpfung des Missbrauchs von Kindern ist politische Verantwortung und rechts- |
4836 | staatliches Gebot zugleich. |
4837 | |
4838 | Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote |
4839 | schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir werden daher zunächst für |
4840 | ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwe- |
4841 | rungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger |
4842 | Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der |
4843 | deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die |
4844 | Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben. |
4845 | |
4846 | Nach einem Jahr werden wir dies im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluie- |
4847 | ren und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewer- |
4848 | tung vornehmen. Vor Abschluss der Neubewertung werden weder nach dem Zu- |
4849 | gangserschwerungsgesetz noch auf Grundlage der zwischen den Providern und |
4850 | BKA abgeschlossenen Verträgen über Internetsperren Sperrlisten des BKA ge- |
4851 | führt oder Providern übermittelt. |
4852 | |
4853 | Dynamische Dienstleistungen |
4854 | |
4855 | Die Medien- und Kommunikationsordnung muss gemeinsam mit den Ländern weiter |
4856 | an die veränderten technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst wer- |
4857 | den. Wir unterstützen die Bemühungen der Länder, die Finanzierung des öffentlich- |
4858 | rechtlichen Rundfunks auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. |
4859 | |
4860 | Im Interesse der Erhaltung der Meinungs- und Pressevielfalt sind das Medienkon- |
4861 | zentrations- und das Pressekartellrecht zu überprüfen. Das Presse-Grosso bleibt ein |
4862 | unverzichtbarer Teil unserer Medienordnung. |
4863 | |
4864 | 3. Datenschutz |
4865 | |
4866 | Ein moderner Datenschutz ist gerade in der heutigen Informationsgesellschaft von |
4867 | besonderer Bedeutung. Wir wollen ein hohes Datenschutzniveau. Die Grundsätze |
4868 | der Verhältnismäßigkeit, der Datensicherheit und -sparsamkeit, der Zweckbindung |
4869 | und der Transparenz wollen wir im öffentlichen und privaten Bereich noch stärker |
4870 | zur Geltung bringen. Hierzu werden wir das Bundesdatenschutzgesetz unter Be- |
4871 | rücksichtigung der europäischen Rechtsentwicklung lesbarer und verständlicher |
4872 | machen sowie zukunftsfest und technikneutral ausgestalten. Die Einwilligung ist |
4873 | eine wesentliche Säule des informationellen Selbstbestimmungsrechts. Ziel der |
4874 | Reform muss daher auch sein, verbesserte Rahmenbedingungen für informierte |
4875 | und freie Einwilligungen zu schaffen. Dazu sollen Informationspflichten erweitert |
4876 | und der Freiwilligkeit der Einwilligung größere Bedeutung beigemessen werden. |
4877 | |
4878 | Darüber hinaus werden wir eine Stiftung Datenschutz errichten, die den Auftrag |
4879 | hat, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu prüfen, Bil- |
4880 | dung im Bereich des Datenschutzes zu stärken, den Selbstdatenschutz durch |
4881 | Aufklärung zu verbessern und ein Datenschutzaudit zu entwickeln. Wir sind über- |
4882 | zeugt, dass mit dieser Lösung auch der Technologiestandort Deutschland gestärkt |
4883 | wird, wenn datenschutzfreundliche Technik aus Deutschland mit geprüfter Qualität |
4884 | weltweit vertrieben werden kann. |
4885 | |
4886 | Wir werden beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informations- |
4887 | freiheit die personelle und sächliche Ausstattung verbessern. Die Unabhängigkeit |
4888 | der Datenschutzaufsicht steht für uns dabei im Mittelpunkt. |
4889 | |
4890 | Auch der Einzelne trägt Verantwortung für seine persönlichen Daten. Wir wollen |
4891 | deshalb die Sensibilität und Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für |
4892 | ihre eigenen Daten stärken. |
4893 | |
4894 | Vorratsdatenspeicherung |
4895 | |
4896 | Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten |
4897 | der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfas- |
4898 | sungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung aus- |
4899 | setzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Le- |
4900 | ben und Freiheit beschränken. |
4901 | |
4902 | Arbeitnehmerdatenschutz |
4903 | |
4904 | Privatheit ist der Kern persönlicher Freiheit. Wir setzen uns für eine Verbesserung |
4905 | des Arbeitnehmerdatenschutzes ein und wollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter |
4906 | vor Bespitzelungen an ihrem Arbeitsplatz wirksam schützen. Es dürfen nur solche |
4907 | Daten verarbeitet werden, die für das Arbeitsverhältnis erforderlich sind. Daten- |
4908 | verarbeitungen, die sich beispielsweise auf für das Arbeitsverhältnis nicht relevan- |
4909 | tes außerdienstliches Verhalten oder auf nicht dienstrelevante Gesundheitszu- |
4910 | stände beziehen, müssen zukünftig ausgeschlossen sein. Es sollen praxisgerech- |
4911 | te Regelungen für Bewerber und Arbeitnehmer geschaffen und gleichzeitig Arbeit- |
4912 | gebern eine verlässliche Regelung für den Kampf gegen Korruption an die Hand |
4913 | gegeben werden. Hierzu werden wir den Arbeitnehmerdatenschutz in einem eige- |
4914 | nen Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz ausgestalten. |
4915 | |
4916 | Fluggastdaten |
4917 | |
4918 | Für den Fall eines EU-Rechtsakts über die Verwendung von Fluggastdatensätze |
4919 | (PNR-Daten) kann das Abkommen zwischen der EU und den USA wegen der un- |
4920 | terschiedlichen Rahmenbedingungen nicht als Maßstab dienen. Wir streben an, in |
4921 | den Verhandlungen auf EU-Ebene ein höheres Datenschutzniveau zu vereinba- |
4922 | ren. |
4923 | SWIFT-Abkommen |
4924 | |
4925 | Bei den Verhandlungen zum SWIFT-Abkommen werden wir uns für ein hohes Da- |
4926 | tenschutzniveau (strikte Zweckbindung, Löschung der Daten, klare Regelungen |
4927 | bezüglich Weitergabe an Drittstaaten) und einen effektiven Rechtsschutz einset- |
4928 | zen. Ein automatisierter Zugriff auf SWIFT von außen ist auszuschließen. Die Ü- |
4929 | bermittlung der Daten wird an Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft und auf- |
4930 | grund einer Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse eingegrenzt. Die Menge der zu |
4931 | übermittelnden Daten ist möglichst gering zu halten. Das Abkommen ist unter Ra- |
4932 | tifizierungsvorbehalt zu stellen. |
4933 | |
4934 | 4. Rechtspolitik |
4935 | |
4936 | Verstärkter Schutz von Berufsgeheimnisträgern |
4937 | |
4938 | In § 160a StPO gibt es derzeit eine Differenzierung nach verschiedenen Berufs- |
4939 | geheimnisträgern. Diese beseitigen wir im Bereich der Anwälte, die wir als einheit- |
4940 | liches Organ der Rechtspflege betrachten. Im Übrigen werden wir gemeinsam prü- |
4941 | fen, ob die Einbeziehung weiterer Berufsgeheimnisträger in den absoluten Schutz |
4942 | des § 160a Absatz 1 StPO angezeigt und im Hinblick auf die Durchsetzung des |
4943 | Strafverfolgungsanspruches des Staates vertretbar ist. |
4944 | |
4945 | Kronzeugenregelung |
4946 | |
4947 | Wir wollen die Kronzeugenregelung im Strafgesetzbuch so ausgestalten, dass die |
4948 | Möglichkeit der Strafmilderung nur dann eröffnet werden kann, wenn die Offenba- |
4949 | rung des Täters im Zusammenhang mit seiner eigenen Straftat steht. |
4950 | |
4951 | Sicherungsverwahrung |
4952 | |
4953 | Wir wollen eine Harmonisierung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen |
4954 | der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch, die rechtsstaatlich und europa- |
4955 | rechtskonform ist. Dabei wollen wir Schutzlücken im geltenden Recht, wie sie bei |
4956 | Strafverfahren in jüngster Zeit aufgetreten sind, schließen. Bei der gesetzlichen |
4957 | Regelung werden wir darauf achten, dass die Sicherungsverwahrung unter Be- |
4958 | rücksichtigung des notwendigen Schutzes der Bevölkerung ihren Ausnahmecha- |
4959 | rakter behält und auf schwerste Fälle beschränkt bleibt. |
4960 | |
4961 | Pressefreiheit |
4962 | |
4963 | Wir stärken die Pressefreiheit. Dazu werden wir insbesondere im Strafgesetzbuch |
4964 | sicherstellen, dass sich Journalisten künftig nicht mehr der Beihilfe zur Verletzung |
4965 | eines Dienstgeheimnisses strafbar machen, wenn sie ihnen vertraulich zugeleite- |
4966 | tes Material veröffentlichen. Darüber hinaus stärken wir den Beschlagnahme- |
4967 | schutz für Journalisten. Künftig wird eine Beschlagnahme nur noch bei einem |
4968 | dringenden Tatverdacht gegen den Journalisten möglich sein. |
4969 | |
4970 | Bekämpfung von Menschenhandels und Zwangsverheiratung |
4971 | |
4972 | Wir wollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Opfer von Menschenhandel |
4973 | und Zwangsverheiratung verbessern. Zwangsverheiratung ist eine Verletzung un- |
4974 | seres freiheitlich-demokratischen Werteverständnisses und eine eklatante Men- |
4975 | schenrechtsverletzung. Im Kampf gegen Zwangsehen werden wir einen eigen- |
4976 | ständigen Straftatbestand für Zwangsheirat einführen. Die zivil- und aufenthalts- |
4977 | rechtlichen Nachteile aus solchen Straftaten werden wir unter dem Gesichtspunkt |
4978 | des Opferschutzes beseitigen (insbesondere Rückkehrrecht) und die Beratungs-, |
4979 | Betreuungs- und Schutzangebote verbessern. |
4980 | |
4981 | § 153 a StPO - Verfahrenseinstellung |
4982 | |
4983 | Wir werden die Möglichkeit der Einstellung eines Strafverfahrens unter Auflagen nach |
4984 | § 153 a StPO auch auf die Revisionsinstanz ausweiten. |
4985 | |
4986 | Sterbehilfe |
4987 | |
4988 | Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir |
4989 | unter Strafe stellen. |
4990 | |
4991 | Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte |
4992 | |
4993 | Polizeibeamte und andere Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wer- |
4994 | den immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe. Wir wollen ihren strafrecht- |
4995 | lichen Schutz - insbesondere durch eine Neufassung des § 113 Abs. 2 StGB - |
4996 | verbessern. |
4997 | |
4998 | Änderungen im Wiederaufnahmerecht |
4999 | |
5000 | Wir prüfen, inwieweit bei schwersten Verbrechen (Mord, Völkermord) eine Wie- |
5001 | deraufnahme im Strafverfahren zu Ungunsten des Angeklagten in solchen Fällen |
5002 | verfassungsrechtlich möglich ist, in denen aufgrund neuer wissenschaftlicher Un- |
5003 | tersuchungsmethoden (DNA-Analyse) nachträglich der Nachweis der Täterschaft |
5004 | geführt werden kann. |
5005 | |
5006 | Erscheinenspflicht von Zeugen vor der Polizei |
5007 | |
5008 | Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermitt- |
5009 | lungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor |
5010 | der Polizei erscheinen und - unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte - zur Sache |
5011 | aussagen müssen. |
5012 | |
5013 | Reform des Transsexuellenrechts |
5014 | |
5015 | Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwi- |
5016 | schen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen |
5017 | medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir werden das Transsexuellen- |
5018 | gesetz deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfas- |
5019 | sungsgerichts auf eine neue zeitgemäße Grundlage stellen, um den betroffenen |
5020 | Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. |
5021 | |
5022 | Enteignungen in der SBZ (1945-49) |
5023 | |
5024 | Wir werden eine Arbeitsgruppe bilden, die im Hinblick auf die Enteignungen in der |
5025 | SBZ von 1945 bis 1949 prüfen soll, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, |
5026 | die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevor- |
5027 | zugten Erwerb anzubieten. |
5028 | |
5029 | Europäische Privatgesellschaft / Rechtsexport |
5030 | |
5031 | Die Schaffung eines Statuts für eine Europäische Privatgesellschaft fördern wir im |
5032 | Interesse mittelständischer Unternehmen. Der grenzüberschreitender Charakter |
5033 | und Gläubigerschutzvorschriften, wie ein ausreichendes Mindeststammkapital, |
5034 | werden berücksichtigt. |
5035 | Die deutsche Rechtsordnung ist ein internationaler Standortvorteil der Bundesre- |
5036 | publik. Wir wollen deren Vorzüge, auch gegenüber den anglo-amerikanischen |
5037 | Rechtsordnungen, auf internationaler Ebene deutlich herausstellen. Dabei kann |
5038 | die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit hilfreich sein. |
5039 | |
5040 | Europäisches Vertragsrecht |
5041 | |
5042 | Wir lehnen die Schaffung eines einheitlichen europäischen Vertragsrechts ab. Das |
5043 | Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit darf in Europa nicht aufgegeben werden. Um |
5044 | Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, brauchen wir ver- |
5045 | lässliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Sachverhalte, insbeson- |
5046 | dere im Familien- und Erbrecht. Die Einführung von Sammelklagen national und |
5047 | europaweit lehnen wir ab. |
5048 | |
5049 | Schutz des geistigen Eigentums |
5050 | |
5051 | Innovationen und Erfindungen sind für die volkswirtschaftliche Entwicklung unsres |
5052 | an Rohstoffen armen Landes, für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres |
5053 | Landes und für den Schutz von Arbeitsplätzen in Deutschland von zentraler Be- |
5054 | deutung. Wir wollen deshalb den rechtlichen Rahmen für einen wirksamen Schutz |
5055 | des geistigen Eigentums durch Patente, Marken und Muster weiter stärken und |
5056 | den Zugang zu Schutzrechten für den Mittelstand erleichtern. Wir werden uns |
5057 | auch auf europäischer und internationaler Ebene für wirksame Maßnahmen gegen |
5058 | die weltweite Marken- und Produktpiraterie einsetzen. |
5059 | |
5060 | Juristenausbildung |
5061 | |
5062 | Der Bologna-Prozess stellt die Juristenausbildung in Deutschland vor besondere |
5063 | Probleme. Der hohe Qualitätsstandard der Ausbildung, wissenschaftliche Tiefe, |
5064 | thematische Vielfalt und Praxisorientierung müssen auch künftig Maßstab für die |
5065 | Studienabschlüsse sein. |
5066 | |
5067 | Mietrecht |
5068 | |
5069 | Wir wollen das Mietrecht auf seine Ausgewogenheit hin überprüfen und dabei sei- |
5070 | nen sozialen Charakter wahren. Wir wollen klima- und umweltfreundliche Sanie- |
5071 | rungen erleichtern und dabei die freie Entscheidung des Vermieters beibehalten. |
5072 | Baumaßnahmen, die diesem Zweck dienen, sind zu dulden und berechtigen nicht |
5073 | zur Mietminderung. Mietnomadentum sowie Luxussanierungen zum Zwecke der |
5074 | Entmietung werden wir wirksam begegnen. Die Kündigungsfristen für Vermieter |
5075 | und Mieter sollen einheitlich sein. Mietrechtliche Ansprüche müssen auch wirksam |
5076 | vollstreckt werden können. Zweckgebundene staatliche Transferleistungen zu den |
5077 | Wohnkosten müssen auch tatsächlich den Vermieter erreichen. |
5078 | |
5079 | Prozesskosten- und Beratungshilferecht |
5080 | |
5081 | Wir werden prüfen, inwieweit das Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht re- |
5082 | formiert werden kann, insbesondere mit dem Ziel, der missbräuchlichen Inan- |
5083 | spruchnahme entgegen zu wirken. Dabei werden wir sicherstellen, dass der Zu- |
5084 | gang zum Recht auch künftig allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von Ein- |
5085 | künften und Vermögen eröffnet ist. |
5086 | |
5087 | Untersuchungsausschussrecht |
5088 | |
5089 | Wir sind uns einig, Überlegungen zur Reform des Gesetzes zur Regelung des |
5090 | Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestags aufzugreifen. |
5091 | |
5092 | Grundgesetz-Änderungen |
5093 | |
5094 | Die Koalition wird Gespräche über etwaige Änderungen des Grundgesetzes mit |
5095 | den anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag sowie den Ländern aufnehmen. |
5096 | |
5097 | 5. Moderner Staat |
5098 | |
5099 | Die öffentliche Verwaltung in Deutschland steht für Rechtssicherheit und Zuver- |
5100 | lässigkeit. Wir werden die Modernisierung der Bundesverwaltung weiter vorantrei- |
5101 | ben, für mehr Transparenz, Bürgernähe und Servicequalität. |
5102 | |
5103 | Leistungsvergleiche nach Art. 91d GG müssen zu einem Instrument der Verwal- |
5104 | tungsentwicklung werden. Ein jährliches Arbeitsprogramm soll die Bereiche von |
5105 | Leistungsvergleichen festlegen. |
5106 | |
5107 | Die einheitliche Behördenrufnummer 115 verbessert den Service für alle Bürgerin- |
5108 | nen und Bürger. Bis 2011 werden alle Bundesbehörden hieran angeschlossen |
5109 | sein, bis Ende 2013 soll 115 für ganz Deutschland zur Verfügung stehen. |
5110 | |
5111 | Melderecht |
5112 | |
5113 | Wir werden den Auftrag aus der Föderalismuskommission I, das geltende Rah- |
5114 | menrecht durch eine Regelung in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz |
5115 | des Bundes abzulösen, durch ein Bundesmeldegesetz erfüllen. Darin werden wir |
5116 | das Melderecht harmonisieren und die Zustimmung der Vermieter bei der Anmel- |
5117 | dung von Mietern wieder einführen. |
5118 | |
5119 | Bürgerbeteiligung |
5120 | |
5121 | Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der demokratischen |
5122 | Willensbildung stärken. Dazu werden wir das Petitionswesen weiterentwickeln und |
5123 | verbessern. Bei Massenpetitionen werden wir über das im Petitionsausschuss be- |
5124 | stehende Anhörungsrecht hinaus eine Behandlung des Anliegens im Plenum des |
5125 | Deutschen Bundestags unter Beteiligung der zuständigen Ausschüsse vorsehen. |
5126 | |
5127 | Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes |
5128 | |
5129 | Der öffentliche Dienst hat für die Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des |
5130 | Staates eine Schlüsselfunktion. Wesentlicher Garant dieser Aufgabenerfüllung ist |
5131 | das Berufsbeamtentum. Wir werden das Beamtenrecht entsprechend dem Verfas- |
5132 | sungsgebot fortentwickeln und an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. |
5133 | |
5134 | Wir werden zudem ein Konzept zur langfristigen Anpassung der Personalstruktu- |
5135 | ren im Bund an die demographisch bedingten Veränderungen vorlegen. Dazu ge- |
5136 | hören angesichts der zu erwartenden Folgen des demographischen Wandels auch |
5137 | Maßnahmen zur Berücksichtigung der besonderen Belange älterer Beschäftigter, |
5138 | z. B. durch eine Flexibilisierung des Ruhestandseintritts, und der Erhalt der Kon- |
5139 | kurrenzfähigkeit im Hinblick auf den Wettbewerb des Bundes mit anderen Dienst- |
5140 | herren und der Wirtschaft um Nachwuchskräfte. Hierzu erforderlich sind attraktive |
5141 | Beschäftigungsbedingungen einschließlich der Möglichkeit zu regional-, arbeits- |
5142 | markt- und aufgabenbezogenen Differenzierungen. |
5143 | |
5144 | Wir wollen die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von Eingetragenen Le- |
5145 | benspartnerschaften verbessern. Dazu werden wir die familien- und ehebezoge- |
5146 | nen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartner- |
5147 | schaften übertragen. |
5148 | |
5149 | Die Auswirkungen der Föderalismusreform auf die Beschäftigungsbedingungen |
5150 | der Beamtinnen und Beamten in Bund und Ländern werden wir mit dem Ziel im |
5151 | Auge behalten, ein zu starkes Auseinanderfallen zu verhindern. |
5152 | |
5153 | Wir bekennen uns zum Bonn-Berlin-Gesetz, insbesondere zu den kulturellen Ver- |
5154 | pflichtungen des Bundes. |
5155 | |
5156 | Gerichtsvollzieher |
5157 | |
5158 | Wir wollen die Effizienz der Zwangsvollstreckung steigern und Gläubigerrechte |
5159 | stärken. Dazu werden wir die Aufgaben der Gerichtsvollzieher auf Beliehene über- |
5160 | tragen. |
5161 | |
5162 | Aufgabenübertragung auf Notare |
5163 | |
5164 | Als Beitrag zur Effizienzsteigerung und Entlastung der Justiz werden wir eine Ü- |
5165 | bertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch |
5166 | die Länder ermöglichen. |
5167 | |
5168 | Zusammenlegung Sozial- und Verwaltungsgerichte |
5169 | |
5170 | Um den Mitteleinsatz der Justiz effizienter gestalten zu können, eröffnen wir den |
5171 | Ländern die Möglichkeit, ihre Verwaltungs- und Sozialgerichte unter Wahrung der |
5172 | richterlichen Unabhängigkeit zu einheitlichen Fachgerichten zusammenzuführen. |
5173 | Staatshaftungsrecht |
5174 | |
5175 | Wir wollen das Staatshaftungsrecht kodifizieren und gerecht ausgestalten. |
5176 | |
5177 | Einrichtung eines zentralen Testamentsregisters |
5178 | |
5179 | Mit dem Ziel einer Modernisierung des Mitteilungswesens in Nachlasssachen wer- |
5180 | den wir die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einrichtung eines durch Gebüh- |
5181 | ren finanzierten Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer |
5182 | schaffen. Dabei stellen wir sicher, dass den Erfordernissen des Datenschutzes |
5183 | Rechnung getragen wird und Auskunft aus dem Register nur Gerichte oder Notare |
5184 | - diese bei Darlegung eines berechtigten Interesses - erhalten können. |
5185 | |
5186 | Kommunalpolitik |
5187 | |
5188 | Wir wollen in Deutschland starke Kommunen. Unsere Städte, Gemeinden und |
5189 | Landkreise stehen heute vor vielfältigen Herausforderungen im Bereich von De- |
5190 | mographie, Integration, Umwelt und Wirtschaft. |
5191 | |
5192 | Die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut. Wir setzen uns für leistungs- |
5193 | fähige Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände ein, um die vielfältigen Aufga- |
5194 | ben auch in Zukunft sicherzustellen. Zusammen mit den kommunalen Spitzenver- |
5195 | bänden werden wir nach Wegen suchen, Entlastungen für die Kommunen, z. B. |
5196 | Flexibilisierung von Standards und Gleichstellung bei gesamtstaatlichen Aufga- |
5197 | ben, und Erweiterungen des kommunalen Handlungsspielraums zu identifizieren. |
5198 | Wir wollen, dass die Bürger sich in ihrer Heimat wohl fühlen. |
5199 | |
5200 | Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben die Leistungsfähigkeit vieler |
5201 | Kommunen strapaziert und Fragen nach der Güte kommunaler Leistungsfähigkeit |
5202 | aufgeworfen. Wir beabsichtigen, den Ländern vorschlagen, eine gemeinsame Be- |
5203 | standsaufnahme zu erarbeiten und Handlungsempfehlungen zur Stärkung der |
5204 | kommunalen Selbstverwaltung vorzulegen. Dabei sind auch Fragen der Finanzbe- |
5205 | ziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Konnexitätsprinzip) und der |
5206 | Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung des Bundes einzubeziehen, e- |
5207 | benso der Anschluss des ländlichen Raums an die Breitbandversorgung. |
5208 | |
5209 | Transparenz kommunaler Gesellschaften |
5210 | |
5211 | Entscheidungen kommunaler Gesellschaften müssen transparent sein. Hierzu |
5212 | muss der Grundsatz der Öffentlichkeit bei kommunalen Entscheidungen im Rah- |
5213 | men der Abwägung mit der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht ein |
5214 | deutlich höheres Gewicht als bisher erhalten. |
5215 | |
5216 | V. SICHERER FRIEDEN |
5217 | Durch Partnerschaft und Verantwortung in Europa und der Welt |
5218 | |
5219 | Deutschlands Zukunft in Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand ist untrenn- |
5220 | bar mit der politischen Entwicklung Europas und der Welt verbunden. Wir stehen |
5221 | für eine Politik, die gleichermaßen den Interessen unseres Landes in einem ver- |
5222 | einten Europa dient und zum Frieden in der Welt beiträgt. Deshalb nehmen wir |
5223 | eine gestaltende Rolle in den Bündnissen und internationalen Organisationen ein, |
5224 | in denen wir mitwirken. |
5225 | |
5226 | Unser politisches Handeln wird von den Werten des Grundgesetzes und dem Ziel |
5227 | geleitet, die Interessen unseres Landes zu wahren. Wir bekennen uns zur Univer- |
5228 | salität der Menschenrechte, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Herrschaft des Rechts |
5229 | in den internationalen Beziehungen und betrachten Menschenrechtspolitik als |
5230 | zentrale Konstante deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. |
5231 | |
5232 | Wir setzen auf starke Partnerschaften und wirksame multilaterale Strukturen. Da- |
5233 | bei stehen die Transatlantische Zusammenarbeit und die Europäische Einigung im |
5234 | Zentrum unserer Politik. Ein starkes Atlantisches Bündnis und ein handlungsfähi- |
5235 | ges Europa ergänzen einander. |
5236 | |
5237 | Die Auswirkungen der Finanzkrise haben die Notwendigkeit eines gemeinsamen |
5238 | und geregelten Vorgehens aller Akteure in der Globalisierung deutlich gemacht. |
5239 | Wir treten dafür ein, die Instrumente der globalen Steuerung anzupassen. Das gilt |
5240 | für die Vereinten Nationen ebenso wie für den Internationalen Währungsfonds, die |
5241 | Weltbank oder die Gipfeltreffen der G-7 und der G-8. Neue globale Steuerungsin- |
5242 | strumente und Formate wie G-20 sind notwendig, weil sie aufstrebenden Schwel- |
5243 | lenländern Mitsprache und Mitverantwortung im Kreis der wichtigsten Wirtschafts- |
5244 | nationen geben. |
5245 | |
5246 | Als Exportnation haben wir ein hohes Interesse an einer freiheitlichen Ordnung der |
5247 | Weltwirtschaft auf Grundlage der Charta für nachhaltiges Wirtschaften sowie an |
5248 | freien und sicheren Verkehrswegen. Als wirkungsvollen Schritt gegen Protektio- |
5249 | nismus streben wir einen raschen Abschluss der Verhandlungen in der Welthan- |
5250 | delsorganisation (Doha-Runde) an. Internationaler Terrorismus, organisierte Kri- |
5251 | minalität und Piraterie, Klimawandel, Armutsbekämpfung, Nahrungsmittel- und |
5252 | Ressourcensicherheit sowie Seuchen und Krankheiten gehören heute zu den gro- |
5253 | ßen Themen, aus denen sich sicherheitspolitische Risiken ergeben und die nur |
5254 | gemeinsam bewältigt werden können. |
5255 | |
5256 | Wir bekennen uns zur Stärkung der Vereinten Nationen und setzen uns für ihre |
5257 | umfassende Reform ein. Wir setzen uns dafür ein, dass die Strukturen dieser |
5258 | Weltorganisation die heutigen Realitäten widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund |
5259 | streben wir weiterhin im Rahmen einer Gesamtreform und im Sinne des Vertrages |
5260 | von Lissabon einen gemeinsamen ständigen Sitz der EU im Sicherheitsrat an. Auf |
5261 | dem Weg dorthin bleibt Deutschland bereit, mit der Übernahme eines ständigen |
5262 | Sitzes im Sicherheitsrat größere internationale Verantwortung zu übernehmen. Wir |
5263 | streben für die Wahlperiode 2011/2012 einen nicht-ständigen Sicherheitsrat-Sitz |
5264 | an und sind gegebenenfalls auch zeitlich begrenzten Zwischenschritten auf dem |
5265 | Weg zu einem ständigen Sitz gegenüber aufgeschlossen. |
5266 | |
5267 | Wir werden Bonn als Standort der Vereinten Nationen und von internationalen |
5268 | Nichtregierungsorganisationen weiter ausbauen. Den Anteil deutschen Personals |
5269 | bei der Europäischen Union und in internationalen Organisationen wollen wir ver- |
5270 | größern. |
5271 | |
5272 | 1. Deutschland in Europa |
5273 | |
5274 | Wir wollen eine leistungsfähige und selbstbewusste EU, die mit einer Stimme |
5275 | spricht und entschlossen für die Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand |
5276 | eintritt. Nur durch ein einiges Europa können wir unsere Werte und Interessen in |
5277 | der Welt erfolgreich vertreten. |
5278 | |
5279 | Mit dem Lissabon-Vertrag wird die EU demokratischer und handlungsfähiger. Wir |
5280 | werden gemeinsam mit unseren Partnern in der EU Initiativen anstoßen und kon- |
5281 | krete Projekte auf den Weg bringen, etwa bei der Energiepolitik, der Bankenauf- |
5282 | sicht und in der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik. |
5283 | |
5284 | Die EU ist stark, weil sich die Mitgliedstaaten unabhängig von ihrer Größe und |
5285 | wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als ebenbürtige und gleichberechtigte Partner |
5286 | begegnen. Wir stehen dafür ein, dass die Berücksichtigung der Interessen auch |
5287 | der kleinen und mittleren EU-Mitgliedstaaten ein Markenzeichen deutscher Euro- |
5288 | papolitik bleibt. |
5289 | |
5290 | In der Konsequenz der Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union liegen |
5291 | eine immer engere politische Abstimmung unserer Mitgliedstaaten und ein immer |
5292 | engerer Austausch zwischen unseren Gesellschaften. |
5293 | |
5294 | Enge und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Partnern in Europa sind kon- |
5295 | stitutiver Bestandteil unseres Engagements für Europa. Das deutsch-französische |
5296 | Verhältnis ist in seiner Breite und Tiefe einzigartig und fördert maßgeblich die eu- |
5297 | ropäische Einigung. In diesem Verständnis und im Interesse aller Bürgerinnen und |
5298 | Bürger Europas will die Bundesregierung die Zusammenarbeit in den Bereichen |
5299 | Bildung, Klimaschutz, Weltraum sowie Sicherheit und Verteidigung weiter voran- |
5300 | bringen. |
5301 | |
5302 | Darüber hinaus wollen wir die enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Polen |
5303 | weiter vertiefen und die Möglichkeiten des Weimarer Dreiecks intensiv ausschöp- |
5304 | fen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass von der deutsch-polnischen Zusam- |
5305 | menarbeit neue Impulse für die europäische Einigung ausgehen. Zugleich wissen |
5306 | wir um die hohe Bedeutung freundschaftlicher, vertrauensvoller und zukunftsge- |
5307 | richteter Beziehungen mit unseren anderen Nachbarn. |
5308 | |
5309 | Bürgernahe und demokratische EU |
5310 | |
5311 | Wir setzen uns ein für eine demokratische, transparente und bürgernahe EU, die |
5312 | nach freiheitlichen Grundsätzen gestaltet ist und den Rahmen dafür schafft, dass |
5313 | die Bürgerinnen und Bürger Lebenschancen ergreifen und ihr Leben eigenverant- |
5314 | wortlich und solidarisch gestalten können. |
5315 | |
5316 | Wir werden uns für einen wahrnehmbaren weiteren Abbau von Bürokratie einset- |
5317 | zen. Wir wollen, dass der EU-Aktionsplan zum Bürokratie-Abbau um 25 Prozent |
5318 | bis 2012 wirksam umgesetzt wird. |
5319 | |
5320 | Die Funktionsweise des europäischen Binnenmarktes hängt auch von einer zügi- |
5321 | gen und fristgerechten Umsetzung von EU-Richtlinien ab. Eine über die EU- |
5322 | Vorgaben hinausgehende Umsetzung oder eine Verbindung mit anderen gesetzli- |
5323 | chen Maßnahmen sollte grundsätzlich ausgeschlossen werden. |
5324 | |
5325 | Das Subsidiaritätsprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Grund- |
5326 | satz der begrenzten Einzelermächtigung müssen strikt beachtet werden. Die EU |
5327 | kann nur rechtsetzend tätig werden, wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage |
5328 | existiert, nachgewiesen werden kann, dass die Mitgliedstaaten keine ausreichen- |
5329 | de Regelung gewährleisten können und eine Regelung auf europäischer Ebene |
5330 | besser ist als auf nationaler. |
5331 | |
5332 | Wir werden uns dafür einsetzen, dass EU-Gesetzgebungsvorhaben, die innerhalb |
5333 | der Amtszeit einer EU-Kommission nicht verabschiedet worden sind, verfallen. |
5334 | Auch wollen wir, dass EU-Rechtsakte stärker als bisher auf ihre Verhältnismäßig- |
5335 | keit und Bürgerfreundlichkeit ausgerichtet werden. Mitteilungs- und Berichtspflich- |
5336 | ten für Unternehmen sind erheblich zu reduzieren. |
5337 | |
5338 | Wir sind für ein soziales Europa auf marktwirtschaftlicher Grundlage als Ergebnis |
5339 | von Sozialpolitik in nationaler Verantwortung. Grenzüberschreitende EU- |
5340 | Sozialsysteme lehnen wir ab, denn nur so kann der hohe deutsche Standard ge- |
5341 | wahrt werden. |
5342 | |
5343 | Wir setzen uns für eine wesentliche Stärkung und für eine gleichberechtigte Ver- |
5344 | wendung der deutschen Sprache als Arbeitssprache der europäischen Institutio- |
5345 | nen ein, die auch in der Übersetzungspraxis und bei der Bereitstellung von Über- |
5346 | setzungsdokumenten angewandt wird. |
5347 | |
5348 | Bundestag und Bundesrat haben die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag neu |
5349 | gefasst, mit denen ihre Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte konkretisiert werden. |
5350 | Wir werden einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass diese Gesetze in der neuen |
5351 | Legislaturperiode politisch mit Leben erfüllt und die parlamentarischen Rechte ak- |
5352 | tiv und umfänglich wahrgenommen werden. Wir werden im Verlauf der Legislatur- |
5353 | periode bewerten, ob die durch die Begleitgesetze eröffneten Möglichkeiten grö- |
5354 | ßerer parlamentarischer Kontrolle den Anforderungen der Praxis genügen und |
5355 | gegebenenfalls entsprechende Initiativen ergreifen. |
5356 | |
5357 | Wettbewerb und Binnenmarkt |
5358 | |
5359 | Grundlage des Wohlstands in Deutschland ist der unverfälschte Wettbewerb im |
5360 | europäischen Binnenmarkt. Deutschlands Stellung als führende Exportnation be- |
5361 | ruht auf offenen Märkten in Europa, denn zwei Drittel der deutschen Ausfuhr ge- |
5362 | hen in EU-Staaten. Nur mit Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum ge- |
5363 | lingt die nachhaltige Schaffung neuer Arbeitsplätze. Protektionismus in jeder Form |
5364 | erteilen wir eine klare Absage. |
5365 | Der europäische Binnenmarkt ist zum größten Wirtschaftsraum der Welt ange- |
5366 | wachsen. Er schafft die Voraussetzungen für unseren Sozialstaat und unsere ho- |
5367 | hen Umweltstandards. Durch funktionierenden Wettbewerb werden Innovation, |
5368 | Wachstum und die Wohlfahrt der Verbraucher gefördert. Wir werden deshalb kon- |
5369 | sequent an der Vollendung des Binnenmarktes und der Schaffung eines Rahmens |
5370 | für funktionierenden Wettbewerb arbeiten. |
5371 | |
5372 | Wir werden alle Versuche abwehren, die Unabhängigkeit der EZB in Frage zu stel- |
5373 | len, und wir bekennen uns zum Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wir sind uns be- |
5374 | wusst, dass es einer grundlegenden Neuordnung des Finanzsystems bedarf, die |
5375 | insbesondere die Schaffung einer einheitlichen EU-weiten Bankenaufsicht um- |
5376 | fasst. |
5377 | |
5378 | EU-Finanzen |
5379 | |
5380 | Die Anstrengungen für tragfähige und generationengerechte öffentliche Finanzen |
5381 | können auch am EU-Haushalt nicht vorbeigehen. Europäischer Mehrwert und |
5382 | Subsidiarität müssen die Richtschnur für die anstehenden Verhandlungen über die |
5383 | Zukunft des EU-Haushalts sein. Wir werden uns für eine nachhaltige und verant- |
5384 | wortungsvolle europäische Haushaltspolitik einsetzen. Die vorhandenen Mittel |
5385 | müssen auf strategische Bereiche europäischer Politik konzentriert werden, in de- |
5386 | nen gemeinsames Handeln erforderlich ist und bessere Ergebnisse liefert als nati- |
5387 | onales. |
5388 | |
5389 | Die Beiträge der Mitgliedstaaten an die EU müssen ihrer jeweiligen wirtschaftli- |
5390 | chen Leistungsfähigkeit entsprechen, dürfen jedoch ein Prozent ihres Bruttonatio- |
5391 | naleinkommens (BNE) nicht überschreiten. Neben den traditionellen Eigenmitteln |
5392 | der EU (Zölle) soll dies die Haupt-Einnahmequelle der EU sein. Zudem muss si- |
5393 | chergestellt sein, dass Beitragsgerechtigkeit und faire Lastenverteilung durch Kor- |
5394 | rekturmechanismen gewährleistet werden. |
5395 | |
5396 | Eine EU-Steuer oder die Beteiligung der EU an nationalen Steuern und Abgaben |
5397 | lehnen wir ab. Auch darf die EU keine eigenen Kompetenzen zur Abgabenerhe- |
5398 | bung oder zur Kreditaufnahme für Eigenmittel erhalten. |
5399 | |
5400 | Deutschland bekennt sich zur Lissabon-Strategie, mit der die EU zum weltweit |
5401 | wettbewerbsfähigsten Raum werden soll. Daran müssen sich alle Ausgaben der |
5402 | EU messen lassen. Daher müssen Mittel aus den Strukturfonds zukünftig noch |
5403 | mehr als bisher auf dieses Ziel ausgerichtet werden. |
5404 | |
5405 | Wir werden uns dafür einsetzen, die Förderfähigkeit geeigneter Projekte aus dem |
5406 | Förderziel "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" ("Ziel-2") auch in |
5407 | der kommenden Förderperiode zu gewährleisten. Bezüglich des Förderziels "Kon- |
5408 | vergenz" ("Ziel-1") streben wir an, die Förderung ab 2014 stärker auf die wirklich |
5409 | bedürftigen Regionen zu beschränken und eine Übergangslösung für die aus Ziel- |
5410 | 1 herausfallenden Regionen zu finden. Prinzipiell ist jede Förderung befristet und |
5411 | hat degressiven Charakter. |
5412 | |
5413 | Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass - unter Beachtung der geltenden EU- |
5414 | Haushaltsobergrenze - eine schrittweise Neustrukturierung zugunsten von ge- |
5415 | meinsamen europäischen Zukunftsprojekten vorgenommen wird, also z.B. für Be- |
5416 | reiche wie Transeuropäische Verkehrsnetze, grenzüberschreitende Bildung, Jus- |
5417 | tiz- und Polizeizusammenarbeit, Forschung und Innovation. |
5418 | |
5419 | Wir werden 2010 Vorschläge erarbeiten, wie diese Umschichtung erfolgen kann. |
5420 | Deutschland wird sich bei den anstehenden EU-Finanzverhandlungen für einen |
5421 | höheren Anteil der Mittel für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik am |
5422 | Unionshaushalt einsetzen. Wir streben an, dass Einsätze der EU im Rahmen der |
5423 | GASP zukünftig zu einem höheren Anteil aus europäischen Mitteln finanziert wer- |
5424 | den als bisher. |
5425 | |
5426 | Wir werden uns für volle parlamentarische Beteiligung und Kontrolle beim EU- |
5427 | Haushalt auf europäischer wie auf nationaler Ebene einsetzen. Wir treten für eine |
5428 | lückenlose Offenlegung und Kontrolle der EU-Ausgaben ein. Die Prüfungslücke |
5429 | bei der Verwendung von EU-Geldern muss geschlossen werden. |
5430 | |
5431 | Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Agenturen einer wirksamen Haushaltskon- |
5432 | trolle unterliegen, sie auf ihren Zweck hin überprüft werden vor allem im Hinblick |
5433 | auf die Vermeidung von Doppelstrukturen und ihre Zahl nach Möglichkeit reduziert |
5434 | wird. |
5435 | |
5436 | Erweiterung und Nachbarschaftspolitik |
5437 | |
5438 | Wir stehen für eine Erweiterungspolitik mit Augenmaß. Abstriche bei den Kriterien |
5439 | oder gar einen Beitrittsautomatismus zum Beispiel durch Nennung eines Beitritts- |
5440 | datums vor Abschluss der Verhandlungen darf es nicht geben. Die Erweiterungs- |
5441 | verhandlungen werden ergebnisoffen geführt. Die strikte Erfüllung der Kopenha- |
5442 | gener Kriterien bleibt Voraussetzung für einen Beitritt. Maßgeblich sind in allen |
5443 | Fällen sowohl die Beitrittsfähigkeit der Kandidaten als auch die Aufnahmefähigkeit |
5444 | der EU. |
5445 | |
5446 | Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Vertiefung der gegenseitigen |
5447 | Beziehungen zur Türkei und an einer Anbindung des Landes an die Europäische |
5448 | Union. Die 2005 mit dem Ziel des Beitritts aufgenommenen Verhandlungen sind |
5449 | ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen |
5450 | Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. |
5451 | |
5452 | Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit |
5453 | einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss |
5454 | die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, |
5455 | möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden. |
5456 | |
5457 | Wir unterstützen einen Ausbau der EU-Nachbarschaftspolitik. Ziel ist die Förde- |
5458 | rung einer nachhaltigen demokratischen, wirtschaftlichen, sozialen, rechtsstaatli- |
5459 | chen und ökologischen Entwicklung in unserem unmittelbaren Umfeld sowie die |
5460 | Teilhabe dieser Länder an Frieden und Wohlstand. Auf der Grundlage gemeinsa- |
5461 | mer Werte treten wir für einen Ausbau der Zusammenarbeit mit den Ländern der |
5462 | Östlichen Partnerschaft ein. |
5463 | |
5464 | Erfolgreiche EU-Außenpolitik |
5465 | |
5466 | Europa und die EU-Staaten sind international immer dann stark, wenn die EU ge- |
5467 | schlossen auftritt. Die Schaffung des Amtes eines Hohen Vertreters für die Ge- |
5468 | meinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein wichtiger Schritt zu mehr |
5469 | Geschlossenheit in der EU-Außenpolitik. |
5470 | |
5471 | Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) |
5472 | seine Aufgaben wirksam wahrnehmen und über die erforderlichen Mittel und In- |
5473 | strumente verfügen kann. Die inhaltliche Verzahnung der EU-Außenpolitik mit der |
5474 | Außenpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten wird am besten durch einen organisa- |
5475 | torisch unabhängigen EAD gelingen, in dem Vertreter der Mitgliedstaaten auf allen |
5476 | Ebenen angemessen repräsentiert sind und eine gleichberechtigte Stellung ein- |
5477 | nehmen. |
5478 | |
5479 | Die elementaren Fragen der Sicherheit, Verteidigung und Abrüstung in Europa |
5480 | müssen von den Partnern in der Europäischen Union gemeinsam beraten und |
5481 | entschieden werden. Dabei ist auch auf eine möglichst intensive Beteiligung der |
5482 | nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments zu achten. |
5483 | |
5484 | Die EU sollte eigene Planungs- und Führungsfähigkeiten erhalten. Wo immer |
5485 | möglich sollte die EU ihre Kräfte bündeln, Aufgaben verteilen und Schwerpunkte |
5486 | setzen. Nur so können wir auf die neuen sicherheitspolitischen Bedrohungen rich- |
5487 | tig reagieren. Europa muss sich in die Lage versetzen, eigenständig Konfliktfällen |
5488 | vorzubeugen und gegebenenfalls gemeinsam, schnell und flexibel zu handeln. |
5489 | |
5490 | Wir werden uns dafür einsetzen, dass die EU ihr politisches Gewicht für eine neue |
5491 | Abrüstungspolitik in die Waagschale wirft. Wir wollen uns für die Fortentwicklung |
5492 | der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einsetzen. |
5493 | Langfristiges Ziel bleibt für uns der Aufbau einer europäischen Armee unter voller |
5494 | parlamentarischer Kontrolle. |
5495 | |
5496 | 2. Wertegebundene und interessengeleitete Außenpolitik |
5497 | |
5498 | Die enge Abstimmung und das gemeinsame Handeln der westlichen Wertege- |
5499 | meinschaft, d.h. der aufgeklärten, rechtsstaatlichen Demokratien dieser Welt, wa- |
5500 | ren und bleiben eines der Erfolgsrezepte deutscher Außenpolitik. Auch in der glo- |
5501 | balisierten Welt des 21. Jahrhunderts betrachten wir die Idee des Westens als |
5502 | Grundlage und seine Institutionen als Plattform deutscher Außenpolitik. In der Zeit |
5503 | der Globalisierung muss der Westen zu mehr Geschlossenheit finden, um seine |
5504 | Interessen durchzusetzen und gemeinsame Werte zu bewahren. |
5505 | |
5506 | Deutschlands Mitgliedschaften in der Europäischen Union und den euro- |
5507 | atlantischen Institutionen, vor allem der NATO, dienen diesem Interesse ebenso |
5508 | wie das bilaterale Verhältnis zu unserem wichtigsten Partner außerhalb Europas, |
5509 | den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir sind entschlossen, die Chancen im |
5510 | transatlantischen Verhältnis zu nutzen und werden deshalb das deutsch- |
5511 | amerikanische Vertrauensverhältnis systematisch stärken. Die enge politische Ko- |
5512 | ordination mit den Vereinigten Staaten sehen wir als Kraftverstärker unserer Inte- |
5513 | ressen, der das Gewicht Deutschlands in Europa und der Welt erhöht. Wir streben |
5514 | eine Intensivierung unserer Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen eines Transatlan- |
5515 | tischen Wirtschaftsraums an. |
5516 | |
5517 | Unser Verhältnis zu den USA und Kanada wird geprägt von einer einzigartigen |
5518 | Vielfalt an Kontakten beiderseits des Atlantiks. Deshalb wollen wir insbesondere |
5519 | jungen Menschen das jeweils andere Land näher bringen. |
5520 | |
5521 | Die Nordatlantische Allianz bleibt auch in Zukunft stärkster Anker unserer gemein- |
5522 | samen Sicherheit. Sie verbindet Europa und Amerika; sie ist das Fundament für |
5523 | die kollektive Verteidigung und verfügt über ein einzigartiges politisches und militä- |
5524 | risches Instrumentarium zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens. Sie |
5525 | dient der Erreichung politischer Ziele und umfasst das Angebot zu sicherheitspoli- |
5526 | tischer Zusammenarbeit, Abrüstung, Vertrauensbildung und friedlicher Konfliktlö- |
5527 | sung. Mit dem Strategischen Konzept wird die Allianz ihre strategischen Grundla- |
5528 | gen an die Herausforderungen der Gegenwart anpassen. |
5529 | |
5530 | Wir treten dafür ein, dass Blockaden bei der Zusammenarbeit von EU und NATO |
5531 | überwunden werden und das gemeinsame Potential ausgeschöpft werden kann. |
5532 | Wir setzen uns dafür ein, dass der NATO-Rat wieder zum zentralen Ort der si- |
5533 | cherheitspolitischen Debatte im Bündnis wird. |
5534 | |
5535 | Wir wollen, dass die Allianz zu der in der NATO-Russland-Grundakte von 1997 |
5536 | angelegten strategischen Partnerschaft findet und den NATO-Russland Rat als |
5537 | Forum für Fragen gemeinsamer Sicherheit intensiver nutzt. Unser Ziel ist eine eu- |
5538 | ro-atlantische Sicherheitsarchitektur, die auf der Grundlage der bewährten Institu- |
5539 | tionen, einschließlich der OSZE und des Europarats, eine enge Partnerschaft mit |
5540 | Russland umfasst. Die Bundesregierung will, dass die Allianz ihre Tür für neue |
5541 | Mitglieder grundsätzlich offen hält, und fördert den Ausbau der Partnerschaften. |
5542 | |
5543 | Wir wollen den hohen Anspruch, zu dem sich die Partner und Mitglieder in NATO, |
5544 | EU, Europarat und OSZE bekennen, insbesondere bei der Behandlung von Krisen |
5545 | und Konflikten zur Geltung bringen und deren Instrumente besser nutzen. |
5546 | |
5547 | Wir unterstützen mit Nachdruck die von US-Präsident Obama unterbreiteten Vor- |
5548 | schläge für weitgehende neue Abrüstungsinitiativen - einschließlich des Zieles |
5549 | einer nuklearwaffenfreien Welt. |
5550 | |
5551 | Abrüstung und Rüstungskontrolle verstehen wir nicht als einen Verlust an Sicher- |
5552 | heit, sondern als zentralen Baustein einer globalen Sicherheitsarchitektur der Zu- |
5553 | kunft. Wir wollen die Chance nutzen, den globalen Trend neuer Aufrüstungsspira- |
5554 | len umzukehren und wieder in eine Phase substantieller Fortschritte auf den Ge- |
5555 | bieten der Abrüstung und der Rüstungskontrolle eintreten. |
5556 | |
5557 | Wir sind davon überzeugt, dass auch Zwischenschritte bei der Erreichung des Zie- |
5558 | les einer nuklearwaffenfreien Welt wesentliche Zugewinne an Sicherheit bedeuten |
5559 | können. Es gilt zu verhindern, dass neue Nuklearmächte entstehen, neue nuklea- |
5560 | re Rüstungswettläufe ausgelöst werden, konventionelle Aufrüstung als Ersatz für |
5561 | die Aufgabe nuklearer Potentiale gesehen wird oder die Technologie zur Herstel- |
5562 | lung von Massenvernichtungswaffen sowie spaltbares Material in die Hände von |
5563 | Terroristen geraten. |
5564 | |
5565 | Wir sehen mit Sorge die Erosion der internationalen Vertragsarchitektur im Be- |
5566 | reich der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir sind davon überzeugt, dass Nach- |
5567 | folgeabkommen zu auslaufenden Verträgen ausgehandelt werden müssen und die |
5568 | bislang ausgebliebene Ratifizierung des Atomteststoppvertrages oder des ange- |
5569 | passten KSE-Vertrages nachzuholen ist. |
5570 | |
5571 | Wir werden uns dafür einsetzen, den Abschluss neuer Abrüstungs- und Rüstungs- |
5572 | kontrollabkommen international zu unterstützen. Die Überprüfungskonferenz zum |
5573 | Nuklearwaffensperrvertrag im Jahre 2010 wollen wir dafür nutzen, um eine neue |
5574 | Dynamik für vertragsbasierte Regelungen in Gang zu setzen. |
5575 | |
5576 | In diesem Zusammenhang sowie im Zuge der Ausarbeitung eines strategischen |
5577 | Konzeptes der NATO werden wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerika- |
5578 | nischen Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen A- |
5579 | tomwaffen abgezogen werden. Mit dem Ziel des Erhalts der Vereinbarungen des |
5580 | KSE-Regimes, einschließlich einer Rückkehr Russlands in das Vertragsregime, |
5581 | sind wir unsererseits zu einer Ratifizierung des A-KSE-Vertrages bereit. |
5582 | |
5583 | Wir sehen Russland als wichtigen Partner bei der Bewältigung von regionalen und |
5584 | globalen Herausforderungen. Dazu gehören die Konfliktherde in Afghanistan oder |
5585 | im Nahen Osten genauso wie die Abstimmung im E3+3-Rahmen zum Umgang mit |
5586 | dem iranischen Atomprogramm, Fragen des internationalen Terrorismus, des Kli- |
5587 | maschutzes oder globaler Seuchen. |
5588 | |
5589 | Zugleich werden wir Russland dabei unterstützen, den Kurs der Modernisierung |
5590 | des Landes konsequent fortzusetzen und dabei die Defizite bei Menschenrechten, |
5591 | Rechtsstaatlichkeit und Demokratie abzubauen. Wir wollen dazu den zivilgesell- |
5592 | schaftlichen Dialog fördern. Wir wollen wirtschaftliche Verbindungen weiter aus- |
5593 | bauen und langfristige, verlässliche Energiepartnerschaften ohne einseitige Ab- |
5594 | hängigkeiten schaffen. Die berechtigten Interessen unserer Nachbarn werden wir |
5595 | bei der Gestaltung unserer bilateralen Beziehungen mit Russland berücksichtigen. |
5596 | |
5597 | 3. Deutschland in internationaler Verantwortung |
5598 | |
5599 | Asien |
5600 | |
5601 | Wir werden Asien in unserer Außenpolitik den Rang einräumen, der diesem Konti- |
5602 | nent aufgrund seiner beschleunigt wachsenden Bedeutung zukommt. Dieses Be- |
5603 | deutungswachstum begreifen wir in erster Linie als Chance, ohne die dadurch |
5604 | entstehenden Herausforderungen zu übersehen. |
5605 | |
5606 | Asien ist die wirtschaftlich dynamischste Region der Welt; darüber hinaus ist die |
5607 | Mitwirkung Asiens für die Lösung globaler Probleme wie des Klimawandels, der |
5608 | Sicherung der Rohstoff- und Energieversorgung oder der Neuordnung des interna- |
5609 | tionalen Finanzsystems unverzichtbar. Aktive Beiträge vor allem unserer großen |
5610 | Partner China, Indien und Japan hierfür und für die Lösung regionaler Konflikte |
5611 | und Krisenherde werden wir auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Verhält- |
5612 | nisses einfordern. Bestehende Ansätze zu regionaler Kooperation werden wir |
5613 | nach Kräften fördern und unterstützen; dies gilt insbesondere für ASEAN sowie |
5614 | die EU-ASEM-Kooperation. |
5615 | |
5616 | In dem Dialog mit den Ländern Asiens spielen die Zivilgesellschaften eine bedeut- |
5617 | same Rolle; die Förderung politischer Partizipation ist uns ein wichtiges Anliegen. |
5618 | Wir werden den Rechtsstaatsdialog mit China fortführen und intensivieren. |
5619 | |
5620 | Lateinamerika |
5621 | |
5622 | Die Partnerschaft zwischen Deutschland, Lateinamerika und der Karibik baut auf |
5623 | gemeinsamen Werten auf. Wir teilen ein kulturelles Erbe und Erfahrungen aus |
5624 | langjähriger Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem und |
5625 | wissenschaftlich-technologischem Gebiet. Die Volkswirtschaften der EU und La- |
5626 | teinamerikas sind in hohem Maße komplementär. Wir wollen ein ressortübergrei- |
5627 | fendes Konzept zur langfristigen Ausgestaltung unserer Lateinamerikapolitik erar- |
5628 | beiten. |
5629 | |
5630 | Innerhalb der EU werden wir auf Kohärenz und ein abgestimmtes Vorgehen der |
5631 | Mitgliedstaaten drängen. Gemeinsam mit unseren Partnern im Gemeinsamen |
5632 | Markt Südamerikas (Mercosur) streben wir einen zeitnahen Abschluss der Doha- |
5633 | Welthandelsrunde an. Subregionale und bilaterale Ansätze schließen wir als Al- |
5634 | ternative nicht aus. Dabei werden wir die Förderung demokratischer Strukturen |
5635 | und der Rechtsstaatlichkeit zu einem Schwerpunkt machen. |
5636 | |
5637 | Afrika |
5638 | |
5639 | Wir streben ein neues ressortübergreifendes Afrika-Konzept an, das den sicher- |
5640 | heitspolitischen, gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Herausforde- |
5641 | rungen ebenso Rechnung trägt wie den großen Entwicklungspotentialen auf unse- |
5642 | rem Nachbarkontinent. Unser Ziel ist eine selbsttragende Entwicklung in möglichst |
5643 | vielen Regionen und bei der Bewältigung großer Herausforderungen wie Armut, |
5644 | Nahrungsmittelknappheit, Epidemien, Flüchtlingsströmen, mangelnder Rechts- |
5645 | staatlichkeit, politischem Extremismus oder Umweltzerstörung. |
5646 | |
5647 | Wir bekennen uns zur Unterstützung der afrikanischen Sicherheitsbemühungen |
5648 | und beteiligen uns im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Uni- |
5649 | on an Friedensinitiativen. Für eine dauerhafte Stabilisierung des Kontinents setzen |
5650 | wir auf eine starke Afrikanische Union als wichtiger Baustein afrikanischer Eigen- |
5651 | verantwortung. Die Bundesregierung wird auf der Grundlage der im Dezember |
5652 | 2005 verabschiedeten Afrika-Strategie der EU gezielte Beiträge hierzu leisten. |
5653 | |
5654 | Naher Osten |
5655 | |
5656 | Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel |
5657 | als jüdischem Staat. Wir bekräftigen das überragende Interesse Deutschlands und |
5658 | Europas an Frieden, Stabilität und demokratischer Entwicklung im Nahen und Mitt- |
5659 | leren Osten. Im Nahostfriedensprozess treten wir mit Nachdruck für eine Zwei- |
5660 | Staaten-Lösung ein: für einen Staat Israel, der von allen Nachbarn anerkannt wird |
5661 | und dessen Bürger in Frieden und Sicherheit leben können, sowie für einen le- |
5662 | bensfähigen palästinensischen Staat, dessen Bürger ihr Schicksal in Würde und |
5663 | Frieden selbst bestimmen können. |
5664 | |
5665 | Wir setzen uns für einen umfassenden regionalen Verhandlungsansatz im Nahen |
5666 | Osten ein, der auf vergangenen Friedensinitiativen aufbaut. Nach dem Vorbild des |
5667 | KSZE-Prozesses sowie auf Grundlage der Roadmap und des Annapolis- |
5668 | Prozesses werben wir für eine Wiederbelebung und Fortsetzung eines Konferenz- |
5669 | ansatzes im Nahen Osten, bei dem neben den regional beteiligten Konfliktparteien |
5670 | die USA, EU, Russland und die Vereinten Nationen an einen Tisch gebracht wer- |
5671 | den. |
5672 | |
5673 | Ferner werden wir uns dafür einsetzen, dass die Souveränität und innere Stabili- |
5674 | sierung des Libanon weiter gestärkt wird und sich im Irak die Demokratie weiter |
5675 | entwickelt und der Wiederaufbau voranschreitet. |
5676 | |
5677 | Iran |
5678 | |
5679 | Mit unseren Partnern bei den Verhandlungen der E3+3 werden wir weiter dazu |
5680 | beitragen, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Dabei setzen |
5681 | wir auf einen Verhandlungsansatz, sind in Absprache mit unseren Partnern wenn |
5682 | nötig auch zu härteren gemeinsamen Sanktionsmaßnahmen bereit. Wir erwarten, |
5683 | dass der Iran volle Transparenz über sein Nuklearprogramm herstellt. Es muss |
5684 | sichergestellt werden, dass das Recht auf zivile Nutzung der Kernenergie auch |
5685 | vom Iran so wahrgenommen wird, dass sich hieraus keine Sicherheitsrisiken für |
5686 | andere Staaten ergeben. |
5687 | |
5688 | Afghanistan |
5689 | |
5690 | Wir verstehen unser Engagement in Afghanistan als eine Aufgabe von besonde- |
5691 | rem nationalen Interesse: Es dient der Sicherheit der Menschen in unserem Land. |
5692 | Es ist Ausdruck unserer Solidarität mit den leidgeprüften Menschen in Afghanis- |
5693 | tan. Und es bekräftigt unsere Verlässlichkeit als gestaltendes Mitglied in der Nord- |
5694 | atlantischen Allianz und den Vereinten Nationen. Die Bundesregierung wird auch |
5695 | weiterhin einen der Bedeutung dieser Aufgabe angemessenen Beitrag leisten. |
5696 | |
5697 | Dazu werden wir gemeinsam mit unseren Verbündeten in Kürze auf einer interna- |
5698 | tionalen Konferenz unsere Strategie gemeinsam mit den Vertretern Afghanistans |
5699 | auf eine neue Grundlage stellen. Wir erwarten dabei, dass die afghanische Regie- |
5700 | rung ihre Verpflichtung zu guter Regierungsführung, zum Schutz der Menschen- |
5701 | rechte und zur Bekämpfung der Drogen-Kriminalität sowie der Korruption bekräf- |
5702 | tigt und den Worten Taten folgen lässt. In Abstimmung mit unseren Partnern wer- |
5703 | den wir die Verantwortung an die Autoritäten des Landes schrittweise übergeben. |
5704 | |
5705 | Wir halten dabei am Konzept der Vernetzten Sicherheit fest: Ohne Sicherheit gibt |
5706 | es keinen Aufbau, ohne Aufbau keine Sicherheit. Zentrale Bedeutung hat der zivile |
5707 | Aufbau und die zielgerichtete Fortsetzung der entwicklungspolitischen Maßnah- |
5708 | men. Je früher die afghanische Regierung im Land selbst Sicherheit gewährleisten |
5709 | kann, desto früher können wir in Abstimmung mit unseren Partnern den schrittwei- |
5710 | sen Abzug beginnen. Wir werden unsere Strategie der Übergabe in Verantwortung |
5711 | entschieden voran bringen und deshalb unsere Anstrengungen unter anderem bei |
5712 | der Europäischen Polizeimission EUPOL, beim nachhaltigen Aufbau und bei der |
5713 | Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte deutlich verstärken. |
5714 | |
5715 | Wir sind überzeugt, dass für Frieden und Entwicklung in Afghanistan auch die re- |
5716 | gionale Zusammenarbeit, allen voran ein konstruktives, von Vertrauen getragenes |
5717 | Verhältnis zwischen Afghanistan und Pakistan, maßgeblich ist. Wir wollen unseren |
5718 | Beitrag leisten, diese Beziehungen zu verbessern und die umfassende Stabilisie- |
5719 | rung des pakistanischen Staates zu fördern. |
5720 | |
5721 | Wir wollen die ressortübergreifenden Anstrengungen der Bundesregierung bün- |
5722 | deln und das Afghanistan-Konzept der Bundesregierung mit konkreten Vorgaben |
5723 | umsetzen. Für die Abstimmung mit unseren internationalen Partnern wird die |
5724 | Bundesregierung auf Vorschlag des Auswärtigen Amtes und in Abstimmung mit |
5725 | allen betroffenen Ressorts einen Sonderbotschafter ernennen. Dieser berichtet |
5726 | den für Afghanistan im Konzept der Vernetzten Sicherheit verantwortlichen Bun- |
5727 | desministern, die gemeinsam einen Kabinettsausschuss bilden. |
5728 | |
5729 | 4. Internationale Einsätze und Instrumente deutscher |
5730 | Sicherheitspolitik |
5731 | |
5732 | Wir handeln militärisch nur dann, wenn wir dies im Rahmen der VN, der NATO |
5733 | oder der EU sowie aufgrund einer völkerrechtlichen Legitimation tun können. Un- |
5734 | berührt davon bleibt das Recht auf Selbstverteidigung. Von unserer Kultur der Zu- |
5735 | rückhaltung werden wir uns weiterhin leiten lassen. |
5736 | |
5737 | Bei der internationalen Krisenprävention und -bewältigung stehen bei uns politi- |
5738 | sche und diplomatische Bemühungen an erster Stelle, dennoch wächst die Bedeu- |
5739 | tung des Einsatzes ziviler Kräfte von Polizei und Justiz. Wir müssen gemeinsam |
5740 | mit unseren Partnern darauf vorbereitet sein, mit diesen Mitteln krisenhaften Ent- |
5741 | wicklungen frühzeitig entgegenzusteuern und bei Ausbruch von Krisen schnell und |
5742 | verlässlich zu handeln. |
5743 | |
5744 | Zur nachhaltigen Stabilisierung von Krisenregionen sind Aufbau und rechtstaatli- |
5745 | che Ausbildung örtlicher Polizeikräfte ein Schlüsselelement. Wir werden deshalb |
5746 | unsere Fähigkeiten für polizeiliche Beiträge stärken durch den Aufbau entspre- |
5747 | chender Einheiten bei der Bundespolizei und durch einen von den Ländern zur |
5748 | Verfügung gestellten Pool, der für internationale Verwendungen bereit steht. |
5749 | |
5750 | Wir bekennen uns zum Ansatz einer Vernetzten Sicherheitspolitik. Dies erfordert |
5751 | moderne und leistungsfähige Streitkräfte und geeignete zivile Instrumente zur in- |
5752 | ternationalen Konfliktvorsorge und -bewältigung sowie eine noch engere Integrati- |
5753 | on und Koordinierung. In künftige Mandate für Einsätze im Ausland werden wir |
5754 | konkrete Benennungen der zu leistenden Aufgaben sowie deren Zuteilung auf die |
5755 | verantwortlichen Ressorts aufnehmen. |
5756 | |
5757 | Im Rahmen der Vereinten Nationen werden wir auf eine schrittweise Reduzierung |
5758 | unseres deutschen Beitrages zur Maritime Task Force UNIFIL mit der Perspektive |
5759 | der Beendigung hinwirken. |
5760 | |
5761 | Im Zusammenhang mit der Piraterie- und Terrorismusbekämpfung am Horn von |
5762 | Afrika werden wir die Bemühungen um eine bessere Koordinierung der Einsätze |
5763 | fortsetzen und eine kritische Überprüfung der Vielzahl der Mandate mit dem Ziel |
5764 | der Reduzierung vornehmen. |
5765 | |
5766 | Vor dem Hintergrund der globalen Bedrohung durch die Piraterie streben wir die |
5767 | Errichtung einer Kammer zur Verfolgung von Piraterie beim Internationalen Straf- |
5768 | gerichtshof an. |
5769 | |
5770 | Die Bundesregierung wird den Deutschen Bundestag regelmäßig über die laufen- |
5771 | den Einsätze deutscher Streitkräfte informieren und so die Voraussetzungen für |
5772 | deren angemessene parlamentarische Kontrolle schaffen. |
5773 | Soweit mit den Regelungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes eine jeweils |
5774 | zeitnahe und ausreichende Information des Parlaments in besonderen Fällen |
5775 | durch die Bundesregierung nicht sichergestellt werden kann, legen die Koalitions- |
5776 | fraktionen Initiativen zur Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes oder zur |
5777 | Schaffung eines Vertrauensgremiums vor. |
5778 | |
5779 | Zudem werden wir dafür Sorge tragen, dass zusätzliche einsatzbedingte Aufwen- |
5780 | dungen für kurzfristige und unvorhersehbare Verpflichtungen der Sicherheitskräfte |
5781 | im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen künftig aus dem Einzelplan 60 |
5782 | (Allgemeine Finanzverwaltung) finanziert werden. |
5783 | |
5784 | Schließlich werden wir die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), das |
5785 | Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) und die Führungsakademie der |
5786 | Bundeswehr (FüAkBw) verstärkt nutzen, um Führungskräfte von Bund und Län- |
5787 | dern sowie der Wirtschaft, Wissenschaft und Medien weiterzubilden und die Prin- |
5788 | zipien der Vernetzten Sicherheitspolitik kontinuierlich weiterzuentwickeln. |
5789 | |
5790 | 5. Für eine leistungsstarke und moderne Bundeswehr |
5791 | |
5792 | Die Bundeswehr ist ein wesentliches Instrument deutscher Friedenspolitik. Wir |
5793 | wollen auch in Zukunft eine leistungsfähige Bundeswehr als unverzichtbares In- |
5794 | strument für den Schutz Deutschlands und seiner Menschen ebenso wie für die |
5795 | internationale Krisenvorsorge und Konfliktbewältigung erhalten. |
5796 | |
5797 | Die Wehrpflicht hatte in den letzten Jahrzehnten ihre Berechtigung und sich be- |
5798 | währt. Seit dem Ende des kalten Krieges haben sich die sicherheitspolitische La- |
5799 | ge, Auftrag und Aufgabenspektrum der Bundeswehr grundlegend verändert. Die- |
5800 | sen Veränderungen ist angemessen Rechnung zu tragen. |
5801 | |
5802 | Die Koalitionsparteien halten im Grundsatz an der allgemeinen Wehrpflicht fest mit |
5803 | dem Ziel, die Wehrdienstzeit bis zum 1. Januar 2011 auf sechs Monate zu redu- |
5804 | zieren. |
5805 | |
5806 | Der Bundesminister der Verteidigung setzt eine Kommission ein, die bis Ende |
5807 | 2010 einen Vorschlag für Eckpunkte einer neuen Organisationsstruktur der Bun- |
5808 | deswehr, inklusive der Straffung der Führungs- und Verwaltungsstrukturen, zu |
5809 | erarbeiten hat. |
5810 | |
5811 | Die Bundesregierung bekennt sich zur Inneren Führung und zum Leitbild vom |
5812 | Staatsbürger in Uniform. Unsere Soldatinnen und Soldaten müssen sich auf den |
5813 | Rückhalt in der Gesellschaft verlassen können. Ihren Leistungen für die Sicherheit |
5814 | unseres Landes gebührt hohe Anerkennung. |
5815 | |
5816 | Unsere Fürsorgepflicht gilt in besonderem Maße den in Ausübung ihres Dienstes |
5817 | zu Schaden Gekommenen und ihren Familien. Für in Folge belastender Ereignis- |
5818 | se traumatisierte Soldatinnen und Soldaten wird die Einrichtung eines Trauma- |
5819 | Zentrums mit Priorität verfolgt. |
5820 | |
5821 | Zudem verständigen sich die Koalitionspartner vor dem Hintergrund des demogra- |
5822 | fischen Wandels darauf, mit Blick auf die personelle Einsatzfähigkeit ein Maßnah- |
5823 | menpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr bis En- |
5824 | de 2010 vorzulegen. Es wird sich hierbei u. a. um die Verbesserung der Verein- |
5825 | barkeit von Familie und Dienst, die Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, |
5826 | die Reduzierung der Versetzungshäufigkeit und die zügige Fortführung der Mo- |
5827 | dernisierung "Kasernen-West" handeln. |
5828 | |
5829 | Darüber hinaus gehende Änderungen, wie die Schaffung eines neuen Laufbahn- |
5830 | rechts, werden realisiert. |
5831 | |
5832 | Wir schaffen eine zentrale Zuständigkeit der Justiz für die Verfolgung von Strafta- |
5833 | ten von Soldaten, die diesen in Ausübung ihres Dienstes im Ausland vorgeworfen |
5834 | werden. |
5835 | |
5836 | Wehrtechnische Industrie und Rüstungskooperation |
5837 | Eine leistungsfähige nationale wehrtechnische Industrie ist für uns von hoher si- |
5838 | cherheits- und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Sie bleibt Grundlage für eine auf- |
5839 | gabengerechte Ausrüstung der Bundeswehr, die zunehmend nur über internatio- |
5840 | nale Kooperation gewährleistet werden kann. |
5841 | |
5842 | Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr brauchen für ihren gefährlichen |
5843 | Auftrag bis hin zum Gefecht die bestmögliche Ausrüstung. |
5844 | |
5845 | Beim Rüstungsprojekt A 400 M besteht die Koalition auf vollständiger Erfüllung |
5846 | des Vertrages. Der strategische Lufttransport wird sicher gestellt. Bei dem zu be- |
5847 | schaffenden Eurofighter haben sich die Koalitionsparteien darauf geeinigt, zukünf- |
5848 | tige Exporte auf die noch in der Tranche 3b zu beauftragende Stückzahl anrech- |
5849 | nen zu lassen. |
5850 | |
5851 | Bei der Beschaffung wehrtechnischen Materials werden wir Strukturen zur Sicher- |
5852 | stellung von Rechtsbeachtung und -befolgung schaffen. |
5853 | |
5854 | Die Sicherung technologischer Kompetenz und hochwertiger Arbeitsplätze in |
5855 | Deutschland ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Wir werden daher |
5856 | ressortübergreifend Maßnahmen zur Erhaltung ausgewählter wehrtechnischer |
5857 | Kernfähigkeiten festlegen und umsetzen. |
5858 | |
5859 | Wir halten an den derzeit geltenden Rüstungsexportbestimmungen fest und set- |
5860 | zen uns weiter für eine Harmonisierung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb |
5861 | der EU ein. Wir treten für faire Wettbewerbsbedingungen in Europa ein und be- |
5862 | kräftigen den Offset-Verhaltenskodex der Europäischen Verteidigungsagentur. |
5863 | |
5864 | 6. Menschenrechte schützen - Rechtsstaatlichkeit fördern |
5865 | |
5866 | Die Glaubwürdigkeit Deutschlands steht in direktem Zusammenhang mit dem |
5867 | konsequenten Eintreten für die Menschenrechte in der Außen- und Entwicklungs- |
5868 | politik. Ihre Einhaltung ist das Fundament für die demokratische, wirtschaftliche |
5869 | und kulturelle Entwicklung jedes Landes. Körperliche und geistige Unversehrtheit, |
5870 | Gedanken- und Meinungsfreiheit und die Freiheit von Diskriminierung sind unver- |
5871 | äußerliche Prinzipien unserer Menschenrechtspolitik. Wir wenden uns auch in un- |
5872 | seren auswärtigen Beziehungen gegen jegliche Benachteiligung aufgrund von Re- |
5873 | ligion, ethnischer Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. |
5874 | |
5875 | Der Rechtsstaatsdialog und Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft sind |
5876 | wichtige Instrumente unserer Menschenrechtspolitik, deren Wirkung kontinuierlich |
5877 | überprüft werden muss. Ebenso kontinuierlich wird sich die Bundesregierung welt- |
5878 | weit für Religionsfreiheit einsetzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die |
5879 | Lage christlicher Minderheiten legen. |
5880 | |
5881 | In unserem Regierungshandeln treten wir für die weltweite Abschaffung von To- |
5882 | desstrafe, Folter und unmenschlicher Behandlung ein. Insbesondere Menschen- |
5883 | handel, Kinderarbeit, der Einsatz von Kindersoldaten, Zwangsprostitution, |
5884 | Zwangsheirat und Praktiken wie Genitalverstümmelung müssen geächtet und in- |
5885 | ternational verboten werden. Wir sehen in der Globalisierung eine Chance, den |
5886 | Menschenrechten weltweit zur Durchsetzung zu verhelfen und befürworten Zertifi- |
5887 | zierungsmaßnahmen und Initiativen verantwortungsvoller Unternehmensführung. |
5888 | In Partnerschaftsabkommen werden wir den Schutz der Menschenrechte berück- |
5889 | sichtigen und ihre Umsetzung verfolgen. |
5890 | |
5891 | Wichtige Pfeiler internationaler Menschenrechtspolitik sind die internationalen |
5892 | Menschenrechtsschutzsysteme. Der Europarat mit dem Europäischen Gerichtshof |
5893 | für Menschenrechte (EGMR) sowie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) |
5894 | sind unentbehrliche Instrumente im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen. |
5895 | Insbesondere der EGMR bedarf stärkerer Unterstützung, da viele anhängige Kla- |
5896 | gen wegen mangelnder finanzieller Ressourcen nur sehr spät oder gar nicht bear- |
5897 | beitet werden können. |
5898 | |
5899 | Wir setzen uns für eine Evaluierung des Rom-Statuts zum IStGH ein, mit dem Ziel, |
5900 | Strafbarkeitslücken zu schließen. Wir bekennen uns zu den völkerrechtlichen Ver- |
5901 | pflichtungen Deutschlands und treten für eine bessere Durchsetzung des Völker- |
5902 | strafgesetzbuchs ein. Wir unterstützen die Bestrebungen, in Nürnberg ein Institut |
5903 | zur Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien zum Völkerstrafrecht einzurichten. |
5904 | |
5905 | Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen darf nicht zum Spielfeld nationaler |
5906 | Machtinteressen werden, sondern soll sich als internationales Sprachrohr gegen |
5907 | Menschenrechtsverletzungen etablieren. Wir werden die Menschrechtsdimension |
5908 | der OSZE fortentwickeln und die Stellung des OSZE-Büros für demokratische In- |
5909 | stitutionen und Menschenrechte (ODIHR) stärken. |
5910 | |
5911 | 7. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik |
5912 | |
5913 | Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist eine tragende Säule der deutschen |
5914 | Außenpolitik. Einer gezielten Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik kommt im |
5915 | Zeitalter der Globalisierung eine immer größere Bedeutung zu. Deutsche Kultur- |
5916 | einrichtungen wie das Deutsche Archäologische Institut, die Goethe-Institute, der |
5917 | DAAD, die Humboldt-Stiftung und die deutschen Auslandsschulen sowie Wissen- |
5918 | schaftskooperationen und entsprechende Zukunftsprojekte, wie zum Beispiel die |
5919 | Deutsch-Türkische Universität in Istanbul, sind Brücken unserer werteorientierten |
5920 | Außenpolitik. |
5921 | |
5922 | Der Förderung der deutschen Sprache im Ausland werden wir besondere Beach- |
5923 | tung beimessen. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik soll Deutschland in |
5924 | seiner Vielfalt darstellen und das Interesse an unserem Land, unserer Sprache |
5925 | und unserer Geschichte und Kultur fördern. Dies sind die Grundvoraussetzungen |
5926 | für gute und vertrauensvolle Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Part- |
5927 | nern. Heute begreift Deutschland seine Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik |
5928 | noch stärker als Beitrag zur Krisenprävention, Menschenrechtsschutz und Frei- |
5929 | heitsförderung. |
5930 | |
5931 | Dem Dialog mit dem Islam messen wir besondere Bedeutung zu. Wir achten und |
5932 | schätzen die reiche kulturelle Tradition der islamischen Welt und setzen uns für |
5933 | ein friedliches Miteinander der westlichen Demokratien mit den islamisch gepräg- |
5934 | ten Staaten ein. Islamisch geprägte Gesellschaften müssen ihren eigenen Weg in |
5935 | die und in der Moderne finden. Dabei ist es in unserem Interesse, die moderaten |
5936 | Kräfte in ihrem Streben nach Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu unterstützen. |
5937 | Islamistischer Terrorismus ist zunächst eine Bedrohung für die islamisch gepräg- |
5938 | ten Gesellschaften selbst, aber auch für uns. |
5939 | |
5940 | In unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nehmen die innereuropäischen |
5941 | sowie transatlantischen Beziehungen eine besondere Rolle ein. Wir wollen diese |
5942 | Beziehungen durch verstärkten Kultur- und Wissensaustausch stärken. Zudem |
5943 | betrachten wir es als Aufgabe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, auch |
5944 | die europäische Identität zu stärken und somit zur weiteren innereuropäischen |
5945 | Integration einen wertvollen Beitrag zu leisten. Mittel- und langfristig streben wir |
5946 | zwischen den EU-Mitgliedstaaten in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik |
5947 | Synergien in Form gemeinsamer Programme und Strukturen und der Entwicklung |
5948 | kooperativer europäischer Kulturinstitute an. Wir werden die Auswärtige Kultur- |
5949 | und Bildungspolitik finanziell bestmöglich ausstatten und verstehen dies als lang- |
5950 | fristige politische, kulturelle und wirtschaftspolitische Investition. |
5951 | |
5952 | Die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt durch die Deutsche Welle muss ver- |
5953 | stärkt werden. Hierzu können Programmangebote öffentlich-rechtlicher und privater |
5954 | Medienunternehmen einen Beitrag leisten. Bei der Vergabe der Mittel aus der ODA- |
5955 | Quote soll die Deutsche Welle stärker berücksichtigt werden. |
5956 | |
5957 | 8. Entwicklungszusammenarbeit |
5958 | |
5959 | In der Verfolgung der Ziele unserer Entwicklungspolitik kommen unsere Werte und |
5960 | Interessen gleichermaßen zum Ausdruck. Dabei sind rechtsstaatliche Mindest- |
5961 | standards und die Einhaltung der Menschenrechte zur berücksichtigen. |
5962 | |
5963 | Ziel der Entwicklungspolitik ist eine nachhaltige Bekämpfung von Armut und Struk- |
5964 | turdefiziten im Sinne der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Die Stär- |
5965 | kung guter Regierungsführung, der Eigenverantwortung und der Selbsthilfekräfte |
5966 | in den Entwicklungsländern werden zentrale Bestimmungselemente für unsere |
5967 | Entwicklungspolitik sein. Dies erfordert die intensive Einbindung und Stärkung al- |
5968 | ler in der Entwicklungsarbeit Tätigen - insbesondere der Kirchen, Stiftungen und |
5969 | Nichtregierungsorganisationen - wie auch eine engere Kooperation mit der deut- |
5970 | schen Privatwirtschaft. Den politischen Stiftungen kommt dabei eine herausgeho- |
5971 | bene Funktion zu. |
5972 | |
5973 | Unter dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" und dem Gesichtspunkt der Ernährungs- |
5974 | souveränität werden wir uns für ein nachhaltiges internationales Engagement zur |
5975 | Stärkung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Entwicklungsländern |
5976 | einsetzen. |
5977 | |
5978 | Wir wollen die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik steigern und sie durch eine |
5979 | Schärfung des Profils, Akzentuierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, klare |
5980 | nationale und internationale Arbeitsteilung nach den Prinzipien der Erklärung von |
5981 | Paris, Steigerung der Kohärenz sowie durch eine effizientere Gestaltung der bila- |
5982 | teralen, multilateralen und europäischen Organisationsstrukturen und Instrumente |
5983 | neu ausrichten. |
5984 | |
5985 | Wir werden uns auf folgende Schlüsselsektoren konzentrieren: Gute Regierungs- |
5986 | führung, Bildung/Ausbildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung, Klima-, Umwelt- |
5987 | und Ressourcenschutz sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit (Ausbau/Schutz |
5988 | des Privatsektors, z.B. mittels PPP, Mikrofinanzsystemen und Infrastrukturförde- |
5989 | rung). Die bisherigen Zusagen Deutschlands für die Bewahrung der biologischen |
5990 | Vielfalt und die Bekämpfung von Klimawandel und Hunger sollen konsequent um- |
5991 | gesetzt und auch künftig bedarfsgerecht gestaltet werden. |
5992 | |
5993 | Wir werden im Kontext der europäischen und internationalen Arbeitsteilung in der |
5994 | bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) Deutschlands mit einer begrenz- |
5995 | ten Zahl von Partnerländern zusammenarbeiten. Bei der flexiblen Anpassung wer- |
5996 | den die Kriterien gute Regierungsführung, Bedürftigkeit, Signifikanz unserer Hilfe, |
5997 | Gefahrenquellen und strategische Partnerschaft wichtige Gesichtspunkte sein. |
5998 | |
5999 | In der Zusammenarbeit mit fragilen und zerfallenden Staaten und Ländern mit |
6000 | schlechter Regierungsführung wollen wir Konzepte entwickeln, um situationsge- |
6001 | recht in ausgewählten Staaten Transformationsprozesse zu unterstützen. Krisen- |
6002 | und Katastrophenvorsorge sollen übergreifend gestaltet werden. |
6003 | |
6004 | Wir werden die Zusammenarbeit mit Schwellenländern zu Partnerschaften für eine |
6005 | nachhaltige Gestaltung der Globalisierung in gegenseitiger Verantwortung weiter- |
6006 | entwickeln, insbesondere Dreieckskooperationen fördern. Wir werden uns vor al- |
6007 | lem in Feldern hohen gemeinsamen Interesses, wie z.B. Rechtsstaatsförderung, |
6008 | Umwelt- und Klimaschutz sowie Wissenschaftskooperation engagieren. Die ein- |
6009 | gesetzten Instrumente sollen zu möglichst marktnahen Konditionen schrittweise |
6010 | gegen Entgelt angeboten werden. |
6011 | |
6012 | Wir werden uns für einen schnellen und entwicklungsorientierten Abschluss der |
6013 | Welthandelsverhandlungen einsetzen, sowie den Abbau der Agrarsubventionen |
6014 | und die Beendigung handelsverzerrender Fördermaßnahmen im Rahmen der |
6015 | WTO-Verhandlungen, den Süd-Süd-Handel und regionale Wirtschaftspartner- |
6016 | schaften fördern und durch Handelshilfen dazu beitragen, dass Entwicklungslän- |
6017 | der an der wirtschaftlichen Globalisierung Teil haben können. |
6018 | |
6019 | Kredite werden wir insbesondere unter Berücksichtigung der Schuldentragfähig- |
6020 | keit geben. Entschuldungen von Entwicklungsländern werden wir nur unter der |
6021 | Voraussetzung einer transparenten Haushaltsführung, der Bekämpfung von Kor- |
6022 | ruption und Misswirtschaft sowie des Aufbaus einer soliden Wirtschaftsstruktur |
6023 | und der Stärkung der Eigenfinanzierung der Entwicklungsländer gewähren. Wir |
6024 | setzen uns zudem für die Implementierung einer internationalen Insolvenzordnung |
6025 | ein. |
6026 | |
6027 | Struktur der Entwicklungszusammenarbeit |
6028 | |
6029 | Wir wollen die Schlagkraft der deutschen Entwicklungspolitik erhöhen, um die |
6030 | Wirksamkeit und Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes zu verbessern, insbesondere |
6031 | durch Auflösung von Doppelstrukturen in Regierung und Durchführung. |
6032 | |
6033 | Die Reform der Durchführungsstrukturen soll mit der Zusammenführung der Or- |
6034 | ganisationen der Technischen Zusammenarbeit (TZ) beginnen und mit Mecha- |
6035 | nismen zur besseren Verknüpfung von technischer und finanzieller Zusammenar- |
6036 | beit verbunden werden. Die Entscheidung über die Strukturen der TZ wollen wir, |
6037 | gegebenenfalls unterstützt durch externe Beratung durch den Bundesrechnungs- |
6038 | hof, innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode treffen. Zur Verbesserung |
6039 | der Steuerungsfähigkeit der deutschen Entwicklungspolitik werden wir die Organi- |
6040 | sationsstrukturen reformieren, die durch Abbau von Doppelstrukturen entstehen- |
6041 | den Synergien dazu nutzen, externes Personal durch Dienstkräfte zu ersetzen |
6042 | sowie die Außenstruktur des für die Entwicklungspolitik zuständigen Ressorts und |
6043 | die Präsenz in multilateralen und europäischen Strukturen verbessern. |
6044 | |
6045 | Architektur der internationalen Entwicklungszusammenarbeit |
6046 | |
6047 | Die Überprüfung der entwicklungspolitischen Effizienz und Koordinierungsfähigkeit |
6048 | multilateraler Institutionen wird die Basis für unsere Initiativen zur Reform der in- |
6049 | ternationalen Entwicklungsarchitektur hin zu klar definierter Aufgabenstruktur und |
6050 | darauf basierender Arbeitsteilung sein. |
6051 | |
6052 | Wir halten eine grundlegende Reform der EU-Entwicklungspolitik hin zu mehr Ko- |
6053 | härenz, Komplementarität und Subsidiarität für erforderlich und wollen den EU- |
6054 | Verhaltenskodex im Hinblick auf Prinzipien zur schlüssigen Arbeitsteilung überprü- |
6055 | fen. Wir werden auf eine wirkungsvolle parlamentarische Begleitung des laufen- |
6056 | den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) hinwirken und im Rahmen einer neu- |
6057 | en Finanziellen Vorausschau auf die Integration des 11. EEF in den Haushalt der |
6058 | EU hinarbeiten. Diese Integration muss mit dem deutschen entwicklungspoliti- |
6059 | schen Instrumentarium verzahnt werden. Wir wollen die unterschiedliche Behand- |
6060 | lung von Entwicklungsländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks im Vergleich zu |
6061 | Entwicklungsländern anderer Weltregionen beenden und streben eine einheitliche |
6062 | Entwicklungszusammenarbeit der EU an. |
6063 | |
6064 | Wir wollen eine Verteilung der bilateralen sowie der europäischen und multilatera- |
6065 | len deutschen Leistungen im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel errei- |
6066 | chen, um die Gestaltungsmöglichkeiten der deutschen Entwicklungspolitik zu er- |
6067 | weitern und den Wirkungsgrad der eingesetzten Haushaltsmittel zu erhöhen. |
6068 | |
6069 | Wir wollen trotz Finanzkrise die internationalen Verpflichtungen zur schrittweisen |
6070 | Erhöhung der deutschen öffentlichen Entwicklungsleistungen auf 0,7% des BSP |
6071 | einhalten. Wir werden uns diesem Ziel verantwortlich im Rahmen des Bundes- |
6072 | haushaltes annähern. Eine Erhöhung der entwicklungspolitischen Mittel muss mit |
6073 | einer Effizienzsteigerung des entwicklungspolitischen Instrumentariums und der |
6074 | Absorptionsfähigkeit in den Entwicklungsländern einhergehen. Ein wichtiges An- |
6075 | liegen ist für uns auch die Stärkung der Eigenfinanzierung der Entwicklungsländer. |
6076 | |
6077 | Budgethilfe und Entschuldung werden nur nach strengen, transparenten Vergabe- |
6078 | kriterien gewährt und fortlaufend überprüft. |
6079 | |
6080 | VI. ARBEITSWEISE DER KOALITION |
6081 | |
6082 | 1. Kooperation der Parteien |
6083 | |
6084 | Diese Koalitionsvereinbarung gilt für die Dauer der 17. Wahlperiode. Die Koaliti- |
6085 | onspartner verpflichten sich, diese Vereinbarung im Regierungshandeln umzuset- |
6086 | zen. Die Partner tragen für die gesamte Politik der Koalition gemeinsam Verant- |
6087 | wortung. |
6088 | |
6089 | Die Koalitionspartner CDU, CSU und FDP werden ihre Arbeit in Parlament und |
6090 | Regierung laufend und umfassend miteinander abstimmen und zu Verfahrens-, |
6091 | Sach- und Personalfragen Konsens herstellen. Die Koalitionspartner treffen sich |
6092 | regelmäßig zu Beginn einer jeden Sitzungswoche zu Koalitionsgesprächen im Ko- |
6093 | alitionsausschuss. Darüber hinaus tritt er auf Wunsch eines Koalitionspartners |
6094 | zusammen. Er berät Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, die zwi- |
6095 | schen den Koalitionspartnern abgestimmt werden müssen, und führt in Konfliktfäl- |
6096 | len Konsens herbei. Ihm gehören an die Parteivorsitzenden, die Fraktionsvorsit- |
6097 | zenden, die Generalsekretäre, die 1. Parlamentarischen Geschäftsführer, der Chef |
6098 | des Bundeskanzleramtes, der Bundesfinanzminister und ein weiteres von der FDP |
6099 | zu benennendes Mitglied. |
6100 | |
6101 | 2. Kooperation der Fraktionen |
6102 | |
6103 | Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitions- |
6104 | fraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der ver- |
6105 | einbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen. Über das |
6106 | Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den Koaliti- |
6107 | onsfraktionen hergestellt. Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Frakti- |
6108 | onsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einver- |
6109 | nehmen eingebracht. |
6110 | |
6111 | 3. Bundesregierung |
6112 | |
6113 | 3.1 Arbeit im Kabinett |
6114 | |
6115 | Im Kabinett wird in Fragen, die für einen Koalitionspartner von grundsätzlicher Be- |
6116 | deutung sind, keine Seite überstimmt. Ein abgestimmtes Verhalten in den Gre- |
6117 | mien der EU wird sichergestellt. In allen Ausschüssen des Kabinetts und in allen |
6118 | vom Kabinett beschickten Gremien sind die Koalitionspartner nach einem grund- |
6119 | sätzlich festgelegten Schlüssel vertreten. Die Besetzung von Kommissionen, Bei- |
6120 | räten usw. beim Kabinett erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen nach einem |
6121 | grundsätzlich festgelegten Schlüssel. |
6122 | |
6123 | 3.2 Ressortverteilung |
6124 | |
6125 | CDU und CSU stellen die Bundeskanzlerin und die Minister in den folgenden Be- |
6126 | reichen; Innen; Finanzen; Verteidigung; Arbeit und Soziales; Bildung und For- |
6127 | schung; Familie, Frauen, Senioren und Jugend; Ernährung, Landwirtschaft und |
6128 | Verbraucherschutz; Bauen, Wohnen und Verkehr; Umwelt, Naturschutz und Reak- |
6129 | torsicherheit; Minister für besondere Aufgaben im Bundeskanzleramt; |
6130 | |
6131 | Die FDP stellt die Minister in den folgenden Bereichen: Auswärtiges; Justiz; Wirt- |
6132 | schaft und Technologie; Gesundheit; Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- |
6133 | wicklung; |
6134 | |
6135 | Das Vorschlagsrecht für die jeweiligen Ämter liegt bei den verantwortlichen Partei- |
6136 | en. |